Attraktiver Standort? So laufen die Geschäfte der deutschen Unternehmen in Belarus

Belarus Hauptstadt Minsk ist Standort für einige deutsche Unternehmen. Quelle: imago images

Belarus hatte sich in den vergangenen Jahren für ausländische Investoren geöffnet. Präsident Lukaschenko könnte diese Erfolge nun verspielen. Die Lage für deutsche Unternehmen ist schwierig. Einfach war sie aber nie.

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Als Ulf Schneider 2003 beruflich nach Moskau zog, herrschte dort „eine Art Goldgräberstimmung“, erzählt der studierte Volkswirt: „Geschäftsideen lagen auf der Straße, man musste sie nur gut umsetzen. Ausländische Unternehmen, die in russischsprachigen Ländern Fuß fassen wollten, scheiterten aber oft an organisatorischen Hürden.“ Schneider witterte darin ein lukratives Geschäftsmodell und gründete ein Beratungsunternehmen, das Firmen beim Markteintritt in osteuropäische Länder begleitet. Die Schneider Group übernahm für sie die Buchhaltung, beriet in Rechts- und Steuerfragen, half bei der Personalsuche oder erledigte Behördengänge – offenbar sehr erfolgreich: Schneider expandierte und öffnete 2009 einen Standort in der belarussischen Hauptstadt Minsk.

„Ich war sicher, dass Belarus sich gut entwickeln würde und als Brückenland zwischen der EU und Russland außerdem ein Attraktiver Standort wäre, um dort zu produzieren und dann in Russland und andere baltische Staaten zu exportieren“, erklärt Schneider. Und er lag richtig: „In den letzten Jahren gab es viele Reformen, die das Land immer attraktiver für ausländische Unternehmen gemacht haben.“

Doch Präsident Lukaschenko könnte die Reformerfolge der vergangenen Jahre nun innerhalb kürzester Zeit zunichtemachen. Hunderttausende Belarussen gehen auf die Straße, um gegen den Alleinherrscher zu demonstrieren. Sie werfen ihm Wahlmanipulation und Machtmissbrauch vor. Lukaschenko reagiert mit Gewalt, lehnt Neuwahlen ab. Die wenigen deutschen Unternehmen, die Geschäfte in Belarus machen, bringt das in eine schwierige Lage: Die Unruhen gefährden Mitarbeiter und Geschäfte – und ein rasches Ende ist nicht in Sicht.

Andere Länder, andere Sitten

 Wer dieser Tage mit solchen Unternehmen über die aktuelle Lage in Belarus spricht, kann die Unsicherheit spüren, mit der sie zu kämpfen haben. Offiziell äußern sich nur die wenigsten – denn gute Beziehungen zu den belarussischen Behörden sind in dem staatlich stark regulierten Land äußerst wichtig. Die Schneider Group greift den Unternehmen dabei unter die Arme: „Wir unterstützen unsere Kunden auch bei der Organisation von Treffen mit Regierungsvertretern“, sagt Natalia Shulzhenko, die Geschäftsführerin der belarussischen Schneider-Standorts. Denn die Geschäfte laufen in Belarus etwas anders als hierzulande.

„Wir Deutschen neigen dazu, ein bis zwei Tage irgendwo hinzufliegen, dann verhandeln wir den Vertrag und sobald der unterschriftsreif ist, fahren wir wieder nach Hause“, sagt Schneider. In Belarus hingegen könne man sich bei solch einem Verhalten sicher sein, dass der Vertrag nicht zustande komme: „Man muss sich Zeit nehmen und zumindest noch gemeinsam ins Theater oder zu einem Konzert gehen.“ Erkundige sich ein Partner, wann der Rückflug gehe, dürfe man keinesfalls einen Termin nennen: „Die richtige Antwort lautet: Wenn wir gut vorangekommen sind.“

Zudem gäbe es in Belarus eine „tief verwurzelte Bürokratie“ mit schwerfälliger Verwaltung. „Dafür braucht man schon Ausdauer“, sagt Schneider. Zudem sprächen die meisten Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen nur die Landessprache. Die Mitarbeiter des Repräsentanzbüros der Commerzbank in Minsk sprechen deshalb alle fließend Russisch. Der Standort scheint zudem eine gewisse Anpassungsfähigkeit vorauszusetzen: „Das Verständnis für das gesellschaftliche und kulturelle Umfeld ist sehr wichtig“, heißt es aus der Pressestelle.

