Arbeitsmarktreform in Frankreich Zerreißprobe für Hollandes Sozialisten

Für Frankreichs Staatschef Hollande läuft es nicht gut: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Beliebtheit im Keller. Nun soll eine Reform Bewegung in den Arbeitsmarkt bringen – doch die Partei ist gespalten.

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Während die Parteilinke die Reformen auch als Angriff auf die 35-Stunden-Woche verstehen, schätzen Befürworter die Wirkung auf die Arbeitslosigkeit positiv ein. Quelle: AP

Paris Bislang sind vor allem Schüler und Studenten auf der Straße: Vorgeplänkel zur großen Kraftprobe mit den Gewerkschaften, die der Pariser Regierung in der kommenden Woche bevorstehen könnte. Frankreich will endlich sein hochkomplexes Arbeitsrecht überarbeiten, aber die Reform hat Entrüstung ausgelöst und Präsident François Hollande auch im eigenen Lager in die Bredouille gebracht. Traditionalisten und Reformer bekriegen sich erbittert – gut ein Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen ist die Sozialistische Partei tief gespalten.

„Der politische Effekt ist desaströs“, sagt Professor Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Eine Analyse des Pariser Büros der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung spricht von einer „(sozial)politischen Bombe“ und der „voraussichtlich härtesten Zerreißprobe der Legislaturperiode“ für die französische Linke.

Was ist passiert? Die Regierung steht unter Zugzwang, gut ein Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen ist die Arbeitslosigkeit weiter nahe an Rekordniveau, mehr als 3,5 Millionen Menschen haben keinen Job. Vor allem junge Leute hangeln sich oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten.

Der am Donnerstag im Kabinett beratene Gesetzesvorschlag will die starren Regeln des französischen Arbeitsrechts durch mehr Flexibilität ersetzen. Wichtigster Baustein: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, auf Betriebsebene über die Ausgestaltung von Arbeitszeiten zu verhandeln. Für Arbeitsministerin Myriam El Khomri „ein neuer Elan für die soziale Demokratie“. Für den linken Flügel der Regierungspartei dagegen ein Affront und Tabubruch, wurde es doch als Angriff auf die für die Sozialisten heilige 35-Stunden-Woche verstanden.

Kaum war vor einigen Wochen der erste Entwurf durchgesickert, fielen Präsident François Hollande seine Genossen in den Rücken. „Zu viel ist zu viel!“, schrieben Ex-Parteichefin Martine Aubry und eine Reihe weitere linker Kritiker in einem Brandbrief. „Es zeichnet sich nicht mehr nur das Scheitern der fünfjährigen Amtszeit (Hollandes) ab, sondern eine dauerhafte Schwächung Frankreichs“, warnten sie.


„Der erste Entwurf war einfach ungeschickt“

Starker Tobak und geradezu eine Demontage des Staatschefs. Selbst Reformgewerkschaften wie die CFDT sperrten sich gegen die Pläne - Regierungschef Manuel Valls musste daraufhin von seiner Hauruck-Methode abrücken und die Einbringung des Gesetzes um zwei Wochen verschieben. Nach demonstrativen Konsultationen wurde das Gesetz umgeschrieben und abgeschwächt, Aufreger wie die Deckelung der Abfindungen nach ungerechtfertigten Entlassungen gestrichen.

„Der erste Entwurf war einfach ungeschickt, sehr stark ‚unternehmerlastig‘“, sagt Frankreich-Experte Uterwedde. Jetzt gebe es die Gefahr, dass alles zerredet werde. Die Reform geht für ihn dennoch in die richtige Richtung: „Es ist noch Substanz da.“

Seiner Ansicht nach hängt der Widerstand auch damit zusammen, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften sich in Frankreich nicht so recht über den Weg trauen – das macht konstruktive Verhandlungen schwierig. „Das Misstrauen ist zu groß zwischen den Sozialparteien“, meint er. Genau diesen Gegensatz will Ministerin El Khomri mit der Stärkung des sozialen Dialogs überbrücken: „Vielleicht ist das meine Generation, aber ich bin nicht in der Konfrontation zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitern, die Wirtschaft ist nicht der Gegner des Sozialen.“

Die Abweichler aus den Reihen der Sozialisten überzeugt das nicht, sie versprechen eine „parlamentarische Schlacht“. Die Arbeitgeber bemäkeln unterdessen erwartungsgemäß, dass die Regierung in manchen Punkten nachgegeben hat. Für den Staatschef hängt viel an der Reform: Hollande hat eine eventuelle neue Kandidatur von einer Trendwende am Arbeitsmarkt abhängig gemacht. Doch die Arbeitslosigkeit erreichte im vergangenen Jahr ständig neue Rekordwerte – während die Umfragewerte des glücklosen Präsidenten weiter im Keller sind.

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