Azoulay wird neue Unesco-Chefin Neustart in Paris

Nach der Rückzugsankündigung der USA und Israel wählt die Unesco Audrey Azoulay zur neuen Chefin: Die frühere französische Kulturministerin wird die krisengeplagte Kulturorganisation die nächsten vier Jahre anführen.

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Die Französin konnte sich knapp gegen ihren katarischen Herausforderer durchsetzen. Quelle: AP

Genf Eine Französin für die Kultur: Audrey Azoulay (45) soll Generaldirektorin der krisengeplagten Bildungs- und Kulturorganisation Unesco werden. Nach einer turbulenten Woche mit der Austrittsankündigung der USA und Israel wählte der Unesco-Exekutivrat in Paris die frühere französische Kulturministerin für vier Jahre an die Spitze. Die elegante Azoulay mit den marokkanischen Wurzeln wird die Bulgarin Irina Bokowa ablösen, die Ende des Jahres abtritt. Azoulay schlug in einer Stichwahl Hamad bin Abdulaziz Al-Kawari aus Katar. Das Ergebnis: 30 Stimmen für Azoulay, 28 Stimmen für ihren Rivalen. Die Unesco-Generalkonferenz muss der Wahl Azoulays noch zustimmen – das gilt als Formsache.

Die neue Generaldirektorin steht nun vor einer Herkulesaufgabe: Sie muss die krisengeschüttelte Unesco wieder in ruhiges Fahrwasser lenken. Und sie muss dafür sorgen, dass die einstmals so stolze UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur sich auf ihre eigentliche Mission konzentriert. Vor allem der Konflikt zwischen arabischen Staaten auf der einen Seite sowie Israel und den USA auf der anderen Seite stürzte die Unesco in die Krise. Die Organisation verkam mehr und mehr zu einer Arena, in der sich die verfeindeten Parteien publikumswirksam einen diplomatischen Schlagabtausch lieferten.

Der Kampf gipfelte am Donnerstag in der Ankündigung der Amerikaner und der Israelis, der Unesco den Rücken zu kehren. Die Regierungen beider Länder werfen der Unesco gezielte anti-israelische Politik vor. Während die konsternierte Unesco-Generaldirektorin den Austritt der USA als großen „Verlust“ beklagte, jubelte der UN-Botschafter Israels, Danny Danon: „Wer Israel diskriminiert, der muss einen Preis zahlen.“

Zumal der Abschied der USA, der Ende 2018 vollzogen wird, die klamme Unesco hart trifft. Zwar zahlen die USA seit 2011 ihre Mitgliedsbeiträge nicht mehr. Die Rückstände türmen sich inzwischen auf mehrere hundert Millionen US-Dollar auf. Mit dem formalen Austritt schwindet aber in Paris jede Hoffnung auf neues Geld aus Washington. Das reguläre Budget für 2016/2017 beläuft sich auf 667 Millionen US-Dollar – de facto aber sind es durch die US-Verweigerung nur 518 Millionen US-Dollar.

Die Amerikaner drehten den Geldhahn zu, nachdem die Unesco 2011 die Palästinenser als vollwertiges Mitgliedsland „Palästina“ aufgenommen hatte. Die Entscheidung ließ den Streit zwischen Israel sowie den USA mit den arabischen Staaten erst richtig eskalieren.

Die Unesco-Gremien verabschiedeten immer neue Resolutionen mit scharfen Spitzen gegen Israel. Von arabischen Staaten eingebracht, lösten die Texte in Israel helle Empörung aus. Eine Resolution des Unesco-Exekutivrates über heilige Stätten in den Palästinensergebieten klang für die Israelis besonders perfide, weil, so ihr Vorwurf, das Jahrtausende alte jüdische Erbe Jerusalems in kalter Bürokratensprache geleugnet werde.

Die Kniffe der arabischen Autoren: Sie setzten durch, dass in dem Text die arabischen Bezeichnungen für Stätten wie den Tempelberg benutzt werden, nicht aber die hebräischen. Als dann die Unesco 2017 die Altstadt von Hebron in den Palästinensergebieten auf die Liste der Welterbestätten setzte, schimpfte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu über die „wahnhafte Entscheidung“ und kürzte die Beiträge seines Landes an die UN.

Nicht minder aufgebracht reagierte Israels Regierung auf die Nominierung von Hamad bin Abdulaziz Al-Kawari als Kandidat für den Unesco-Chefposten. Al-Kawari gilt vielen Israelis und jüdischen Organisationen als glühender Antisemit. Deshalb verlangte Shimon Samuels, internationaler Direktor des Wiesenthal-Zentrums, vom Vorsitzenden des Unesco-Exekutivrates, Michael Worbs, zu handeln. Worbs müsse dafür sorgen, dass Al-Kawari von der Bewerber-Liste für den Chefposten der Unesco gestrichen werde. Der frühere Kultusminister Katars habe Bücher vertrieben, in denen gegen Juden gewettert werde. Al-Kawari habe offensichtlich die Sprache eines der schlimmsten Antisemiten überhaupt unterstützt: Joseph Goebbels, der Propagandaminister Adolf Hitlers. Immerhin: Al-Kawari wird nicht neuer Unesco-Chef.

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