Wer sich jedoch mit den landeseigenen Gegebenheiten arrangiert, kann dort unterdessen offenbar gute Geschäfte machen. Die Commerzbank, deren Mitarbeiter in Minsk vor allem die wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes beobachten, sieht dort grundsätzlich auch Chancen für deutsche Firmen. Dort gebe es etwa eine gute Internetanbindung und gute Verkehrsinfrastruktur.

„Belarus hat sich in den letzten Jahren sehr darum bemüht, bürokratische Hemmnisse abzubauen, auch wenn sie nicht völlig verschwunden sind“, sagt eine Konzernsprecherin: „Zudem wurden in verschiedenen Teilen des Landes Freihandelszonen entwickelt, in denen Auslandsinvestoren schnell und unkompliziert ihre Präsenz in Belarus aufbauen können.“

In den vergangenen Jahren habe die Regierung die Rechts- und Investitionssicherheit immer weiter an westeuropäische Standards angepasst, sagt Natalia Shulzhenko. Zum Beispiel führte der Staat ein elektronisches Steuererklärungssystem ein und seit 2018 können sich EU-Bürger bis zu 30 Tage ohne Visum in Belarus aufhalten. Außerdem investierte Lukaschenko in Industrieparks, insbesondere in der IT-Branche. Das machte sich bezahlt: Von 2009 bis 2019 kletterte Belarus im Doing Business Index von Platz 85 auf Platz 49 unter 190 bewerteten Nationen. Der Index misst die Rahmenbedingungen für Unternehmen in einem Land.

Laut eines Berichtes der Unternehmens- und Steuerberatung Rödl & Partner erhalten ausländische Unternehmen, die Investitionsverträge mit Belarus zur Umsetzung von Projekten schließen, staatliche Garantien sowie Vorteile und Vorzugsbehandlungen bei Verwaltungsverfahren. Dazu zählten die Gewährung von Grundstücken oder die Befreiung von Importzöllen und Import-Umsatzsteuer bei der Einfuhr von Produktionsanlagen. Es sei aber auch ohne Verträge mit dem Staat möglich in Belarus erfolgreich zu sein, sagt Ulf Schneider.

Düstere Aussichten

Das war allerdings nicht immer so: Der Staat gängelte Investoren aus dem Ausland, wollte die eigenen Konzerne nicht verkaufen oder stellte für die Privatisierung untragbare Forderungen. Gerade in den 90er Jahren scheiterten viele ausländische Unternehmen in Belarus daran, sich dort ein Standbein aufzubauen.

Eine Ausnahme ist der Technologiekonzern Zeiss mit Sitz in Oberkochen. 1995 gründete der Hersteller von Kameraobjektiven und Mikroskopen zusammen mit dem belarussischen Optikunternehmen Belomo in Minsk ein Joint Venture. In Minsk wird seitdem Optik, Mechanik und Montage für Zeiss veredelt. Die Zusammenarbeit mit dem belarussischen Partner laufe gut, heißt es von Zeiss.

In vielen Staatsbetrieben legen die Angestellten ihre Arbeit derzeit jedoch aus Protest nieder. Die über 300 Mitarbeiter von Carl Zeiss Belomo kommen nach Angaben des Unternehmens aber weiter normal zur Arbeit ins Minsker Werk. Die aktuellen Entwicklungen verfolge Zeiss aufmerksam. Mit den Standortverantwortlichen sei man täglich in Kontakt, noch gebe es keine Auswirkungen auf Zulieferungen, die Energieversorgung oder die Logistik. „Wir hoffen auf eine gewaltfreie Lösung des Konfliktes“, sagt eine Sprecherin von Zeiss.

Belarus sei vor der Wahl wirtschafts- und außenpolitisch auf einem guten Weg gewesen, um auch mehr deutsche Unternehmen anzuziehen, sagt Schneider. Momentan wisse allerdings niemand wie es weitergehe. „Jede Verzögerung und Unsicherheit aufgrund der andauernden Situation kostet die Wirtschaft bares Geld“, betont Shulzhenko. Die Stabilität müsse gewährleistet bleiben. Sie wünscht sich, dass Lukaschenko den Dialog mit den Belarussen sucht. „Wir hoffen, dass die Behörden mit den Menschen ein gemeinsames Programm zur Lösung der aktuellen Situation entwickeln.“ Danach sieht es momentan allerdings nicht aus. Zuletzt hatte die Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den Koordinierungsrat der Opposition eingeleitet.

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Schon vor den Unruhen galt Belarus als unattraktiver Standort für ausländische Unternehmen. Zu Unrecht, sagt Ulf Schneider, der Firmen dort beim Markteintritt berät. Lesen Sie das Gespräch über die belarussische Businesskultur hier.

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