Argentinien Die Rückkehr des wirtschaftlichen Musterschülers

Mauricio Macri ist noch keine 100 Tage als argentinischer Präsident im Amt und hat das Land schon nachhaltig verändert - davon profitieren auch deutsche Unternehmen. Wie Argentinien wieder zum südamerikanischen Musterschüler wird.

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Argentiniens neuer Präsident macht vieles richtig - schafft er es das Land grundlegend zu verändern? Quelle: dpa Picture-Alliance

Eigentlich könnte es ihm kaum besser gehen: Die Kanzlei des deutsch-argentinischen Wirtschaftsanwalts Martin Jebsen ist voll ausgelastet. Unternehmen aus dem Ausland wollen die Marktchancen in Argentinien unter dem neuen Präsidenten Mauricio Macri sondieren, der am 10. Dezember sein Amt angetreten hat. Die 50 Mitarbeiter von Jebsen & Co. mussten ihren Sommerurlaub verschieben. Während Buenos Aires unter dem heißesten Sommer seit 100 Jahren stöhnt, laufen in der holzgetäfelten Kanzlei nahe dem Hafen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Vier neue Unternehmen hat Jebsen in den letzten Wochen gegründet. Die Branchen: Elektronik und Bauzulieferer. Sie wollen Argentinien als regionales Zentrum für ihre Südamerika-Expansion aufbauen. „Alles Firmen, die noch nie hier waren“, sagt er.

Schlechte Ausgangslage für Argentinien

Bis vor Kurzem machten Investoren und Unternehmen um das Pampaland noch einen großen Bogen. Auch Jebsen hat jahrelang allen abgeraten, sich dort niederzulassen. Er war mehr beschäftigt, Firmen zu schließen, als neue zu öffnen. Jetzt aber, davon ist Jebsen überzeugt, ist alles anders. „Jeden Tag geht es ein Stückchen weiter in die richtige Richtung“, freut sich der Berater. „In sechs Monaten wird Argentinien nicht mehr wiederzuerkennen sein.“ Nur einen Nachteil habe der plötzliche Aufschwung in Argentinien, findet Jebsen, 70: „Ich wache jeden Morgen auf und ärgere mich, dass ich nicht 25 Jahre jünger bin. Den Boom würde ich noch mal gerne voll mitmachen.“

Es ist noch keine 100 Tage her, dass Mauricio Macri in den Präsidentenpalast von Buenos Aires einzog. Und schon hat er unter den Argentiniern Euphorie entfacht. Nach den lähmenden Jahren der Kirchner-Ära, die durch Wahlen Ende vergangenen Jahres zur Neige gingen, scheint an der Staatsspitze plötzlich jemand willens und fähig, das Land zu neuer Blüte zu führen. Macri setzt systematisch um, was er im Wahlkampf versprochen hat: Mit einem Kabinett, das vor allem aus ehemaligen Managern, Investmentbankern und Politikern mit internationalen Karrieren besteht, gab er kurz nach Amtsantritt bereits den Wechselkurs des Peso frei, der sich direkt um 30 Prozent abwertete. Ebenfalls noch im Dezember schaffte Macri die Devisenkontrollen ab. Er öffnete das verschlossene Land für den Handel und reduzierte die Exportsteuern auf Agrarprodukte.

Vor allem aber: Selbst die verfahrene Frage der internationalen Schulden Argentiniens hat Macri überraschend schnell gelöst. Noch vor seinem Amtsantritt trat er mit den meist amerikanischen Gläubiger-Fonds in Kontakt, mit denen Argentinien sich seit zehn Jahren stritt. Nach elf Verhandlungsrunden seit Dezember haben die Investoren um Paul Singer einem Angebot Argentiniens zugestimmt – 15 Jahre nachdem Argentinien mit dem Zahlungsstopp auf 100 Milliarden Dollar Auslandsschuld eine der größten Schuldenkrisen weltweit ausgelöst hat. Argentinien hat sich jetzt mit vier Hedgefonds im Grundsatz auf die Zahlung von 4,7 Milliarden Dollar für offene Forderungen verständigt. Das entspricht 75 Prozent der ursprünglich von den Fonds geforderten Summe. Der Vergleich muss noch vom argentinischen Parlament abgesegnet werden. Stimmt es zu, hat Macri innerhalb von drei Monaten die Jahre währende Isolation des Landes von den internationalen Finanzmärkten beendet. Das nach Brasilien zweitwichtigste Land Südamerikas könnte damit seine frühere Rolle wieder einnehmen – als Lateinamerikas wirtschaftspolitischer Musterschüler.

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