Außenminister Gabriels Expedition in die Welt des Donald Trump

Wie begegnet man einem US-Präsidenten, den die Regeln internationaler Zusammenarbeit nicht mehr interessieren? Die Bundesregierung sucht Antworten. Außenminister Gabriel geht auf Entdeckungsreise in ein neues Amerika.

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Bundesaußenminister Sigmar Gabriel Quelle: dpa

Außenminister Sigmar Gabriel hat es eilig, sogar sehr eilig. Seit Tagen spricht er davon, dass er so schnell wie möglich in die USA möchte. Am Donnerstagmorgen landet er auf dem Flughafen Washington-Dulles International. Sein Hauptgesprächspartner, US-Außenminister Rex Tillerson, ist zu diesem Zeitpunkt erst eine Nacht im Amt. Noch vor seiner Vereidigung hat er seinen deutschen Kollegen eingeladen.

„Wir haben drängende Themen auf der internationalen Agenda, über die sich Deutschland und Amerika eng abstimmen sollten“, begründet Gabriel schon vor dem Abflug die Eile. Er selbst hat seinen Job noch nicht einmal eine Woche. Seine erste Reise hat ihn zum wichtigsten europäischen Bündnispartner nach Paris geführt. Das ist Standard für einen deutschen Außenminister.

Normalerweise würden danach Brüssel und ein europäisches Nachbarland im Osten folgen, bevor es irgendwo anders hingeht. Brüssel musste Gabriel am Dienstag wegen einer Erkrankung absagen. Osteuropa muss warten. Die USA sind Gabriel wichtiger.

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Er kennt das Land gut. 1998 war er erstmals mit einem transatlantischen Programm für Führungskräfte dort und erinnert sich bis heute gerne daran, dass er zum Ehrenbürger von Rapid City in South Dakota ernannt wurde. Danach war er immer wieder dort, als Politiker in Washington, New York, im Silicon Valley. Als Urlauber fuhr er den Highway Number One an der kalifornischen Küste entlang.

Diesmal weiß Gabriel aber nicht so recht, was ihn erwartet, als er in Washington aus dem Flieger steigt. Seine Reise ist eine Expedition in ein neues Amerika, dessen Präsident Donald Trump sich nicht mehr den Grundsätzen der westlichen Wertegemeinschaft verpflichtet fühlt. Seine Äußerungen zu Folter und Protektionismus, die Erlasse zum Mauerbau an der mexikanischen Grenze und zum Einreisestopp für Bürger muslimisch geprägter Länder haben die schlimmsten Befürchtungen der Bundesregierung sogar noch übertroffen.

Wohl nicht ganz zufällig hat Gabriel deswegen gleich am Anfang einen Termin in sein Programm eingebaut, von dem eine klare Botschaft ausgeht: Besichtigung einer deutschen Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung in der Kongress-Bibliothek. In dem Dokument geht es auch um Menschenrechte, die heute auf dem Spiel stehen.

Die Bundesregierung sucht noch nach einem Weg, mit der neuen Situation umzugehen. Dabei kristallisiert sich eine Doppelstrategie heraus: Das Gespräch suchen, Kooperation anbieten, aber gleichzeitig klare Kante zeigen, wo es gar nicht mehr anders geht und deutsche Interessen betroffen sind - zum Beispiel beim Einreisestopp, der zunächst auch für deutsche Doppelstaater galt.

Tillerson hat genug mit sich selbst zu tun

Gabriel war das Regierungsmitglied, das sich - noch als Wirtschaftsminister - nach der Antrittsrede Trumps am kernigsten äußerte. „Das waren heute hoch nationalistische Töne. Es fehlen eigentlich nur noch so Begriffe wie das Parlament als „Quasselbude“ zu bezeichnen, oder von „Systemparteien“ zu reden. Dann sind sie in der politischen Rhetorik der Konservativen und Reaktionäre der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts“, sagte er. „Der meint das wirklich ernst, und ich glaube, wir müssen uns warm anziehen.“

Inzwischen ist der Außenminister - seiner neuen Funktion entsprechend - diplomatischer geworden. Er komme mit dem „Angebot von Freundschaft und Vertrauen“ in die USA, sagt er. Die Bundesregierung hofft darauf, dass Trumps Umfeld den Präsidenten bremsen kann und will dieses Umfeld stärken. Hoffnungen setzt sie dabei vor allem auf Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis.

Tillerson tritt sein Amt aber unter extrem schwierigen Bedingungen an. Der im Ausland lautstark angeprangerte und teilweise chaotische organisierte Flüchtlings- und Einreisestopp ist nur die Spitze des Eisberges. Der neue Außenminister muss erst einmal die 900 Karrierediplomaten in seinem eigenen Haus beruhigen, die sich in einem Beschwerdebrief gegen Trumps Migrationspolitik stark gemacht haben. Das Weiße Haus hatte ihnen mitgeteilt, sie sollten spuren, oder sie könnten gehen.

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Dabei hätte Tillerson auch genug mit sich selbst zu tun. Er gilt als höchst umstritten. Bei Fragen wie etwa Klimapolitik werfen Kritiker dem ehemaligen „Ölprinzen“ vom US-Konzern ExxonMobil Befangenheit vor. In der Russland-Politik gilt das ebenfalls. Wladimir Putin hängte Tillerson einst den russischen Freundschaftsorden um, weil der sich gegen US-Sanktionen eingesetzt hatte. Im Senat bekam Tillerson am Mittwoch das schlechteste Votum seit Jahrzehnten - 43 der 100 Senatoren stimmten gegen ihn. Condoleezza Rice hatte mit 13 Gegenstimmen 2005 schon als problematisch gegolten.

Der neue Außenminister muss sich also erstmal sortieren. Vielleicht lehnte er deswegen eine gemeinsame Pressekoneferenz mit Gabriel ab, die bei Außenministertreffen befreundeter Staaten eigentlich üblich gewesen wäre.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wieviel US-Außenpolitik in Tillersons State Department und wieviel im Weißen Haus gemacht wird. Im Amtssitz Donald Trumps bekam Gabriel übrigens auch einen Termin - nicht beim Chef, aber immerhin bei Vizepräsident Mike Pence. Dass er zufälligerweise dort auch Trump treffen könnte, wurde schon vorher als nahezu ausgeschlossen eingeschätzt.

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