Asien China kolonisiert seine südlichen Nachbarn

Schleichend, aber stetig kolonisiert China unter dem Vorwand der Entwicklungshilfe Myanmar, Thailand & Co. Die Unruhe in den Ländern wächst – sie rufen nach Amerika.

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Vizepräsident Präsident Xi Jinping Quelle: dapd

Die laotische Hauptstadt Vientiane ist eigentlich gar keine Stadt. Erst vor wenigen Jahren hat die Regierung die Sand- und Schotterpisten im Zentrum der beschaulichen Gemeinde mit einer Asphaltdecke überzogen. Statt Shopping Malls und Wolkenkratzer prägen malerische Tempel die Szenerie am Mekong-Fluss. Rund um eine jahrhundertealte Stupa haben sich ein paar Cafés niedergelassen. Rikschafahrer machen Jagd auf Kunden. Vientiane mit seinen gerade Mal 350 0000 Einwohnern versprüht den Charme eines längst vergangenen Asiens.

Protzig und auftrumpfend

Nur ein Bauwerk will sich nicht in die fernöstliche Idylle einfügen. Vier goldene Säulen stützen das Portal des staatlichen laotischen Kulturzentrums. Die Fenster des klobigen Kastens sind verspiegelt wie bei einem Bürohochhaus in Hongkong. Irgendwie ist die mächtige weiße Halle für das kleine Vientiane zu groß geraten. Sie ist erbaut in einem Stil, wie ihn seine Finanziers lieben: protzig und auftrumpfend. Bezahlt und geplant hat das Kulturzentrum Chinas Regierung. „Hässlich“, sagen viele Laoten, sei der Bau.

Grafik WirtschaftsWoche

Chinesen verdrängen Japaner

Geschenke aus Peking wie das laotische Kulturzentrum sind in Asien inzwischen üblich. In den südlichen Nachbarländern Kambodscha und Myanmar, dem früheren Burma, baut Chinas Regierung Schulen oder finanziert schon mal den Neubau des Parlamentsgebäudes. In abgelegenen Regionen Indonesiens entstehen mit chinesischem Geld komplette neue Straßennetze. Im nördlichen Laos, nahe der chinesischen Grenze, helfen Chinesen bei der Bewässerung in der Landwirtschaft. „Mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg hat China seine Präsenz in Südostasien in den letzten Jahren kräftig verstärkt“, sagt Raja Sapta Oktohari, Vorsitzender des indonesischen Verbandes der Jungunternehmer. In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren waren es in erster Linie die Japaner, die ihren Unternehmen mithilfe von Entwicklungsprojekten und günstigen Krediten die Türen zu den Märkten Südostasiens öffneten. Jetzt sind die Chinesen dabei, die Japaner zu verdrängen, und polieren mit den Projekten gleich noch ihr Image auf. „Soft Power“, nennen Pekings Parteistrategen das.

China gibt den Takt in Südostasien an

Vientiane Quelle: REUTERS

Sowohl beim Handel als auch bei den Investitionen ist China mit seinen jährlichen Wachstumsraten von rund zehn Prozent längst die bestimmende Größe in Südostasien. Der Handel zwischen China und den zehn Ländern der Vereinigung südostasiatischer Staaten (Asean) wächst mit jährlichen Raten von rund 30 Prozent. Große Teile des Außenhandels wickeln China und seine Nachbarn in chinesischer Währung ab. Das Freihandelsabkommen Cafta zwischen den Asean-Ländern und dem Reich der Mitte, das 2010 in Kraft trat, hat dem Handel in der Region noch mal einen kräftigen Schub gegeben. Chinas Firmen liefern unter anderem Unterhaltungselektronik, Computer, Kleidung, Autoteile und Maschinen. Die Nachbarn in Südostasien verkaufen China hauptsächlich Rohstoffe. Indonesien etwa, die größte Volkswirtschaft der Asean-Region, liefert unter anderem Gas, Kohle, Palmöl und Kautschuk. Und die Exporte ins Reich der Mitte steigen kräftig. Indonesiens Öl- und Gasausfuhren nach China etwa kletterten 2010 um 15,4 Prozent. „Chinas Aufstieg ist eine Riesenchance für uns“, sagt Nuryati Lagoda, im indonesischen Handelsministerium in Jakarta zuständig für die Exportförderung.

