Ausländische Investoren Gefangen in Tiflis

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Nachdem dieser Punkt geklärt ist, verlangt Kharaidze: „Trinken wir noch etwas.“ Fuchs, der sich den vorherigen Trinkrunden mit der Bemerkung verweigert hatte, es sei gerade erst Vormittag, reagiert verärgert. „An welchem Punkt kommen wir endlich zur Wahrheit?“, fragt er.

„Das hängt offenbar von Ihnen ab“, gibt der Georgier zurück.

„Zu früh am Morgen“, sagt Fuchs. „Ich war bis ein Uhr mit meinen Kindern unterwegs.“ Dann lenkt er das Gespräch in eine freundlichere Richtung. Er empfiehlt das Restaurant und die Diskothek, in die seine Familie am Abend zuvor besucht hatte. Dann folgt man der Aufforderung des georgischen Beauftragten und die Gläser werden wieder erhoben.

Ein wenig später fragt Fuchs den Georgier, ob die Zahlung durch entsprechende Papiere einen rechtmäßigen Anschein erhalten könnte. „Bekommen wir eine Rechnung?“, will Fuchs wissen. „Ich muss Ihnen nicht erklären, was damit passiert“, fährt er fort, „aber ich muss sie den Deutschen, den Anwälten, vorlegen, weil sie unsere Kosten ausrechnen.“ Offensichtlich bezieht er sich auf Allianz und Skadden Arps.

Um voranzukommen, schlägt Fuchs ferner ein Vorgehen vor, das er anscheinend bei einem früheren Geschäft angewendet hat. „Ich hatte ein anderes Land – wir hatten einen Fall – wo es eine Empfangsbestätigung der Partei gab, der Regierungspartei oder so ähnlich, und dann gaben wir es als Spende an die Partei.“ Der Israeli geht ins Detail: „Wir bekamen eine Quittung: ‚Danke für die Zuwendung.’ Aber wir wussten, das Geld geht an die Leute.“

Der Gedanke, zur Tarnung eine politische Spende zu konstruierten, tritt in den Hintergrund, als Kharaidze von Fuchs wissen will, wie hoch der Vergleich und die Nebenzahlung nach seiner Ansicht sein sollen.

Fuchs geht die Geduld aus, und plötzlich fährt er auf: „100.“ Damit will er auf sarkastische Weise ausdrücken, dass er sich nur mit den gesamten 100 Millionen Dollar zufrieden gibt. Etwas später lässt er erkennen, dass er sich erpresst fühlt. „Wollt ihr mehr?“, fragt er. „Ist das etwa euer Geld? Das ist nicht euer Geld, das ist mein Geld.“

Schließlich kommt man zu einem Kompromiss: Fuchs und sein Partner bekommen 72 Millionen Dollar, und davon werden sie sieben Millionen Dollar an Kharaidze und seine nicht genannten Partner zurückzahlen. Der georgische Funktionär ruft demonstrativ mit dem Mobiltelefon seine Vorgesetzten in Tiflis an und holt die Genehmigung für die Transaktion ein. „Das Wichtigste in diesem Fall ist erledigt“, sagt er zu den anderen im Hotelzimmer.

Fünf Monate später stellt der Anwalt der Verteidigung den Antrag, das heimlich in Istanbul gedrehte Video und damit das Hauptbeweisstück des Staats im Prozess nicht zuzulassen. Der in eine rotbraune Robe gekleidete Richter Vazha Pukhashvili hört zu, wie Kbilashvili auf Georgisch darlegt, dass die Staatsanwaltschaft die Entstehung der Aufnahmen falsch dargestellt habe. Die Regierungsvertreter hätten das Video als Amateurproduktion deklariert, sagt er, arrangiert von Kharaidze, einem Beamten des Finanzministeriums. Kbilashvili stellt den Antrag, als Zeugen einen Experten aus London zu hören, der bestätigen soll, dass die äußerst professionell gemachte Aufnahme von Überwachungsspezialisten stammt. Fuchs’ Anwälte vertreten die Ansicht, Kharaidze ist in Wahrheit ein Agent des Innenministeriums, der extra ins Finanzministerium abgestellt wurde, um Fuchs zu ködern und sich damit letztlich dem Schiedsspruch zu entziehen.

Der Richter lässt ihn ablaufen. Unter den teilnahmslosen Blicken des dreiköpfigen Strafverfolger-Teams entscheidet er, dass Skadden Arps bei der Beauftragung des Experten gegen georgische Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Später sagt Kbilashvili vor dem Gerichtssaal, die Entscheidung des Richters habe ihn nicht überrascht. Praktisch alle Entscheidungen des Gerichts seien bisher zu Ungunsten der Verteidigung ausgefallen, inklusive der Ablehnung des Antrags, Ministerpräsident Gilauri vorzuladen. Der Verteidiger wollte Gilauri zu seiner Rolle bei der Einladung Fuchs’ zur Unterzeichnungsfeier in Batumi am 14. Oktober befragen, die in der Verhaftung endete.

In den vergangenen Monaten telefonierte Israels Präsident Peres mit dem georgischen Präsidenten Saakashvili und bat ihn, den Fall zu prüfen. Der israelische Außenminister Avgidor Lieberman schrieb in ähnlichem Tenor an seinen georgischen Kollegen. Die Georgier hätten höflich aber unverbindlich geantwortet, sagen Kbilashvili und ein über den Austausch informierter Diplomat. Ein Urteil wird für Ende März 2011 oder April erwartet.Unter Mitarbeit von Helena Bedwell.

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