Antrittsbesuch während der Krise Kühler Empfang in Moskau für Rex Tillerson

Der US-Außenminister reist nach Moskau und die Situation könnte kaum aufgeladener sein. Es geht darum, ob beide Staaten künftig gemeinsame Interessen definieren können oder ob sie eine direkte Konfrontation wagen.

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Der US-Außenminister kommt aus Italien, wo er sich die Unterstützung seiner G7-Kollegen gesichert hat. Quelle: AFP

Moskau Noch 2012 ehrte der der russische Präsident Wladimir Putin Rex Tillerson mit dem Freundschaftsorden seines Landes. Tillerson war damals ExxonMobil-Chef, heute kommt er als Außenminister der USA nach Moskau. Die Anzeichen vor diesem Treffen sind wenig freundschaftlich. Der zweitägige Besuch wird nach dem jüngsten Zerwürfnis in der Syrien-Frage zu einem diplomatischen Kräftemessen. Und der Kreml stellt seinen Frust dabei offen zur Schau: „Im Zeitplan Putins sind derzeit keine Treffen mit Tillerson während dessen Visite in Moskau vorgesehen“, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow reichlich kühl kurz vor dem Eintreffen des US-Außenministers.

Das wäre noch kein diplomatischer Eklat, schließlich ist Tillerson offiziell auf Einladung seines Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Eine klare Ansage aus Moskau an Washington ist es allemal; schließlich fand der Kremlchef zuletzt Zeit für deutlich weniger prominente Politiker. Steht Sigmar Gabriel als deutscher Außenminister auf der Protokollebene mit Tillerson immerhin noch auf einer Stufe, so sind Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer oder die Präsidentschaftskandidatin der französischen Front National Marine Le Pen, denen Putin im März Audienz gewährte, deutlich darunter anzusiedeln. Doch Le Pen und – mit Abstrichen Seehofer – sind in Putins Augen Verbündete, Tillerson ein Verräter.

Denn von den „guten Vorsätzen“, die der Kreml bei Donald Trump und seinem Regierungsteam zu erkennen glaubte, ist nach einigen Monaten im Amt nichts mehr übrig geblieben. Führende Vertreter einer Annäherungspolitik an Russland wurden nach politischem Druck aus der Administration entfernt, andere, darunter auch Trump selbst, haben sich von ihren im Wahlkampf geäußerten Standpunkten entfernt. Die Verärgerung im Kreml wuchs zusehends, nun droht der Frust endgültig überhand zu nehmen.

Auslöser der neuesten russisch-amerikanischen Beziehungskrise ist der Chemiewaffeneinsatz in der syrischen Provinz Idlib und der anschließende Militärschlag der USA gegen Truppen von Staatschef Baschar al-Assad. Die amerikanischen Tomahawks gegen den Luftwaffenstützpunkt Shairat wertet Moskau wie ein ausgegrabenes Kriegsbeil auch gegen sich. Die Giftgas-Vorwürfe gegen seinen Verbündeten Assad weist Russland als unlogisch zurück, dieser habe in seiner Lage überhaupt kein Interesse daran, mit Giftgas zu provozieren, schließlich entwickle sich der Kampf mit konventionellen Waffen zu seinen Gunsten.


Tillerson macht unverhohlen Druck auf Russland

Doch noch böser als die Verdächtigungen stößt Moskau die eigene Bloßstellung auf: Die Marschflugkörper haben bei ihrem unbehelligten Flug Richtung Shairat nämlich auch die Illusion eines mächtigen russischen Luftabwehr-Schutzschildes für Assad zerstört. Die kraftmeiernde Stationierung der modernen russischen S-400-Raketen in Syrien wurde durch eine ebenso kraftprotzende Militäraktion Trumps als leere Drohkulisse desavouiert. Freilich ein riskanter Coup.

Zu allem Überfluss kommt Tillerson dem Vernehmen nach mit einem Ultimatum nach Moskau. „Wir wollen die Leiden des syrischen Volks lindern. Russland kann Teil der Zukunft sein und eine wichtige Rolle dabei spielen. Oder Russland kann weiter diese Gruppe unterstützen, die, wie wir meinen, ihren langfristigen Interessen nicht entspricht“, sagte der US-Außenminister kurz vor der Ankunft in Moskau.

Sollte Russland seine Unterstützung für Assad nicht einstellen, drohen sogar neue Sanktionen, heißt es. So etwas will sich die russische Führung nicht gefallen lassen. Die bilateralen Beziehungen seien in der schwersten Krise seit Ende des Kalten Kriegs, konstatierte das russische Außenministerium. Zwar hoffe man auf „produktive Gespräche“, die könnten allerdings nur „auf gleichberechtigter Basis“ stattfinden, warnte die Behörde.

Hinter den Kulissen laufen offenbar die Verhandlungen über die diplomatischen Formulierungen auf Hochtouren. Moskau will diese aufweichen. Gelingt es, dann könnte es womöglich doch noch zu dem ursprünglich für Mittwoch geplanten Gespräch zwischen Putin und Tillerson kommen. Ganz vom Tisch ist das Treffen nicht. Kreml-Insider meinen, dass am Mittwochnachmittag noch ein Zeitfenster für ein kurzes Tête-à-Tête offen gehalten wurde. Wenn es keinen Kompromiss gibt, werden sich Russlands Staatsmedien auf Putins Treffen mit Italiens Präsident Sergio Mattarella beschränken, in dem Putin „neue Provokationen“ mit Chemiewaffen in Syrien voraussagte. Für den Konflikt dort würde der russisch-amerikanische Gegensatz allerdings eine deutliche Erhöhung der Eskalationsgefahr hin zu einer direkten Auseinandersetzung der beiden Supermächte bedeuten.

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