„Asia Walled City“ Hongkong, die abgeriegelte Finanzmetropole

Reisende, die in die Finanzmetropole Hongkong wollen, müssen zwingend ein Zimmer in einem der Quarantäne-Hotels gebucht haben. Quelle: REUTERS

Durch strenge Quarantäneregeln ist Hongkong zur verschlossensten Finanzmetropole der Welt geworden. Die chinesische Sonderverwaltungsregion droht den Anschluss zu verlieren.

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Wer in diesen Tagen versucht, ein Zimmer im Hongkonger Fünf-Sterne-Hotel Kerry zu buchen, der hat es schwer. Die Zimmer sind bis Mitte Dezember komplett ausgebucht. Ähnlich sieht es in den anderen Hongkonger Hotels aus, die als offiziell anerkannte Quarantäne-Unterkünfte fungieren.

Reisende, die in die Finanzmetropole wollen, müssen zwingend ein Zimmer in einem dieser Hotels gebucht haben. In den meisten Fällen sind 21 Tage Quarantäne erforderlich, es sei denn, man kommt aus einer Handvoll Länder, die von der Hongkonger Regierung (noch) nicht als Hochrisikogebiet eingestuft werden – dann sind nur 14 Tage „Hotel-Knast“ fällig. Für sein Quarantänepaket über drei Wochen berechnet Kerry rund 37.000 Hong Kong Dollar, umgerechnet 4071 Euro. Für zwei Wochen sind es rund 25.000 Hong Kong Dollar.

Trotz der hohen Preise, die die Hotels verlangen, ist es schwierig, kurzfristig an eines der 10.000 Quarantäne-Zimmer in der Stadt zu kommen. Die Nachfrage ist oft größer als das Angebot. Wer Stand jetzt noch vor Weihnachten nach Hongkong will, hat kaum noch Aussicht auf ein komfortables Zimmer. Die guten Hotels sind voll.

von Jörn Petring, Annina Reimann, Jürgen Salz, Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Hongkongs Geschäftswelt hat längst genug von diesen Zuständen. Gerade erst sendeten die verärgerten Banken der Stadt einen Brief an Finanzminister Paul Chan, in dem sie ihrem Ärger über die derzeitige Lage Luft machten. Durch die „Null-Covid-Politik“ der Regierung und vor allem die strengen Quarantäneregeln in Hongkong würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes im Vergleich zu anderen Finanzzentren aufs Spiel gesetzt, heißt es in dem Schreiben.

Während sich London, New York und Singapur dazu entschieden hätten, mit dem Virus zu koexistieren und Reisebeschränkungen weitgehend aufgehoben wurden, halte Hongkong an seinen strengen Regeln fest. Rund die Hälfte der Mitglieder würde derzeit darüber nachdenken, Personal abzuziehen und auf andere Standorte zu verlagern, heißt es in dem Brief des Hongkonger Bankenverbandes ASIFMA weiter.

Gerade die Kehrtwende des ärgstem Konkurrenten Singapur gibt den Hongkonger Banken zu denken. Der Stadtstaat hielt es lange wie die chinesische Sonderverwaltungsregion und riegelte sich vom Rest der Welt ab, was dazu führte, dass ähnlich wie in Hongkong kaum oder nur wenige Infektionen auftraten. Nachdem vor einigen Wochen eine hohe Impfquote erreicht war, hat Singapur jedoch die Strategie geändert und lässt nun wieder quarantänefreie Reisen zu. Die Corona-Zahlen ziehen kräftig an, die Geschäftswelt aber ist glücklich.

Neben Hongkongs Finanzinstituten hatten sich in den letzten Wochen und Monaten bereits zahlreiche andere Sektoren und Unternehmensverbände beklagt. Dabei streitet niemand ab, wie ausgesprochen erfolgreich Hongkong das Virus im Schach hält. Im vergangenen halben Jahr gab es ganze vier lokale Infektionen. Zuletzt wurde sogar ein Rekord von über 50 Tagen ohne eine einzige Infektion aufgestellt, bis die Zähluhr wieder auf Null gesetzt werden musste, weil ein geimpfter Flughafenmitarbeiter positiv getestet wurde. Nun sind erneut fast drei Wochen ohne eine Infektion vergangen.

