Aus der weiten Welt

Bewegung in Nordkorea

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Nordkoreas selbstverordnete Isolation unterlaufen

Nordkorea Grenze Quelle: dapd

Das Interesse der Nordkoreaner liegt für Seliger klar auf der Hand: Angesichts ihrer katastrophalen Wirtschaft wollen sie technisches Knowhow erwerben. Politischen Diskussionen über Strukturprobleme oder notwendigen Reformen verweigern sie sich. Wenn immer Seliger Strukturfragen oder Reformen anspricht, blockieren sie.

Die gemeinsamen Programme haben jedoch einen Nebeneffekt, und der ist erwünscht. Sie bringen die von der globalen Welt hermetisch abgeschnittenen Nordkoreaner mit dem Ausland in Berührung und höhlen so das Informationsmonopol der Partei etwas aus. In welcher geistigen Enge die Nordkoreaner leben, davon können wir uns hier kaum Vorstellungen machen.

Selbst die höheren Funktionäre sind vom internationalen Wissen abgeschnitten und nur schlecht über das informiert, was sich im Ausland tut. Abgesehen von den offiziellen Jubelberichten haben sie auch keine realistischen Informationen über das eigene Land und wissen nicht, was es in welchem Umfang produziert. Zu Internet oder ausländischem Fernsehen haben weder Normalsterbliche noch Funktionäre Zugang.

Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea ist geschlossen. Die martialischen Grenzanlagen vermitteln den Eindruck, als könne der Krieg zwischen der geteilten Nation jederzeit wieder ausbrechen. Störsender verhindern, dass Nordkoreaner das Fernsehen aus Südkorea empfangen können. Um von Seoul aus das 200 Kilometer entfernte Pjöngjang zu besuchen, muss Seliger den Flieger über Peking nehmen. Das ergibt dann eine Distanz von fast 2000 Kilometern.

Die Kommunikation zwischen Stiftung und nordkoreanischem Partner erfolgt heute zwar per Email, aber zum Internet haben selbst die Angestellten im Außenwirtschaftsministerium keinen freien Zugang. Es verfügt nur über zwei Internet-Arbeitsplätze. Von den 1000 Mitarbeitern haben nur zwölf die Lizenz für diese Arbeitsplätze.

Das Informationsmonopol der Partei bröckelt

Doch an manchen Stellen reißt die von der Führung verordnete Quarantäne auf. So kommen aus China und Südkorea auf verschlungenen Wegen massenhaft DVDs mit den in Asien beliebten Soap Operas, die, wenn auch verkitscht, den Menschen eine Ahnung vermitteln, dass es ihren Nachbarn im Süden generell besser geht.

So gelingt es der regierenden KP nicht mehr, das Land wie früher vom Ausland abzuschirmen. „Es kommen heute mehr Leute raus als früher“, sagt Seliger. Auch wenn dies nur Funktionäre sind, kommen sie doch mit einem realistischeren Bild der Welt nach Nordkorea zurück. Und der Bedarf an Informationen ist groß: Als Seliger im April wieder mal nach Pjöngjang reiste, hatte er 120 Kilogramm Fachbücher im Gepäck, die im Außenwirtschaftsministerium dankbare Leser fanden.

Das Informationsmonopol der Partei bekommt auch an anderer Stelle Löcher. Inzwischen sind in ganz Nordkorea eine Million Handys im Umlauf, und die kann selbst der allmächtige Geheimdienst nicht alle abhören. Zwar sind keine Telefonate mit dem Ausland möglich, aber innerhalb Nordkoreas findet jetzt mehr Informationsaustausch statt. Früher war die Bevölkerung in der Provinz abgeschnitten vom Leben in Pjöngjang, genauso wenig kannten die Hauptstädter die Lebensbedingungen auf dem Land.

Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Pjöngjang mit materiellen Gütern weit besser versorgt wird, während die Landbevölkerung heute weitgehend auf die Stufe von Subsistenzwirtschaft zurückgefallen ist. Seliger: „Die Trennung zwischen Stadt und Land bricht mehr und mehr auf, Informationen fließen heute schnell und vom Staat unkontrolliert durch das ganze Land.“ Die offizielle Propaganda des Regimes bricht an der Realität. „Die Kluft zwischen Pjöngjang und der Provinz werden für das Regime zu einer Belastung“, glaubt Seliger. „In den Provinzen werden die Eliten mehr Konsumgüter verlangen, und für die darbende Bevölkerung dort wird die bessere Versorgung in der Hauptstadt zu noch mehr Frustration führen.“

Es bewegt sich also was in Nordkorea. Nur wohin und in welchem Tempo, ist noch unklar.

Nächste Woche: Der neue Stil der Diktatur, leichter Konsumrausch in Pjöngjang und Ärger über den Ausverkauf an China.

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