Atom-Abkommen Europa sucht nach Antworten auf Trumps Iran-Politik

Nach dem Platzen des Atomdeals versucht die Bundesregierung hektisch, deutsche Firmen vor US-Sanktionen zu schützen. Irans Führung kocht derweil vor Wut.

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Im Iran ist der Frust über die US-Sanktionspolitik groß. Quelle: dpa

Dubai Amerikas Flagge brennt. Fünf Abgeordnete im Majlis, Irans Parlament, haben gleich bei der ersten Plenardebatte nach Donald Trumps Paukenschlag von Dienstagnacht Teheraner Zeit das US-Emblem und den ausgedruckten Text des Atom-Abkommens am Rednerpult verbrannt.

Irans Religions- und Revolutionsführer, Ajatollah Ali Chamenei, wütete über Trump: „Dieser Mann wird zu Staub zerfallen und die Würmer und Ameisen werden seinen Körper fressen, während die Islamische Republik lebt.“

Iran ist wütend wegen des Ausstiegs der USA aus dem von den fünf UN-Vetomächten und Deutschland mit dem Land geschlossenen Atomdeal. Teheran wirft den USA einen Bruch des Völkerrechts vor, denn der UN-Sicherheitsrat hatte das Abkommen geschlossen angenommen.

Aber Iran ist ebenso hilflos und verunsichert wie Europa. Er sehe keine Chance, in Iran engagierte deutsche Firmen vor US-Sanktionen zu schützen, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier am Freitag: „Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen.“ Sein französischer Kollege Bruno Le Maire tönte immerhin, Europa sei „kein Vasall der USA“.

Genau das hatte der Kommandeur der mächtigen iranischen Revolutionsgarden der EU aber vorgeworfen und ihr abgesprochen, den Vertrag retten zu können. Le Maire ließ zwar verbal die Muskeln spielen („Die USA sind nicht der Weltwirtschaftspolizist“), hatte dann aber außer emotionalen Sprüchen auch nichts hinzuzufügen.

Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) forderte eine Unterstützung für europäische Unternehmen, denen wegen der US-Sanktionen Einbußen oder Strafen drohen könnten: „Wenn wir am Iran-Abkommen festhalten, und das sollten wir tun, dann sollten wir europäischen Unternehmen, die mit Iran Handel treiben und von US-Sanktionen betroffen sein könnten, möglichst gut schützen“, sagte er dem „Spiegel“. Wie das gehen soll, weiß er aber auch nicht.

Berlin wirkt ratlos

Ähnlich trist die Lage in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte Trump am Freitag deutlich: Sein einseitiger Ausstieg aus dem gemeinsam verhandelten Nuklearabkommen „verletzt das Vertrauen in internationale Vereinbarungen“. Bei ihrer Rede auf dem Katholikentag in Münster unterstrich die CDU-Vorsitzende ihre „Sorge, dass der Multilateralismus in einer wirklichen Krise ist“.

Wenn jeder mache, worauf er Lust habe, „dann ist das eine schlechte Nachricht für die Welt“. Die Bundesregierung entscheide sich ganz klar für den Multilateralismus, sagte Merkel und versicherte zugleich: „Ich werde mich weiter für die transatlantische Partnerschaft einsetzen.“

Allerdings fügte Merkel kleinlaut hinzu: „Inwieweit wir überhaupt dieses Abkommen am Leben erhalten können, wenn eine riesige Wirtschaftsmacht nicht dabei mitmacht, das muss jetzt auch mit dem Iran besprochen werden“. Merkel hat also Zweifel, ob das Atomabkommen ohne die USA zu halten ist. Sie bekräftigte den Willen Deutschlands und der Europäer, an dem Abkommen festzuhalten. Doch man müsse realistisch sein und dürfe die eigene Stärke nicht überschätzen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) griff unterdessen zum Telefon und setzte sich bei seinem US-Kollegen dafür ein, dass deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen im Iran nicht von den Sanktionen der USA getroffen werden. Das Telefonat von Scholz und Steven Mnuchin bestätigte ein Sprecher des Bundesfinanzministers dem Handelsblatt.

Scholz habe dabei auf die Problematik im Zusammenhang mit der Entscheidung der US-Regierung hingewiesen, das Iran-Abkommen aufzukündigen. In dem Gespräch habe er sich für konkrete Ausnahmen für deutsche Unternehmen ausgesprochen.

US-Präsident Trump hatte trotz scharfer Kritik angekündigt, aus dem Abkommen mit dem Iran von 2015 auszusteigen und die Sanktionen gegen Teheran wieder hochzufahren. Bereits am Donnerstag – zwei Tage nach seiner Aufkündigung – verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen den Iran.

In Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) solle die Geldversorgung der Revolutionsgarden unterbrochen werden, erklärte Finanzminister Mnuchin. Vor allem über Dubai laufen viele Finanzströme iranischer Firmen und Privatpersonen. In Dubai haben auch viele Iraner Wohnungen und Firmen, viele Emiratis sind persisch-stämmig.

Hektische Krisendiplomatie

Washington will nun neue Verhandlungen mit Iran. Doch Teheran lehnt diese kategorisch ab, droht mit der Wiederaufnahme der Uran-Anreicherung. Merkel warnte angesichts der ausgebrochenen heftigen Scharmützel zwischen Israel und Iran in Syrien vor einer Eskalation: Es gehe „um Krieg und Frieden“.

Jetzt ist Krisendiplomatie angesagt: Am Dienstag wollen sich die Außenminister der EU-Unterzeichnerstaaten des Abkommens über das weitere Vorgehen abstimmen. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens wollen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel den iranischen Außenminister Dschawad Sarif treffen, um Möglichkeiten zur Rettung des Vertrags zu beraten. Bereits am Tag zuvor fliegt Sarif nach Moskau, um dort mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow Abwehrstrategien gegen Trump zu erörtern.

Woran deutsche Firmen jetzt denken müssen

Den deutschen Unternehmen, die sich für ihren richtigen Umgang mit Iran entscheiden müssen, nützt dies konkret wenig. Sie sitzen zwischen Baum und Borke: Folgen sie den von den USA massiv vorgebrachten Forderungen nicht, drohen ihnen heftige Strafen der Amerikaner.

Brechen sie ihre Zelte in Iran einfach ab, ohne sich rechtlich abzusichern, droht Gefahr im Orient, warnt die Außenwirtschaftsrechts-Expertin der internationalen Großkanzlei Baker McKenzie, Anahita Thoms: Wichtig seien sogenannte Snap-Back-Klauseln in den mit iranischen Unternehmen geschlossenen Verträgen. Das sind Klauseln, die einen Rückzug aus Verträgen im Falle der (Wieder-)Einführung von Sanktionen ermöglichen.

„Deutsche Unternehmen können nämlich weiterhin legal Geschäfte mit dem Iran machen und ein Lieferstopp – ohne wasserfeste Snap-Back-Klausel – würde einen Vertragsbruch darstellen“, warnt Thoms. „Dabei ist zu bedenken, dass die Klauseln zwar grundsätzlich Schutz vor künftigen Sanktionsänderungen für bestehende Verträge gewähren. Weil Gerichte die Klauseln eher streng und oftmals anders als die Parteien auslegen, war es immer wichtig, einen klaren Wortlaut zu wählen, der keine Zweifel in der Interpretation zulässt.“

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