Barack Obama in Deutschland Nicht die große Liebe

Zum letzten Mal macht Obama als Präsident Station in Deutschland. Romantisch war die Beziehung zwischen ihm und Merkel nie – eher pragmatisch und fordernd. So dürfte es auch in Hannover werden. Auf beiden Seiten.

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Ein legendäres Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama beim G7-Tratsch in München. Quelle: AP

Berlin/ Washington Freunde sind sie nicht geworden. Auch nicht enge Vertraute, wenngleich sie einen kurzen Draht zueinander haben. Ihr Umgang ist professionell, nicht herzlich. Daran wird sich in ihren Amtszeiten auch nichts mehr ändern. An diesem Sonntag und Montag ist Barack Obama voraussichtlich das letzte Mal als US-Präsident in Deutschland. Er kommt zur Hannover Messe, wo ihn Kanzlerin Angela Merkel durch die Hallen führen wird. Vorher empfängt sie ihn im Schloss Herrenhausen zum Gespräch.

So romantisch wie einst im Rosengarten des Weißen Hauses kann diese Begegnung nun nicht werden. Merkels Auszeichnung mit der Freiheitsmedaille der USA durch Obama an einem lauen Sommerabend 2011 wird vielleicht der schönste Moment im gemeinsamen politischen Leben der beiden bleiben.

Der erste schwarze US-Präsident würdigte die erste Frau und erste Ostdeutsche an der Spitze des Kanzleramts als Freiheitskämpferin. Merkel sagt damals: „Europa und Deutschland haben keinen besseren Partner als Amerika.“ Und: „Den heutigen Tag werde ich nicht vergessen.“

Das mit dem besten Partner sah zwischenzeitlich etwas kritischer aus. 2013 wird bekannt: Der US-Geheimdienst NSA hörte Merkels Handy ab. Merkel ließ danach in Reden den Superlativ für die USA öfter weg.

Auch kurz vor dem Treffen am Sonntag spricht die Bundesregierung wieder nur von einem „sehr wichtigen Partner“. Dennoch ließ Merkel grundsätzlich keinen Zweifel daran, dass die USA der wichtigste Verbündete sind, dass Deutschland immer für die Hilfe beim Aufbau der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg dankbar sein wird.

Die Themenliste für das Gespräch am Sonntag ist lang: Die Flüchtlingskrise und der gefährdete Zusammenhalt der Europäischen Union (EU) einschließlich der Debatte in Großbritannien über einen EU-Austritt, die Terrorgefahr durch die Terrormiliz Islamischer Staat, die gestörten Beziehungen zu Russland, der Ukraine-Konflikt, die heikle Zusammenarbeit der Geheimdienste, das geplante und in Deutschland höchst umstrittene EU-USA-Handelsabkommen TTIP, der VW-Abgas-Skandal, der Nahost-Konflikt, US-Drohnenkriege und und und.

Wo Obama schon mal da ist, hat Merkel für Montag unmittelbar vor seinem Abflug noch zu einer 5er-Runde geladen, sozusagen zu G7 minus Japan und Kanada. Teilnehmer neben Obama: Frankreichs Präsident François Hollande, Großbritanniens Premierminister David Cameron und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Auch dort soll über die Flüchtlingskrise gesprochen werden - und über TTIP.

Merkel hatte gehofft, dass über TTIP noch während Obamas Präsidentschaft entschiedet wird. Die Bundesregierung verspricht sich von der geplanten größten Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen eine weitere Ankurbelung der deutschen Wirtschaft. Doch der Widerstand von Bürgern in Deutschland ist heftig.


Für Deutschland wird es ungemütlich

Viele sind beunruhigt, weil über das Abkommen weitgehend geheim verhandelt wird. Sie befürchten eine Absenkung europäischer Standards und Klagen internationaler Großkonzerne vor privaten Schiedsgerichten, wenn ihnen in Deutschland etwas nicht passt.

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass unter dem TTIP-Projekt noch Obamas Unterschrift stehen wird. TPP war dem Präsidenten zuletzt viel wichtiger, das pazifische Pendant zu TTIP. Obama hat die Wichtigkeit Asiens für sein Land so sehr betont, dass viele Europäer diese Hinwendung als Liebesentzug des großen Verbündeten verstanden.

Ein speziell begründetes Interesse an Europa, namentlich an Deutschland, hat Obama nie gehabt. Es steht nicht zu vermuten, dass die jetzige Reise dem nicht sehr dicken Kapitel der deutsch- amerikanischen Beziehungen von Obamas bisher gut siebenjähriger Amtszeit entscheidende Seiten hinzufügt. Dafür lernt er nun Hannover kennen.

Die Stadt an der Leine, und nicht die Hauptstadt, dürfte die letzte Station des US-Präsidenten Obama in Deutschland sein. In Berlin war er überhaupt nur einmal: 2013 hielt er am Brandenburger Tor eine Rede, was ihm Merkel fünf Jahre zuvor verwehrt hatte. Damals war er noch Präsidentschaftskandidat gewesen.

Zum Demokraten Obama blieb die Christdemokratin erst einmal auf Abstand. Politiker wie Obama, in dessen Charisma und Redegewalt damals Millionen von Menschen so große Hoffnungen setzten, beobachtet Merkel erst einmal aus der Distanz. Ein wenig kühl ist ihr Verhältnis zu Obama geblieben. Bis heute.

Obamas Popularität ist bei den Deutschen generell rapide gesunken. Viele werden nun bereits an ihm vorbeischauen: Wer kommt danach? Was wird der oder die Neue wollen? Wie sähen die USA unter einem Donald Trump aus, oder unter Hillary Clinton? Es wird in jedem Fall ungemütlicher werden für Deutschland, außenpolitisch wird Washington wieder härter auftreten, mehr von den Verbündeten wollen.

Der mitunter bizarre Wahlkampf und der Stand der Vorwahlen lassen tief blicken in den nicht sehr gesunden Zustand der politischen Kultur in den USA. Vieles davon beunruhigt die europäischen Partner der letzten verbliebenen Supermacht zutiefst. Es könnte gut sein, dass die Deutschen Barack Obama noch sehr vermissen werden.

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