Zehn interessante Fakten über China
Täglicher Griff zur ZigaretteUngesunder Rekord: In jeder Sekunde werden 50.000 Zigaretten in China angezündet. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Zahl der Raucher ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen zünden sich 66 Prozent der männlichen Chinesen täglich mindestens eine Zigarette an. Bei den Frauen raucht nur jede Zwanzigste täglich. Quelle: rtr
Künstliche TannenbäumeKlar, China ist ein großes Land. Fast jeder fünfte Mensch lebt in dem Riesenreich, China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch in einigen Statistiken liegt das Land überproportional weit vorne. So ist das Riesenreich nicht nur der größte Textilproduzent, sondern auch weltweit führend in der Herstellung von künstlichen Tannenbäumen. 85 Prozent alle unechten Tannenbäume – so National Geographic – stammen aus China. Texte: Tim Rahmann Quelle: dpa
SchweinereichIn China leben nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die meisten Schweine. 446,4 Millionen Eber und Säue lebten 2008 im Reich der Mitte, so die UN. Damit leben dort mehr Schweine als in den 43 nächst größten Ländern, gemessen an der Zahl der Tiere, zusammen. Zum Vergleich: In Deutschland werden aktuell rund 26,7 Millionen Schweine gehalten. Quelle: dpa
Geisterstädte im ganzen LandIn China wurde in den letzten Jahren massiv gebaut – auch in ländlichen Gegenden. Doch die Landflucht ließ vielerorts Geisterstädte entstehen. Mehr als 64 Millionen Wohneinheiten stehen im ganzen Land leer. Auch das größte Einkaufszentrum der Welt, … Quelle: dpa
McDonald’s allein auf weiter Flur… die "New South China Mall", hat reichlich Gewerbeflächen zu vermieten. 1500 Geschäfte finden dort Platz, 70.000 Käufer sollten täglich nach Dongguan pilgern. Doch die Realität sieht anders aus: 99 Prozent der Flächen sind unbenutzt, berichtete die britische Zeitung "Daily Mail". Nur ein paar Restaurants befinden sich in dem Gebäude, unter anderem Mc Donald’s. Quelle: AP
Bauboom geht weiterDennoch bauen die Chinesen fleißig weiter. Die Folge: Kein Land verbaut mehr Zement als China. 53 Prozent der weltweiten Nachfrage stammt aus dem Reich der Mitte, so Michael Pettis, China-Experte und Ökonom der Peking-Universität. Quelle: dpa
Barbie ist zu sexyWenn in China gerade nicht gebaut wird, werden in den zahlreichen Fabriken Güter produziert. Neben Textilien vor allem Spielwaren. Rennautos, Barbie-Puppen und Kuscheltiere: Fast 80 Prozent der deutschen Spielwaren stammen aus China. Vor Ort selbst sind Barbie-Puppen übrigens kein Verkaufsschlager. Für die Chinesen ist die kurvige Blondine zu sexy. Dort verkaufen sich vor allem niedliche Puppen. Quelle: AP

Im Eiltempo voran

Auch als Investor baut die aufstrebende Weltmacht ihre Position in der Region im Eiltempo aus. Chinas größter Bierbrauer Tsingtao will in Thailand demnächst eine Brauerei errichten. Investitionsvolumen: 100 Millionen Dollar. Weitere Fabriken in anderen südostasiatischen Ländern sollen folgen, heißt es bei Tsingtao. In Indonesien investieren Chinas Staatskonzerne in großem Stil in die Gasförderung. „Sie haben Kapital und Technologie“, sagt der Indonesier Oktohari, „genau die Dinge, die uns fehlen.“ Indonesien solle sich über das Engagement aus China freuen, meint der Jungunternehmer.

