
Die Gefahr scheint auf dem Vormarsch. Anfang der Woche wurde in Deutschland, der Schweiz und Großbritannien radioaktives Jod gemessen, das aus Japan kommt. Noch handelt es sich um extrem geringe Werte, die keinerlei Risiko für den menschlichen Körper darstellen. Doch viele Bürger sind beunruhigt.
Vor diesem Hintergrund ist es äußerst ungeschickt, wie die EU-Kommission mit potenziellen Gefahren aus japanischen Lebensmitteln umgeht. Vergangene Woche aktivierte sie mit Zustimmung der Mitgliedsstaaten die Verordnung 3854/87, die eine stärkere Kontrolle von japanischen Lebensmitteln ermöglicht. Gleichzeitig setzt die Verordnung jedoch die erlaubten radioaktiven Höchstwerte hoch. Für Säuglingsnahrung etwa galten bisher bei Cäsium 134 und 137 ein Limit von 370 Becquerel pro Kilogramm. Mit der Notverordnung dürfen nun 400 Becquerel pro Kilo enthalten sein. Bei Milch steigt der erlaubte Höchstwert von 600 Becquerel auf 1000. Die Nicht-Regierungsorganisation Foodwatch warnt, dass bei manchen Produkten wie Fischöl oder Gewürzen die Limits sogar um das 20fache hochgesetzt wurden. Besonders absurd: Die Werte sind nun deutlich höher als in Japan selbst.
Vorsorge gegen Nahrungsmittelknappheit
Milchprodukte dürfen dort beispielsweise nur 200 Becquerel pro Kilogramm enthalten. Mit ein bisschen Phantasie stellt sich der europäische Verbraucher vor, wie belastete Ware, die in Japan nicht verkauft werden kann, nun auf in Europa auf den Markt gebracht wird. Selbst wenn es nicht dazu kommen sollte, ist die aktuelle Situation einigermaßen bizarr.
In Japan passiert ein Unglück und als Reaktion darauf dürfen die Grenzwerte steigen. Wie kommt es zu der seltsamen Entwicklung? Die Verordnung, die in Brüssel vergangene Woche aktiviert wurde, entstand 1987 kurz nach der Katastrophe in Tschernobyl. Die Idee dahinter war, die Höchstgrenzen für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln zu erhöhen, um eine einen Nahrungsmittelnotstand zu vermeiden. „Diese Regelung jetzt in Kraft zu setzen ist absurd“, sagt Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch. „Denn es gibt in Europa keinen Notstand und erst recht keine Nahrungsmittelknappheit.“