Asien Der Ferne Osten ist nicht nur China

Der Mittelstand setzt große Hoffnungen in die wirtschaftlich dynamischste Region der Welt. Doch die Eroberung der Märkte in Fernost ist schwierig, längst nicht immer gelingt sie.

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Quelle: dpa

Hans-Georg Frey ist trotz seiner Begeisterung für den Fernen Osten, trotz der großen wirtschaftlichen Chancen, die die Region bietet, Realist geblieben. „Asien ist nicht einfach“, sagt der Vorstandschef des Hamburger Unternehmens Jungheinrich, einem Hersteller von Hubwagen, Gabelstaplern und Anlagen für die Lagerhaltung.

Mit der Kultur fange es an, sagt Frey; dazu komme, dass jedes Land in Asien anders sei: „Überall unterschiedliche Religionen und unterschiedliche Sprachen.“ Außerdem verlangten die Kunden in Fernost oft nach ganz anderen Produkten als im Westen.

Doch trotz der Herausforderungen will Frey, der gleichzeitig Vorsitzender des Ostasiatischen Vereins in Hamburg ist, dafür sorgen, dass Jungheinrich in vier Jahren 15 Prozent seines Umsatzes außerhalb Europas erzielt, den größten Teil davon in Asien. Zurzeit liegt der Anteil bei elf Prozent.

Die Chancen, dass Frey und sein Unternehmen, das im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von rund 2,75 Milliarden Euro kam, das Ziel erreichen, stehen gut. Derzeit wächst das Asiengeschäft der Hamburger jedes Jahr zwischen 25 und 30 Prozent.

Ein Wunder ist das nicht, denn trotz aller politischen und wirtschaftlichen Probleme, etwa in China, ist der Ferne Osten noch immer die dynamischste Region der Welt. Nirgendwo sonst wächst die Wirtschaft mit vergleichbaren Raten. In diesem Jahr dürfte Asien ohne Japan auf ein Wirtschaftswachstum von  5,7 Prozent kommen, hat die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) in Manila errechnet. Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum ähnlich hoch sein. „Asien ist ein wichtiger Motor der Weltwirtschaft“, sagt Jungheinrich-Chef Frey. Europa und genau so die USA können von solchen Raten nur träumen.

Auch auf der 15. Asien-Pazifik Konferenz der Deutschen Wirtschaft, die heute in Hongkong beginnt, wird es darum gehen, mit welchen Strategien mittelständische Unternehmen aus Deutschland erfolgreich den Einstieg in die asiatischen Wachstumsmärkte schaffen können.

Jungheinrich hat es so gemacht, wie die meisten Mittelständler es auch machen: Ende der Neunzigerjahre gründeten die Hamburger zunächst eine Vertriebsgesellschaft in Singapur, kurz darauf kam eine zweite in Thailand hinzu. Das Geschäft wuchs schnell und Jungheinrich entschied sich für einen direkten Einstieg in den größten und am schnellsten wachsenden asiatischen Markt: China. Im Jahr 2004 gründete das Unternehmen in Shanghai ein Joint Venture zur Fertigung von Handhubwagen. Doch die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Partner gestaltete sich von Anfang an als schwierig: zu unterschiedlich waren die Mentalitäten und Auffassungen zur Entwicklung des Geschäfts. Jungheinrich löste das Gemeinschaftsunternehmen schließlich auf und arbeitete fortan in China in eigener Regie.

Es ist eine Erfahrung, die viele Mittelständler im Reich der Mitte machen. Galt das Joint Venture bis in die frühen Nullerjahre noch als Königsweg zur Eroberung des schwierigen chinesischen Marktes, operieren die meisten der etwa 5000 deutschen Unternehmen in China inzwischen ohne lokalen Partner – außer in den Branchen, in denen Chinas Regierung Investoren aus dem Ausland zu Joint Ventures zwingt, etwa in der Autoindustrie.

Thailand: Der wichtigste Standort Asiens für die Automobilproduktion

Seit fast zehn Jahren baut Jungheinrich mit rund 250 Mitarbeitern seine Produkte in Shanghai. Es ist die einzige Fertigung des Mittelständlers außerhalb Europas. Sonst betreibt Jungheinrich nur in Deutschland und Tschechien Fabriken. Von Shanghai aus beliefern die Deutschen die europäischen und asiatischen Märkte; die wichtigsten Kunden der Hamburger in Fernost sitzen in China, Indonesien, Südkorea und Thailand.

Thailand ist einer der wichtigsten Standorte Asiens für die Automobilproduktion. BMW, Daimler, Ford sowie fast alle japanischen Hersteller betreiben in dem 70 Millionen-Einwohner-Land große Fertigungslinien. Kein Wunder, dass Thailand für den Autozulieferer Mann + Hummel einer der wichtigsten asiatischen Märkte ist. Das Unternehmen aus Ludwigsburg baut unter anderem Luft- und Ölfilter sowie Zylinderkopfhauben und Abdeckungen für den Motorraum. Zuletzt kam Mann + Hummel mit seinen fast 17.000 Mitarbeitern auf einen Umsatz von gut drei Milliarden Euro.

Seit Jahren wächst das Asiengeschäft des Unternehmens mit zweistelligen Raten. Vor neun Jahren erwirtschaftete Mann + Hummel gerade Mal vier Prozent seines Umsatzes in Fernost, heute sind es 15 Prozent. Wohl in keiner anderen Weltregion gibt es eine vergleichbare Dynamik. Allein in China unterhalten die Ludwigsburger inzwischen sieben Werke. Neben Thailand sind Südkorea und das Reich der Mitte die wichtigsten Märkte in der Region für den Autozulieferer. Seit 2003 ist das Unternehmen auch in Indien aktiv und spürt seit vergangenem Jahr eine „neue Dynamik“.

