Angela Merkel übt gerade eine Gratwanderung der besonderen Art. Im kalten Krieg 2.0 zwischen Peking und Washington versucht sie, nicht zwischen die Fronten zu geraten. So auch im jüngsten Kapitel im Duell der Supermächte. Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, schrieb vor wenigen Tagen einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Darin drohte er mit Einschränkungen in der Geheimdienstzusammenarbeit, sollten chinesische Firmen am Ausbau des neuen 5G-Mobilfunks beteiligt werden. Gemeint war damit der umstrittene Technikriese Huawei. Sicherheit im digitalen Bereich sei „ein sehr hohes Gut“, erwiderte Merkel am vergangenen Dienstag in Berlin. „Deshalb definieren wir für uns unsere Standards.“
Die Replik auf Grenell hätte eigentlich schärfer ausfallen müssen. Dass ein US-Botschafter einem Regierungsmitglied droht, liegt für einen Diplomaten hinter jeder roten Linie. Zumal es nicht das erste Mal ist. Donald Trumps Terminator fiel schon öfters unangenehm auf. Bereits im vergangenen Jahr mutierte er vom Botschafter zum Agitator, als er die Stärkung „anderer Konservativer“ in Europa zu seinem wichtigsten Anliegen erklärte. Wer damit gemeint war, wusste fast jeder. Der Rest konnte es auf dem Rechtsaußen-Portal Breitbart nachlesen, wo als Chef einst Trump-Berater Steve Bannon amtierte.
Damit nicht genug. Grenell sorgte im Januar für einen weiteren Eklat. Er hetzte gegen das russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2, das Deutschland mit Gas versorgen soll. Den beteiligten Firmen drohte er mit Sanktionen.
Und jetzt eben Huawei. Der Technikriese steht im Verdacht, Teil von Chinas Spionagesystems zu sein. Beweise gibt es zwar keine, aber klar ist, dass Pekings Parteigranden im Ernstfall auf Huawei zugreifen würden – auch wenn der Konzern das bestreitet. Das gibt allerdings weder den Amerikanern und schon gar nicht ihrem Botschafter das Recht, hierzulande per Drohbrief eine gewünschte Sicherheitsarchitektur zu erpressen. Und schließlich stammen die Hackerangriffe nicht nur aus Russland und China – sondern kommen auch von drüben.
Grenells größtes Verdienst als Diplomat wäre sein Abgang. Es könnte ein Lichtblick in der gestörten transatlantischen Freundschaft sein. Nur leider dürften es die Deutschen nicht wagen, darauf zu drängen. Der Preis für die Wirtschaft wäre zu hoch, weiß Merkel. Da drohen ja noch ein paar Autozölle.




