Arbeitsmarktreform in Frankreich Macron nutzt die Gunst der Stunde

Macron empfängt die Sozialpartner schon vor der Parlamentswahl für erste Sondierungsgespräche. Der junge Präsident bewegt sich auf einem schmalen Grat: Er will reformieren – aber ohne das Land auf die Barrikaden zu treiben.

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Mit Reformen will der junge Präsident die französische Wirtschaft ankurbeln. Eines seiner Kernvorhaben ist die Reform des Arbeitsrechts. Quelle: Reuters

Paris Emmanuel Macron verliert keine Zeit: Er ist erst zwei Wochen im Amt und packt schon seine wohl wichtigste Reform an, die des Arbeitsmarktes. Der junge Staatspräsident wartet nicht einmal die Parlamentswahl ab und hat die Sozialpartner schon am Dienstag für erste Sondierungsgespräche empfangen. „Ich habe einen entschlossenen Präsidenten erlebt, der aber bereit ist, zuzuhören“, sagte Laurent Berger anschließend, der Vorsitzende der reformerischen Gewerkschaft CFDT.

Macron bewegt sich auf einem sehr schmalen Grat: Er will entschlossen reformieren – allerdings ohne das ganze Land auf die Barrikaden zu treiben. Die Entscheidungsschwäche seines Vorgängers François Hollande ist ihm zuwider, aber er will auch nicht den Eindruck erwecken, der Dialog mit den Sozialpartnern sei ihm völlig gleichgültig. Schnell soll es gehen, das ist klar: Am Dienstag wiederholte er in den Einzelgesprächen mit den Chefs der Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, dass er die Reform mithilfe von Dekreten verwirklichen werde.

Das bedeutet, dass die Gesetze ohne ausführliche Parlamentsdebatte verabschiedet werden sollen. Dabei gibt das Parlament nur einmal seine Zustimmung zu diesem Vorgehen und segnet das Paket am Ende en bloc ab, ohne in die Einzelbehandlung einzutreten. Noch sind die genauen Inhalte der Reform offen – und Macron dürfte auch erst nach der Parlamentswahl am 18. Juni völlige Klarheit schaffen.

Klar ist aber, dass der Präsident einen Vorrang unternehmensinterner Lösungen gegenüber dem Arbeitsgesetz und den Branchen-Tarifverträgen einführen will. Das soll nicht nur für die Arbeitszeit gelten, sondern auch für die Arbeitsbedingungen und die Löhne. Außerdem will er die diversen innerbetrieblichen Arbeitnehmergremien in einer Instanz zusammenfassen und die Abfindungen bei Entlassungen deckeln. Alle drei Ziele stoßen auf den Widerstand der Gewerkschaften.

Allerdings hat Macron auch Lockmittel in der Hand. Er könnte zumindest die kooperationsbereiten Gewerkschaften damit ködern, dass er ihre innerbetrieblichen Anhörungs- und Mitwirkungsrechte stärkt oder mehr Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten vorschreibt. Dazu würde auch die Zusage zählen, dass Tarifverträge ihre Bedeutung behalten. Seine Strategie dürfte auf jeden Fall darauf gerichtet sein, eine gewerkschaftliche Einheitsfront gegen seine Reform zu verhindern, denn die könnte mit Streiks und Blockaden das Land lahmlegen.

Nach einem ersten Gespräch mit den Vorsitzenden der drei größten Gewerkschaften – der reformerischen CFDT, der eher militanten FO und der radikalen CGT – klangen die Vertreter der Arbeitnehmer nicht allzu negativ. „Der Kalender scheint in Bewegung zu sein, ich habe den Eindruck, es soll nicht übers Knie gebrochen werden“, sagte Martinez von der CGT. Laurent Berger von der CFDT sah es ähnlich, „es wäre auch illusorisch, bis Ende August die gesamte Reform abschließen zu wollen.“ Auch Jean-Claude Mailly sieht zumindest die Möglichkeit einer seriösen Verhandlung, „doch heute, das war noch keine inhaltliche Verhandlung, sondern nur die erste Kontaktaufnahme.“

Doch allzu viel Zeit scheint der Präsident sich nicht nehmen zu wollen. Nach Aussage eines Unternehmerverbandschefs ließ er im Gespräch durchblicken, dass im September die Schlussabstimmung in der Nationalversammlung stattfinden soll. Ließe der neue Präsident zu viel Zeit für Verhandlungen verstreichen, verlöre er den Schwung, der mit seiner Wahl verbunden ist. Der ist nicht zu unterschätzen: In einer Führungskräftebefragung im Auftrag der Wirtschaftszeitung Les Echos zeigt sich ein Stimmungshoch, wie es seit zehn Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Die Hoffnung, dass Frankreich sich verändern kann, hat seit der Wahl Macrons zugenommen, genau wie seine persönlichen Umfragewerte. Offenbar agiert der Präsident in den ersten Tagen genauso, wie die Franzosen es sich wünschen.

Während die Gewerkschaften auf möglichst ausführliche Gespräche vor der Formulierung der Gesetzestexte hoffen, drücken die Patrons aufs Tempo. Der Präsident des Unternehmerverbands Medef Pierre Gattaz, der ebenfalls in den Elysée-Palast eingeladen war, äußerte nach dem Gespräch mit Macron: „Wir müssen schnell handeln, um die Blockaden aufzuheben, die schon zu lange das Wachstum und die Schaffung von Jobs verhindern.“

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