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China rettete deutsche Konzerne vor dem Coronaabsturz. Deren Abhängigkeit ist nun so groß wie noch nie. Das Regime wird es zu nutzen wissen. Quelle: dpa

There is no free lunch in Beijing

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

China rettete deutsche Konzerne vor dem Coronaabsturz. Deren Abhängigkeit ist nun so groß wie noch nie. Das Regime wird es zu nutzen wissen.

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In Troisdorf erzählt man sich eine unglaubliche Geschichte. Sie handelt von einer Einkäuferin eines chinesischen Staatsunternehmens. Die Frau tauchte dort im Dezember 2019 auf, mitten im Zentrum der deutschen Vliesproduktion. Sie wollte große Mengen für die Herstellung von Masken kaufen. Verheimlichte China also wochenlang eine Covidseuche vor der Weltöffentlichkeit und wollte sich heimlich mit Schutzausrüstung eindecken, fragen sich die Troisdorfer heute?

Ob das exakt der Wahrheit entspricht, weiß keiner, aber der Verdacht sagt alles. Kaum einer traut Peking über den Weg. Das mag unfair sein, aber liegt in der Natur der Sache. Unterdrückte Uiguren, Tibeter und Hongkonger, Sozialpunktesystem und Überwachungsstaat, massenhaft inhaftierte Journalisten und Blogger, das jahrzehntelange Abgreifen ausländischer Technologie und die (bislang unbelegten) Spionagevorwürfe gegen Huawei haben das Bild eines skrupellosen Reichs geprägt, das jetzt die Supermacht USA herausfordert. Zwar entspringt einiges davon Washingtons Propaganda, aber eben nicht alles. Der Rest liefert Stoff für geopolitische Albträume.

In deutschen Chefetagen interessiert sich freilich keiner dafür. Betrunken vor Freude, dass der chinesische Markt das Geschäft vor dem Coronaabsturz rettete, verdrängt man die entscheidende Frage: Was ist der Preis für das Wachstumswunder? Antwort: There is no free lunch in life – besonders in Peking. Abhängigkeit wird garantiert als Waffe genutzt – nur das Wie und Wann ist offen.

Die Australier müssen das gerade schmerzhaft erfahren. China ist ihr Exportland Nummer eins. Weil sie die 5G-Technologie boykottieren und den Ursprung des Virus untersuchen wollen, rächt sich Peking mit einem brutalen Handelskrieg im Donald-Trump-Stil. Bis zu 212 Prozent Zoll auf australische Weine sind dabei noch das kleinste Problem.

China ist auch Deutschlands wichtigster Handelspartner. Und einige Dax-Konzerne sind inzwischen so eng mit China verwachsen, dass es kein Zurück gibt. Wird Peking eines Tages den Spieß umdrehen und ihnen die Geschäftsstandards diktieren? Oder sie gar mithilfe heimischer Firmen aus dem Markt drängen? Autobosse wie VW-Chef Herbert Diess oder Daimler-Chef Ola Källenius wollen das nicht glauben. Sie verlassen sich auf Markenwert, Innovationskraft und Servicequalität ihrer Konzerne. Vielleicht sollten sie besser auf die misstrauischen Troisdorfer hören.

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Mehr zum Thema: In China jammern deutsche Firmen auf hohem Niveau

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