Ausländische Investoren Gefangen in Tiflis

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Andere sehen das Geschäftsklima in Georgien weniger rosig. Ein Bericht der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International vom Mai 2010 bezichtigt die Regierung in Tiflis des „Steuerterrorismus“. Sie setze ihre Finanzpolizei ein, um Unternehmen einzuschüchtern und werfe Angestellte sogar ins Gefängnis, um höhere Steuereinnahmen und Geldbußen einzutreiben. „Der Staat sperrt zu schnell ein, in Fällen, die im Westen als minderschwere zivilrechtliche und steuerliche Angelegenheiten betrachtet würden“, sagt David Lee. Er ist Präsident der amerikanischen Handelskammer in Georgien und Direktor des nicht börsennotierten US-Unternehmens Magticom, dem größten Telekomanbieter im Land. Nach Lees Anagaben wurden allein in den zurückliegenden zwölf Monaten in „mehreren Fällen“ Angestellte ausländischer Unternehmen ohne Prozess zum Teil mehrere Monate lang inhaftiert. Inländische Firmen seien solchen Schikanen noch eher ausgesetzt, sagt er.

Nach ihrer Verhaftung am 14. Oktober wurden Fuchs und Frenkiel in ein Gefängnis im Zentrum von Tiflis geschafft. Eine Entlassung auf Kaution wurde abgelehnt, so dass sie nun seit über fünf Monaten hinter Gittern sitzen.

Beide dürfen dreimal im Monat 15 Minuten mit ihrer Familie telefonieren. Montags, mittwochs und freitags müssen sie in einem kühlen, schlecht beleuchteten Gerichtssaal in Tiflis wegen Bestechung verantworten. Werden sie verurteilt, drohen ihnen bis zu acht Jahre Gefängnis.

Fuchs beschäftigt einen ganzen Stab renommierter Anwälte. Außer einer namhaften georgischen Kanzlei gehören zum Verteidigerteam Gregory B. Craig – ehemaliger Rechtsberater von Barack Obama und jetzt Partner bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Washington D.C. – und der britische Kronanwalt Geoffrey Robertson aus London. Letzterer vertritt auch WikiLeaks-Gründer Julian Assange beim Kampf gegen eine Auslieferung an Schweden. Trotzdem stehen die Chancen für Fuchs und Frenkiel schlecht. Vergangenes Jahr wurden 99,96 Prozent aller Beklagten vor Gerichten in Tiflis verurteilt, zeigen Analysen der von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützten georgischen Nachrichten-Webseite civil.ge.

Dabei könnte Fuchs sofort aus dem Gefängnis freikommen – indem er auf die Ansprüche aus dem Schiedsurteil aufgibt. Dies habe ein Beamter des georgischen Justizministeriums im Oktober unter vier Augen dem israelischen Botschafter in Georgien zu verstehen gegeben, sagen Fuchs’ Anwälte.

Fuchs weigert sich. „Wir werden hier als Geiseln gehalten, und die georgische Regierung verlangt ein Lösegeld von 100 Millionen Dollar. Wir werden nicht zahlen“, ließ er einen Reporter bei der Gerichtsverhandlung im Januar wissen. Da er nicht mit Journalisten sprechen darf, übermittelte Fuchs die Nachricht über seinen leitenden georgischen Anwalt, Archil Kbilashvili. Ein Diplomat in Tiflis bestätigte das Angebot der georgischen Seite, Fuchs im Gegenzug für eine Aufhebung des Spruchs freizulassen. Der Informant will anonym bleiben, um sich nicht den Ärger der Regierung zuzuziehen.

Wie auch immer der Prozess und eine mögliche Berufung von Fuchs ausgehen: Seine Geschichte zeigt, welch unwägbaren Risiken Geschäftsleute in Georgien und anderen ehemaligen Sowjetstaaten ausgesetzt sind. Fuchs sieht sich als Opfer einer Intrige, durch die sich der Staat vor teuren Entschädigungszahlungen drücken will. „Wer erwägt, in Georgien Geschäfte zu machen, sei gewarnt“, sagt sein Anwalt Craig. „Er handelt auf eigene Gefahr.“

In krassem Gegensatz hierzu spricht die georgische Staatsanwaltschaft von routinemäßiger Strafverfolgung. „Es trifft nicht zu, dass ein Vertreter der Regierung den Verzicht auf die Rechte verlangt hat“, sagt Davit Sakvarelidze, der erster stellvertretende Generalstaatsanwalt Georgiens. Das Büro des Generalstaatsanwalts habe vielmehr klargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Vergleich möglich wäre: Schuldeingeständnis, Mitwirkung bei den Ermittlungen und Wiedergutmachung für den Schaden, der dem Staat entstanden ist. Letzteres bezieht sich auf eine Geldbuße, die voraussichtlich durch den Verzicht auf die Rechte aus dem Schiedsspruch abgegolten wäre. „Das sind reguläre Vorbedingungen, wie sie das georgische Strafgesetz vorsieht“, fügt Sakvarelidze hinzu. Nach seinen Worten ist Fuchs’ Fall Teil einer umfassenden Initiative, das verrohte Land aufzuräumen und attraktiver für ausländische Investoren zu machen. „Wir können die Anschuldigungen mit überzeugenden Beweisen belegen“, sagt er. „Für uns zeigt dieser Fall – die wahren Fakten des Falls und nicht die Spekulationen von Herrn Fuchs – erneut, dass der georgische Staat den Kampf gegen Korruption sehr ernst nimmt.“

Fuchs sitzt erstaunlich gefasst im Gerichtssaal II des Stadtgerichts von Tiflis, einem Gebäude mit gelben Säulen, das mit Hilfsgeldern der USA renoviert wurde. Er trägt ein weißes Anzugshemd mit offenem Kragen und einen dunklen Blazer und sieht aus wie William Shatner in jüngeren Jahren. Sein welliges, graumeliertes Haar ist deutlich länger als vor der Verhaftung. Er hat Herzprobleme und würde statt der verfügbaren Medikamente lieber Präparate aus Israel erhalten, doch seinen Anwälten zufolge verweigern die georgischen Behörden dies. Fuchs hat abgenommen, sieht aber trotzdem kräftig aus. Während der Verhandlung flüstert er eifrig mit seinem Anwalt.

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