Von den 100 Millionen Euro, die Mann + Hummel jedes Jahr investiert, fließt etwa ein Fünftel nach Asien. „Wir hatten eine tolle Entwicklung in China“, sagt Josef Parzhuber, Mitglied der Geschäftsführung bei Mann + Hummel. Allerdings habe sich kaum jemand um die südostasiatischen Länder gekümmert. „Wir wollten dahin“, sagt Parzhuber, „wir wollten nicht im Kernmarkt China gefangen sein.“ Der Mittelständler produziert neben China auch noch in Südkorea und Thailand.

Seine Fernost-Aktivitäten steuert Mann + Hummel von Singapur aus – der guten Infrastruktur, der Rechtssicherheit und des Schutzes geistigen Eigentums wegen. „Es gibt in Singapur wenig Überraschungen“, sagt Parzhuber, der selbst vier Jahre in dem Inselstaat am Südzipfel der malaysischen Halbinsel gearbeitet hat.

Sicher, eine Reihe von Ländern in Südostasien kämpfen mit schweren Problemen. Indonesien etwa mit seinen mehr als 13.000 Inseln quält sich mit einer restlos veralteten Infrastruktur. In Thailand bremsen die Folgen des Militärputsches vor zwei Jahren die wirtschaftliche Entwicklung. Und in Malaysia erschüttert ein schwerer Korruptionsskandal die Regierung. Es geht um Milliardensummen, die aus einem staatlichen Fonds angeblich auf das Privatkonto des Premierministers abgezweigt wurden.

Trotzdem: Die wichtigen Länder der Region, allen voran die Philippinen, Indonesien und Malaysia, verzeichnen immer noch jährliche Wachstumsraten zwischen vier und sechs Prozent. Rajiv Biswas, Asien-Chefökonom bei IHS Global Insight in Singapur, geht davon aus, dass die zehn Asean-Länder neben Japan und China der dritte wichtige Wachstumsmotor in Fernost werden. Bis zum Jahr 2025 dürfte die Wirtschaftsleistung der Asean-Länder von derzeit 2,6 Billionen Dollar auf 5,8 Billionen Dollar steigen, hat Biswas errechnet. Nominal werde das Bruttoinlandsprodukt der Region dann das Japans übersteigen.

„Das wird ein nennenswerter Wirtschaftsraum werden“

Indonesien etwa, ein Land mit 225 Millionen Einwohnern und die größte Volkswirtschaft der Asean-Region, investiert zurzeit riesige Summen in den Ausbau der Infrastruktur. Häfen, Eisenbahnen, das Straßennetz, auch der öffentliche Nahverkehr in den Städten – alles soll modernisiert werden. Auch deshalb könnte die Wirtschaftsleistung Indonesiens von derzeit 940 Milliarden Dollar bis 2025 auf 2,4 Billionen Dollar klettern, sagt Biswas.

Treiber des Wachstums in Südostasien sind neben dem Ausbau der Infrastruktur die ausländischen Direktinvestitionen, die Zuwächse beim privaten Konsum und die Liberalisierung des Handels zwischen den Staaten. Die zehn Länder der Region sind dabei, Handels- und Investitionsschranken abzubauen. „Das wird ein nennenswerter Wirtschaftsraum werden“, ist sich Jungheinrich-Chef Frey sicher.

Als mittelständisches Unternehmen aus Deutschland von der Entwicklung zu profitieren, ist allerdings nicht einfach. Gründliche Vorbereitung, sagt Frey, sei unerlässlich. Hilfreich sei es, sich mit Leuten vor Ort auszutauschen und das Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammern und des Ostasiatischen Vereins in Asien zu nutzen.

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Wer nur den schnellen Profit sucht, der ist in Fernost nicht richtig aufgehoben. Geduld und tiefe Taschen sind unerlässlich. „Der Aufbau des Geschäfts kann länger dauern und mehr Geld als geplant kosten“, sagt Frey, der vor vielen Jahren in Indien eine Fertigung für Textilmaschinen aufgebaut hat.

Dazu kommt: Asien hat sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend verändert. So sind vielen deutschen Unternehmen längst lokale Konkurrenten erwachsen, deren Produkte es qualitätsmäßig bisweilen durchaus mit den deutschen aufnehmen können. Das gilt unter anderem für Maschinenbauer, auch für manche Autozulieferer oder Hersteller von Medizintechnik. „In Asien zu wachsen, ist heute herausfordernder“, sagt Holger Ernst von der WHU – Otto Beisheim School of Management. Es brauche darum neue Strategien. Deutsche Unternehmen, die bislang mit ihren – oft teuren – und technologisch hoch anspruchsvollen Produkten in Asien gutes Geld verdient haben, müssen umdenken. Um auch morgen noch in der Region punkten zu können, brauchen die Firmen zwar immer noch hoch verlässliche, aber weniger komplexe und damit auch kostengünstigere Produkte.

Nicht einfacher wird das Asiengeschäft durch die radikalen Veränderungen in China. Das hoch verschuldete Land versucht, seine Wirtschaft umzubauen. Peking will nicht mehr länger Werkbank der Welt sein, sondern in Zukunft mit Dienstleistungen und wissensintensiven Industrien wachsen. Keine leichte Aufgabe. Dazu kommt, dass die Zeiten, in denen China mit zweistelligen Wachstumsraten glänzte, wohl endgültig vorbei sind. Die Wirtschaft des Landes wächst jetzt laut offizieller Angaben mit durchschnittlich 6,5 Prozent. Im Vergleich zum Westen ist das immer noch beachtlich.

Doch Asien-Experte Ernst hält für deutsche Firmen einen wichtigen Rat bereit: „Die Unternehmen in Asien müssen über China hinausblicken.“

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