Wachsende Dominanz

Doch es gibt auch Kritik an Chinas wachsender Dominanz. Eine Reihe indonesischer Unternehmer hatte beispielsweise versucht, Präsident Susilo Bambang Yudhoyono davon zu überzeugen, das Freihandelsabkommen Cafta zunächst auszusetzen. Sie fürchten sich vor einer Flut chinesischer Waren und sehen vor allem die heimischen Textil- und Schuhfabriken bedroht. Indonesiens Handelsbilanz mit China ist seit Jahren negativ. „Dann müssen unsere Unternehmen eben wettbewerbsfähiger werden“, hält Lagoda von der Exportförderung im indonesischen Handelsministerium den Kritikern entgegen. Doch Defizite bei den chinesischen Praktiken sieht auch sie. Die Pekinger Behörden lassen zum Beispiel nur den Import von zwei indonesischen Obstsorten zu, der Rest muss draußen bleiben. Lagoda: „Solche Beschränkungen gehören aufgehoben.“

Rohstofflieferanten für China

Kupfermine in Indonesien Quelle: REUTERS

In Laos’ Hauptstadt Vientiane belegen die Chinesen inzwischen ganze Stadtteile. Am Sanjiang-Markt etwa, an der staubigen Ausfallstraße Richtung Flughafen, haben sich Hunderte kleiner und größerer Geschäfte angesiedelt. Sie werden allesamt von Chinesen betrieben. Betonmischer, Werkzeugmaschinen und Elektromotoren haben sie im Angebot. Andere verkaufen Schuhe, Kleidung und Koffer, aber auch Unterhaltungselektronik oder Haartrockner. Die meisten der Händler kommen aus den reichen Ostprovinzen Guangdong, Zhejiang und Fujian. Viele der Zuwanderer sind schon seit Jahren in Laos, einem Land mit gerade mal sechs Millionen Einwohnern. „Mit den Laoten kann man auskommen“, sagt einer der Chinesen, der in Sanjiang Taschen verkauft, „so hart wie wir Chinesen können sie aber nicht arbeiten.“

Chinesisch: Mandalay im Zentrum Myanmars

Laoten und Chinesen leben in Vientiane in separaten Stadtvierteln und haben kaum etwas miteinander zu tun. Im Norden des Landes, nahe der chinesischen Grenze, verdrängen die Chinesen inzwischen die heimische Bevölkerung aus den Stadtzentren. Die Straßenschilder haben ausnahmslos chinesische Schriftzeichen; viele Hotels und Restaurants werden von Chinesen betrieben. Ähnlich ist das Bild im benachbarten Myanmar. Die Stadt Mandalay im Zentrum des Landes ist praktisch chinesisch. Weit mehr als eine Million Zuwanderer aus China leben hier.

Handfeste geopolitische Ziele

Viele Chinesen kommen als Händler auf der Suche nach einem besseren Leben in die Nachbarländer. Doch Peking verfolgt in Südostasien auch handfeste geopolitische Ziele. In Myanmar bauen die Chinesen Eisenbahnlinien und Straßen, weil sie einen Zugang zum Indischen Ozean suchen. Außerdem ziehen sie eine Pipeline von Norden nach Süden durch das verarmte Land. Sie soll demnächst 20 Prozent des chinesischen Öls nach China pumpen. Jobs schaffen die chinesischen Konzerne in den Ländern mit ihren Großprojekten allerdings kaum. Wie in Afrika bringen die Chinesen die Arbeiter für die Infrastrukturprojekte meistens gleich mit. Für den Bau einer Brücke, die die indonesischen Inseln Sumatra und Java verbinden soll, brachten die Chinesen 750 Arbeiter und 630 000 Tonnen Stahl ins Land.

Südostasiatische Länder wie Indonesien, Myanmar und Laos dienen China vor allem als Rohstofflieferanten, ganz so wie Afrika und Südamerika. Bauxit, Kohle, Gas und Kautschuk, aber auch Edelsteine und Holz, transportieren die Chinesen in großem Stil aus den Nachbarländern in ihre Heimat. Ist die neue Supermacht ein verantwortungsvoller Nachbar, der in den rückständigen Staaten Asiens in die Infrastruktur investiert und die Wirtschaft voranbringt? Oder beutet Peking, nur auf seinen Vorteil bedacht, die Länder ohne Rücksicht auf die Umwelt aus? Solche Fragen stellen sich immer mehr Menschen in der Region.

