US-Präsident Donald Trump wird am (heutigen) Dienstag verkünden, ob die Vereinigten Staaten aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran austreten werden oder nicht. Er wolle seine Entscheidung um 14 Uhr Ortszeit (20 Uhr MESZ) bekannt geben, twitterte Trump am Montag. Möglich wäre auch, dass er eine Neuverhandlung zur Bedingung für den Verbleib der USA in dem Vertrag macht.
Die Ankündigung dürfte das bereits ein Jahr dauernde Hin und Her beenden, in dem Trump gegen engste internationale Verbündete Stimmung gemacht und den 2015 vereinbarten Vertrag mehrfach als Fehler verurteilt hat. Die von ihm gesetzte Deadline für eine Entscheidung in der Sache setzte er selbst vom 12. Mai weiter nach vorne. Es geht darum, ob das Atomabkommen auch nach 2025 in seiner jetzigen Form aufrechterhalten bleibt.
Trump ist lange Gegner der Vereinbarung. Bereits im Oktober hatte er gesagt, ob der Iran das Abkommen einhalte, könne er nicht sagen - und forderte eine Überarbeitung. Zuletzt signalisierte er, die USA würden aussteigen, falls es nicht geändert werde.
Warum das Iran-Abkommen so wichtig für Deutschland ist
13 Jahre wurde über das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt. Mit am Tisch saßen nicht nur die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats - USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - sondern auch Deutschland. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Kompromiss 2015 als Außenminister mit aushandelte, sprach damals von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Es war nicht nur für ihn persönlich der größte Erfolg seiner Amtszeit, sondern auch einer der größten diplomatischen Erfolge, an dem Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990 mitgewirkt hat.
Deswegen legt sich die Bundesregierung jetzt auch so ins Zeug, um das Abkommen zu retten. Bisher aber ohne zählbaren Erfolg. In Berlin wartet man einigermaßen machtlos darauf, was Trump verkündet.
Die deutsche Wirtschaft hatte große Hoffnungen in das Atomabkommen und die daraus folgende Aussetzung der Sanktionen im Januar 2016 gesetzt. Innerhalb von zwei Jahren erwartete der deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Verdoppelung des Handelsvolumens von 2,4 Milliarden Euro (2015) auf fünf Milliarden. Innerhalb von fünf Jahren seien sogar zehn Milliarden Euro möglich, so die Ursprungsprognose.
Die tatsächliche Entwicklung ist zwar weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Tendenz nach oben ist dennoch deutlich erkennbar: Seit Anfang 2016 hat der deutsch-iranische Handel um 42 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro zugelegt.
Die Drohungen Trumps mit einem Ende des Atomabkommens haben aber bereits jetzt negative Auswirkungen. „Diese Risiken gefährden die wieder verbesserten Wirtschaftsbeziehungen deutscher Unternehmen mit dem Iran erheblich“, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Sollte das Atomabkommen scheitern, würde dies nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen treffen, sondern auch das Vertrauen in internationale Vereinbarungen.“
Sollte das Atomabkommen mit dem Iran scheitern, könnte das eine Kettenreaktion der atomaren Aufrüstung auslösen, die auch Europa bedrohen würde. Der Iran könnte dann sein Atomprogramm wieder in Gang setzen und damit auch Saudi-Arabien - neben Israel der mächtigste Gegner des Iran im Nahen Osten - dazu animieren, nach der Bombe zu greifen. Israel hat sie mutmaßlich schon, auch wenn die Regierung das nicht offiziell zugeben würde.
Die nukleare Abschreckung erlebt ohnehin schon seit einigen Jahren eine Renaissance. Alle Atommächte investieren in die Modernisierung ihrer Waffen. Alleine die Ausgaben der USA dafür werden für die nächsten zehn Jahre auf 400 Milliarden US-Dollar (336 Milliarden Euro) geschätzt. Auch in Deutschland sind nach Expertenschätzungen noch etwa 20 Atombomben stationiert, die auf dem Fliegerhorst Büchel in der Vulkaneifel lagern sollen.
Die Iran-Vereinbarung ist übrigens nicht das einzige Atomabkommen, das wackelt. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, gegen das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen zu verstoßen, das im Dezember 30 Jahre alt wurde. Es galt als Startsignal für die nukleare Abrüstung. Platzt es, wäre es ein maasiver Rückschlag für die Bemühungen um eine Reduzierung der Atomwaffen in Europa.
Die europäischen Verbündeten der USA drängten Trump aber wiederholt, die Vereinbarung nicht aufzukündigen. Diese Woche hatte der britische Außenminister Boris Johnson bei einem Besuch in Washington noch einen letzten Versuch unternommen, die USA von einer Beibehaltung der Vereinbarung zu überzeugen. Europäische Spitzenpolitiker haben gesagt, sie seien offen dafür, mit dem Iran ein Nebenabkommen auszuhandeln, doch der bestehende Rahmen müsse unangetastet bleiben, damit das passiert.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollten an dem Abkommen auch dann festhalten, wenn die USA es verlassen sollten, teilte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bei einem Treffen mit Bundesaußenminister Heiko Maas in Berlin mit. Maas erklärte, das 2015 mit dem Iran geschlossene internationale Abkommen mache die Welt sicherer.
Der iranische Präsident Hassan Ruhani sagte, Teheran biete der Europäischen Union an, das Abkommen auch ohne die USA aufrechtzuerhalten. Voraussetzung sei, dass die EU dem Iran garantiere, weiter von der Vereinbarung - der Aufhebung von Sanktionen - zu profitieren, sagte er am Montag in Teheran. Der von Trump angedrohte Ausstieg würde einen „strategischen Fehler“ bedeuten. Der Iran wünsche, dass das Abkommen „von den Nicht-Amerikanern aufrechterhalten und garantiert wird“, sagte Ruhani. In diesem Fall wäre ein Ausstieg der USA kein Problem. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland hatten das Abkommen mit dem Iran geschlossen. Es soll die atomaren Aktivitäten des Iran auf zivile Zwecke beschränken und verhindern, dass der Iran eigene Atomwaffen entwickelt und produziert.
Trump kritisierte John Kerry, nachdem berichtet worden war, dass der ehemalige US-Außenminister sich für das Atomabkommen eingesetzt habe. „Die Vereinigten Staaten brauchen nicht John Kerrys möglicherweise illegale Schattendiplomatie zu dem sehr schlecht verhandelten Iran-Abkommen“, twitterte Trump. Der „Boston Globe“ hatte am Freitag berichtet, dass Kerry, der das Abkommen während der Präsidentschaft von Barack Obama federführend ausgehandelt hatte, sich mit Bediensteten anderer Länder getroffen habe, um eine Strategie zu entwickeln, wie die USA in dem Abkommen gehalten werden könnten.