Barry Eichengreen "Banken mitschuldig"

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 Warum ist ein Schuldenschnitt statt weiterer Hilfen für Griechenland so wichtig für die Zukunft der Europäischen Union?

Das Schuldenproblem hat nicht einzig und alleine Griechenland verursacht. Es braucht immer zwei, um Tango zu tanzen. Die Banken, die unbedacht weiter Kredite vergaben, tragen eine Mitschuld. Wir haben es leider in Amerika verpasst, unseren Banken nach der Finanzkrise eine schmerzhafte Lektion zu erteilen. Die Europäer sollten es besser machen.

Falls die Restrukturierung kommt, wären die Griechen einen Teil ihrer Schulden los. Doch das ist auch alles. Wie soll diese Volkswirtschaft wachsen?

Griechenland braucht Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Ich meine nicht nur niedrigere Löhne, sondern auch niedrigere Einstellungs- und Kündigungskosten. Die hohen Pensionen sind ebenfalls ein Problem. Tourismus wird ein wichtiger Wirtschaftszweig bleiben, aber das Land muss ebenfalls das verarbeitende Gewerbe und die maritime Wirtschaft stärken. Mir kam jüngst ein Beispiel dafür zu Ohren: Griechische Montagefirmen arbeiten mit israelischen High-Tech-Firmen zusammen.

Es gibt Gerüchte, Griechenland erwäge eine Rückkehr zur Drachme?

Diese Gerüchte sind absolut unbegründet. Sollte die Regierung eine Rückkehr zur Drachme planen, gäbe es in Griechenland eine riesige Kapitalflucht, und das ganze Bankensystem würde zusammenbrechen.

Die Griechen sind bekanntlich nicht die Einzigen mit Problemen. Auch Irland und Portugal sind unter den Rettungsschirm gehuscht. Wie groß ist die Gefahr, dass Spanien als Nächstes bei der Europäischen Union um Hilfe betteln muss?

Für Spanien bin ich aus zwei Gründen optimistisch. Erstens ist hier die Gesamtverschuldung viel niedriger als in den anderen drei Ländern. Zweitens besteht die Hälfte des spanischen Bankensystems aus zwei Großbanken, die ihre Geschäfte vorrangig in Lateinamerika machen. Sie sind also kaum von den Problemen im eigenen Land betroffen.

Was ist mit der anderen Hälfte?

Für die sieht es wirklich schlecht aus. Aber wenn nur die Hälfte des Bankensystems in der Krise steckt, ist das halb so schlimm. Zudem sind die Spanier deutlich strenger, was Reformen angeht. Sollte es zu einem Insolvenzverfahren in Griechenland nach dem Brady-Plan kommen und die Eigenkapitalstruktur der Banken gestärkt werden, bin ich sehr zuversichtlich. Natürlich kann ich für nichts garantieren, aber ich erwarte, dass die Staatsschuldenkrise in Portugal endet.

Bis wann wird Portugal die Krise überwunden haben?

Sicher nicht in den nächsten zwei Jahren. Der Plan, auf den sich die Portugiesen mit dem IWF und der EU geeinigt haben, sieht vor, dass sie ihr Defizit rasch abbauen. Doch das reicht nicht. Es müssen die nötigen Reformen auf den Weg gebracht werden, besonders auf dem Arbeitsmarkt. Die Portugiesen haben sehr große Probleme in ihrem Bildungssystem; sie haben hier in der Vergangenheit einen miserablen Job gemacht. Es wird lange Zeit dauern, bis sie dieses Problem in den Griff bekommen werden.

Was ist der größte Konstruktionsfehler in der Europäischen Währungsunion?

Die Euro-Zone hat eine gemeinsame Währung, einen gemeinsamen Finanzmarkt und 17 verschiedene Bankenaufsichten. Das ist Wahnsinn! Es ist die irrsinnigste Konstellation, die man sich vorstellen kann. Und es passierte, was passieren musste: Die Banken gerieten außer Rand und Band. Der Verschuldungsgrad der Banken in der Euro-Zone ist der größte weltweit.

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