Staudamm: 3,6 Milliarden chinesisches Geld

Kings Roman Casino Quelle: REUTERS

Viele einfache Bürger, aber auch Politiker in Südostasien sehen Chinas Vorstöße zunehmend kritisch. Berauscht von ihrem wirtschaftlichen Erfolg, träten die Chinesen in Südostasien oft aggressiv, auftrumpfend und arrogant auf, heißt es – Verhaltensweisen, die Peking oft den Amerikanern vorwirft. Widerstand gibt es vor allem gegen die vielen chinesischen Wirtschaftssonderzonen in den südlichen Nachbarstaaten. In den Vierteln, oft in Grenznähe, gilt faktisch chinesisches Recht – die Zonen gleichen kleinen Kolonien. Die Chinesen betreiben dort Spielcasinos und Bordelle. Drogenhandel und Geldwäsche sind an der Tagesordnung, Schießereien keine Seltenheit. Für Kritik sorgen auch die vielen Dämme, mit denen China auf seinem Staatsgebiet den Mekong-Fluss staut. Bei den südlichen Nachbarn, vor allem in Kambodscha, ist das ökologische Gleichgewicht bedroht. Viele Fischer fürchten um ihre Lebensgrundlage.

In Richtung Süden

Faktisch verschiebt China seine Grenzen Stück für Stück nach Süden. Im vergangenen Oktober wurden auf dem Mekong 13 Chinesen von Unbekannten auf einem Boot erschossen. Der Zwischenfall ereignete sich im goldenen Dreieck zwischen Thailand, Laos und Myanmar auf thailändischem Territorium. Das störte die Chinesen jedoch nicht. Für die Ermittlungen schickten sie ungefragt ihre eigenen Polizeitruppen über die Grenze. Dazu kommt: Der Ton aus Peking wird immer rauer. Im Konflikt um eine Inselgruppe im südchinesischen Meer, in deren Nähe große Ölvorkommen vermutet werden, erklärte ein chinesischer Politiker, man müsse notfalls auch einen Krieg erwägen. Unter anderem stellen Vietnam, die Philippinen und China Ansprüche auf die Inseln.

Golden Triangle Quelle: REUTERS

Amerikanisches Engagement

Wegen des martialischen Auftretens der Chinesen werden die südlichen Nachbarn nun vorsichtiger. So hat die neue zivile Regierung in Myanmar den Bau eines Staudamms im Norden des Landes auf Eis gelegt. Der Damm mit einem Investitionsvolumen von 3,6 Milliarden Dollar sollte von Chinesen mit größtenteils chinesischem Geld gebaut werden. Große Teile des erzeugten Stroms sollten nach China fließen. In Laos stockt der Bau der Eisenbahntrasse, die die neue Wirtschaftssupermacht an Südostasien anbinden soll. Die Länder könnten sich über die Finanzierung nicht einigen, heißt es in Vientiane. Angeblich fordert China im Gegenzug für günstige Kredite entlang der Trasse einen exterritorialen Korridor – inklusive des Rechts, hier uneingeschränkt Bodenschätze fördern zu dürfen.

Als Gegengewicht zu den übermächtigen Chinesen wünschen sich immer mehr Politiker in Südostasien eine größere Rolle der Amerikaner. Der frühere US-Präsident George W. Bush hatte die Region vernachlässigt. Der Kampf gegen den Terror nahm zu viele Ressourcen in Anspruch. Nachfolger Barack Obama, der in Indonesien als Kind die Schulbank gedrückt hat, meldet sich nun zurück in Fernost. So hat die US-Regierung einen Gesandten ins Asean- Sekretariat nach Jakarta geschickt.

„Die Zukunft der Politik wird in Asien entschieden, nicht in Afghanistan oder im Irak, und die Vereinigten Staaten werden im Zentrum der Aktion stehen“, schrieb US-Außenministerin Hillary Clinton im November in dem Magazin „Foreign Policy“. Außerdem: Washingtons neue Verteidigungsstrategie sieht eine deutlich stärkere Präsenz in Asien vor. Pekings Antwort nach der entsprechenden Ankündigung aus Washington im Januar ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Davor werde man nicht zurückschrecken, schrieb die Parteizeitung „GlobalTimes“ in einem Kommentar.

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