Donald Trump zürnt und wütet über Einfuhren aus dem Ausland, selbst engen Partnern wie Deutschland droht er seit Monaten mit einem Handelskrieg. Doch jetzt hat seine Regierung in letzter Minute erneut ihre Entscheidung über Strafzölle auf Stahl und Aluminium verschoben.
Nur wenige Stunden vor Ablauf einer Verhandlungsfrist in der Nacht zum Dienstag teilte das Weiße Haus mit, man werde der Europäischen Union, Kanada und Mexiko weitere 30 Tage Aufschub gewähren. Mit Argentinien, Australien und Brasilien habe man sich bereits auf eine Befreiung verständigt. Details wollte die US-Regierung in Kürze bekanntgeben.
Trump hatte am 23. März weltweite Zölle auf Stahl- und Aluminium-Einfuhren angekündigt und sieben Verbündeten kurzfristige Ausnahmen gewährt. Einzig Südkorea hatte sich früh mit Washington auf einen Kompromiss geeinigt, die anderen Betroffenen harren im Ungewissen.
Wie kann Europa auf die Strafzölle reagieren?
Die Europäische Union hat bereits am 16. April Beschwerde gegen die USA eingelegt. Damit sind die Europäer einen ähnlichen Weg gegangen wie China, das sich ebenfalls beschwert hat. In dem von der WTO veröffentlichen Dokument vermutet die EU, dass die USA die Zollerhöhungen nicht – wie offiziell behauptet – als Schutzmaßnahme („safeguard measure“) eingeführt haben, sondern um den Handel einzuschränken. Damit fordert Europa die Welthandelsorganisation dazu auf, ein offizielles Schlichtungsverfahren zu beginnen. Allerdings kann so ein Verfahren dauern. So sehen die Regeln der WTO allein für das Konsultationsverfahren einen Zeitraum von 60 Tagen vor. Dabei sollen die betroffen Länder miteinander reden und versuchen, den Disput von sich aus zu beheben. Insgesamt kann es bis zu 15 Monate dauern, bis der Streit beigelegt ist (Infos zu WTO-Beschwerdeverfahren gibt es hier). Voraussetzung für eine Lösung ist aber auch, dass alle Parteien die Autorität der WTO anerkennen. Trump lässt daran Zweifel erkennen. Die WTO sei eine „Katastrophe“ und „schrecklich“ für die USA, sagte er im Wahlkampf.
Auch wenn sich die WTO grundsätzlich für den freien Handel einsetzt, können die Mitglieder unter bestimmten Bedingungen auch eigene Wirtschaftszweige vor Importen schützen – etwa dann, wenn in die Exporte in einer bestimmten Branche unerwartet ansteigen. Auch die EU hat damit die Möglichkeit, das Leben der US-Firmen durch Vorschriften, Normen und Kennzeichnungspflichten das Leben schwer zu machen. Auch wenn die WTO solche nichttarifären Handelshemmnisse, also Maßnahmen, die zwar keine Zölle sind, den Handel aber dennoch einschränken, nicht gerne sieht.
Eine deutlich spürbare Reaktion sind Gegenzölle auf US-Waren. Bereits kurz nach der Ankündigung Trumps, die EU mit Strafzöllen zu belegen, kursierte eine Liste der EU-Kommission. Dort sind haarklein die Waren aufgeführt, die die EU ihrerseits mit höheren Abgaben belegen könnte, darunter etwa Bourbon-Whiskey, Haarspray, Tabak und Zuckermais.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten sich in der vergangenen Woche mit Trump getroffen, um ihn zu Zugeständnissen zu bewegen. Beide reisten ohne klare Ansage ab. Nun verschafft der US-Präsident seinen EU-Partnern zumindest eine Atempause. Doch die Gefahr eines Handelskriegs, der den kräftigsten globalen Aufschwung seit Jahren untergraben könnte, verschwindet damit nicht. Das Ringen um eine Lösung im Handelskonflikt geht in die Verlängerung. Gleichzeitig wächst der Druck auf die EU, sich mit den USA zu arrangieren.
Quoten statt Strafzölle?
Im Fall von Kanada und Mexiko ist eine rasche Einigung möglich. Die USA führen mit ihren Nachbarn Gespräche über die Zukunft des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta), das Trump als „miesen Deal“ bezeichnet. Offiziell sind die Strafzölle nicht Teil davon. Doch gibt es einen Durchbruch bei Nafta, ist auch ein Kompromiss bei den Zöllen wahrscheinlich – und umgekehrt.
Eine Einigung mit der EU ist deutlich komplizierter – auch, weil die US-Regierung Schwierigkeiten damit hat, die 28 Mitgliedsstaaten als Block zu behandeln. Länder wie Frankreich werden von Trump für ihre Handelspolitik gelobt, Deutschland hingegen kritisiert der US-Präsident wegen seines Exportüberschusses.
Brüssel und Berlin betrachten mit Sorge, dass man sich von Fristverlängerung zu Fristverlängerung hangelt, was Hersteller, Händler, Investoren und Konsumenten verunsichert. Unklar ist auch, was genau die EU für eine Befreiung tun müsste – und inwiefern sie sich überhaupt auf Bedingungen einlassen will. Laut Trumps Handelsminister Wilbur Ross müssen sich Staaten für eine Option entscheiden: Exportquoten oder Strafzölle. „Wir verlangen von allen Ländern Quoten, wenn es keine Zölle gibt“, sagte Ross am Freitag. Südkorea etwa wird seine Metallexporte künftig auf 70 Prozent des Jahresdurchschnitts seit 2015 beschränken. Ähnliches kommt für die EU nicht in Frage. „Wir haben den USA nichts angeboten, wir werden ihnen nichts anbieten, das unserer Meinung nach nicht den Regeln der WTO entspricht“, erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im Vorfeld der Fristverlängerung.
Larry Kudlow, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats im Weißen Haus, forderte „Zugeständnisse in Bezug auf Handelspraktiken, Zölle und Steuern“. Pläne für eine EU-Digitalsteuer sorgen für Verstimmung in den USA. Auch europäische Zölle auf US-Autoimporte führte Kudlow als Beispiel an. „Hier würden wir gern Bewegung von Europa sehen.“ Solche Szenarien bügelt die EU bislang ab und drängt auf eine dauerhafte Befreiung ohne Auflagen.
Trump selbst hatte seine Zollpläne an die Höhe internationaler Rüstungskosten gekoppelt. „Wir gucken, wer seine Rechnungen bezahlt und wer nicht. Das wird in unsere Entscheidung mit einfließen“, sagte der US-Präsident Ende März. Deutschland sei eines der Länder, das die USA im Handel und in der Verteidigung „über die Jahre enorm ausgenutzt“ hätte.