US-Präsident Barack Obama hat die massive militärische Unterstützung Russlands für die syrischen Regierungstruppen im Bürgerkrieg kritisiert. Es sei an der Zeit für die russische Regierung zu zeigen, dass ihr wirklich daran gelegen sei, die verfahrene Situation in Syrien zu beenden, sagte Obama am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Pentagon.
Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit fünf Jahren. Die Krise ist auch deshalb schwer zu lösen, weil es zahlreiche Akteure mit eigenen Interessen gibt.
Russland ist der wichtigste Unterstützer des syrischen Regimes. Offiziell geht es der Regierung darum, den Terrorismus zu bekämpfen. Tatsächlich haben russische Luftangriffe vor allem das schwankende Regime von Staatschef Baschar al-Assad stabilisiert. Moskau will nicht unbedingt Assad als Machthaber, aber zumindest sein Regime halten. Washington führt seinerseits ein internationales Bündnis zur Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
US-Außenminister John Kerry hatte in den vergangenen Wochen mit der russischen Seite über einen Plan gesprochen, wonach die USA mit Russland Geheimdienstinformationen und Details über Angriffsziele austauschen würden. Im Gegenzug müsste Moskau Angriffe auf von den USA unterstützte Rebellen unterlassen. Vertreter des Pentagons sowie der CIA zeigten sich dem Vernehmen nach skeptisch über die Kooperation.
Obama sagte, alles hänge davon ab, ob es gelinge, eine dauerhafte Waffenruhe durchzusetzen. „Ich bin nicht überzeugt davon, dass wir den Russen oder Wladimir Putin vertrauen können. Deshalb müssen wir testen, ob wir eine echte Waffenruhe bekommen können.“ Daran werde man die Regierung in Moskau messen. „Wenn es nicht gelingt, dann hat Russland sehr deutlich gezeigt, dass es auf der internationalen Bühne ein verantwortungsloser Akteur ist, der ein mörderisches Regime unterstützt (...)“, erklärte der Präsident.
Schon im Februar hatten die USA und Russland eine Waffenruhe erreicht, die jedoch immer wieder gebrochen wurde. Besonders dramatisch ist die Lage derzeit in der nordsyrischen Stadt Aleppo. Seit mehr als zwei Wochen sind bis zu 300 000 Menschen im Osten der einstigen Handelsmetropole von der Außenwelt abgeschnitten. Das Assad-Regime und seine Verbündeten hatten die letzte Versorgungsroute in den Teil der Stadt gekappt.
Auch am Donnerstag gingen die heftigen Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und Aufständischen weiter. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab es zudem mehr als 40 Luftangriffe in Aleppo und der Umgebung.