Dies ist möglich, weil in Hongkong neben dem chinesischen Festland die strengsten Quarantäne-Regeln der Welt herrschen. Unter Hongkonger Expats geht ein Witz um. Aus der „Asia World City“, ein Slogan mit dem die Hongkonger Regierung seit vielen Jahren für die Weltoffenheit ihrer Metropole wirbt, sei nun die „Asia Walled City“ geworden, eine Metropole hinter Mauern. Tatsächlich haben sich viele Unternehmen vor allem in Hongkong angesiedelt, weil von hier aus alles in der Region schnell erreichbar ist. Sowohl Fabriken auf dem chinesischen Festland als auch in großen Teilen Südostasiens konnten in der Vergangenheit mit einem Tagesausflug erreicht werden. Doch seit nun schon fast zwei Jahren finden praktisch keine Geschäftsreisen mehr statt – und Heimaturlaub in Europa oder den USA trauen sich nur die Mutigsten, weil befürchtet werden muss, dass die Rückreise zur Tortur wird.

Nachdem lange nicht klar war, wie die Hongkonger Regierung das Dilemma lösen will, hat sie zuletzt zumindest ein klares Ziel formuliert. Demnach sollen die internationalen Grenzen zwar weiterhin auf unabsehbare Zeit geschlossen bleiben, es soll jedoch alles dafür getan werden, endlich wieder die Grenze zum chinesischen Festland zu öffnen.

Zwar hat Hongkong längst erfolgreich unter Beweis gestellt, dass seine Anti-Corona-Maßnahmen funktionieren. Dennoch weigert sich Peking bisher, Hongkonger wieder ohne Quarantäne ins Land zu lassen. Obwohl die Finanzmetropole faktisch virusfrei ist, muss jeder, der nach China reist, sich weiterhin für mindestens 14 Tage in ein Hotelzimmer, oder im schlimmsten Fall sogar in ein zentrales Quarantäne-Lager einsperren lassen. Reisen vom Festland nach Hongkong sind dagegen ohne Quarantäne möglich.

Unternehmen in Hongkong haben wenig Verständnis für die einseitige Regelung, nicht zuletzt, weil Menschen in der Nachbarstadt Macau, ebenfalls eine Sonderverwaltungsregion Chinas, bereits seit gut einem Jahr wieder komplett quarantänefrei aufs Festland reisen dürfen. Mancher Kritiker in Hongkong raunt bereits, dass es der Zentralregierung gar nicht um die Virusprävention gehe. Vielmehr soll das widerspenstige Kind Hongkong für sein rebellisches Verhalten der vergangenen Jahre bestraft werden.

Peking hat keine konkreten Kriterien formuliert, wann und zu welchen Bedingungen die Grenze geöffnet wird. Bereits Anfang des Jahres hieß es, dass Hongkong frei von Corona sein müsse – ein Ziel, das längst erreicht wurde. Später wurde eine zu geringe Impfquote bemängelt. Zuletzt gaben Beamte auf dem Festland in Gesprächen über die Grenzöffnung der Hongkonger Seite eine neue Wunschliste mit auf den Weg.

So wird nun etwa an der Einführung einer verbesserten Health-Code-App gearbeitet, die genau prüfen kann, wo sich der Nutzer in den vergangenen Wochen aufgehalten hat. Auch kündigte die Hongkonger Regierung in dieser Woche an, sämtliche Quarantäne-Ausnahmen zu beenden, die bisher etwa einigen Führungskräften von großen Unternehmen oder einigen Diplomaten gewährt wurden.

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Doch das alles sorgt nicht für bessere Stimmung unter Geschäftsleuten. Die Verärgerung ist groß, dass Hongkongs Führung nicht in der Lage ist, ein konkretes Datum für die Öffnung zum Festland vorzulegen. Einige Optimisten sagen, es könnte schon im Dezember soweit sein. Hongkonger Medien zitieren Quellen, wonach es nach den Winterspielen in Peking losgehen könnte, also irgendwann im kommenden März. Wissen tut es aber niemand.

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