Belästigungsvorwürfe gegen Trump Der unverwundbare Mann im Weißen Haus

Insgesamt 17 Frauen werfen Donald Trump sexuelle Übergriffe vor. Ermutigt von den Folgen des Weinstein-Skandals versuchten drei von ihnen am Montag, den Druck auf den US-Präsidenten zu erhöhen – vergeblich. Ein Kommentar.

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Es gibt insgesamt 17 Frauen, die seit 1980 sexuelle Übergriffe von Trump erlebt haben wollen. Quelle: Reuters

Donald Trumps grauenhaftes Verhalten ist wohl dokumentiert. Er prahlte in der Vergangenheit, wie Frauen „alles mit sich machen lassen“, wenn man nur reich und berühmt genug ist. Er gab freimütig zu, dass er sie ohne Vorwarnung bedrängte, „ich mache das einfach, ohne abzuwarten“. Es gibt insgesamt 17 Frauen, die seit 1980 sexuelle Übergriffe von Trump erlebt haben wollen. Die Vorwürfe reichen von Voyeurismus über ungewollte Berührungen bis zu aufgezwungenen Küssen. Doch die vielen Details, die Zeugen, die Audiomitschnitte des Ex-Immobilienmagnaten und heutigen US-Präsidenten genügen nicht, um Trump ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen. Und dabei wird es bleiben.

Am Montag versuchten drei der mutmaßlichen Opfer, den Druck auf Trump zu erhöhen. Ermutigt von den Folgen des Harvey-Weinstein-Skandals und mit einer Filmproduktionsfirma im Rücken, bekräftigten sie auf einer Pressekonferenz in New York bereits bekannte Vorwürfe gegen den Präsidenten. Die frühere Schönheitskönigin Samantha Holvey beschrieb, wie Trump durch den Backstagebereich stromerte und die halbnackten Bewerberinnen überraschte. „Er starrte uns an, als ob wir Fleisch sind, als ob er uns besitzt“. Jessica Leeds war als junge Frau an Bord eines Fliegers und aß nach einem Upgrade in die First Class mit Trump zu Abend. Dort überwältigte, küsste und begrapschte er sie, so Leeds. Rachel Crooks arbeitete als 22-Jährige im Trump Tower. Eines Morgens küsste er sie auf dem Weg zum Fahrstuhl unvermittelt auf den Mund. „Ich war in Schock. Ich habe mich bedroht gefühlt, als ob ich keine Wahl hatte.“

Die Aufmerksamkeit war ihnen, trotz des Bombenattentats in New York am Montagmorgen, gewiss. Schließlich werden die USA seit Wochen von den Folgen des Weinstein-Skandals erschüttert. Es kam zu zahlreichen Rücktritten in Wirtschaft und Entertainment-Industrie, vereinzelt auch in der Politik. Die beschriebenen Vorfälle erinnern an das, was man Weinstein und anderen mutmaßlichen Tätern vorwirft. Und doch wird von dem Auftritt der drei Frauen kaum mehr übrig bleiben als ein Gefühl des Unwohlseins und der Resignation.

Denn die US-Bürger haben sich vor etwas mehr als einem Jahr entschieden, dass ihnen Trumps Verhalten nichts ausmacht. „Die Wähler wussten doch Bescheid“, sagte der republikanische Senator Tim Scott, und so zynisch das klingen mag: Er hat Recht. Schon im US-Wahlkampf kursierten die Vorwürfe in all ihrer Schwere. Sie standen Trump nicht im Weg, im Gegenteil: Wer hoffte, die #metoo Debatte würde nachträglich ein Krisen-Momentum für den Präsidenten entfalten, hat sich getäuscht. Der mächtigste Mann der Welt ist in dieser Hinsicht unverwundbar. Er wurde durch das Votum seiner Anhänger unverwundbar gemacht.

Eine überparteiliche Untersuchung im US-Kongress würde allenfalls zustande kommen, wenn sich die öffentliche Stimmung spürbar dreht, etwa durch neue, signifikante Vorwürfe gegen Trump. Doch darauf deutet derzeit nichts hin. Selbst das kritische Statement der Uno-Botschafterin Nikki Haley (die besagten Frauen hätten „jedes Recht, sich zu äußern“) bekräftigt im Grunde nur das Offensichtliche, den Minimalkonsens – im Wissen, dass Trump bis auf weiteres keinen Schaden davontragen wird. Selbst die Demokraten schaffen es nicht, die Angriffsfläche zu nutzen: Sie haben mit Belästigungsvorwürfen in den eigenen Reihen zu kämpfen, sexuelle Gewalt und Sexismus kennt keine Parteigrenzen. Wegen des scheinheiligen Umgangs mit Bill Clintons Affäre in den Neunzigern haben sie aber ohnehin ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Es ist trotzdem richtig, zu diesem Zeitpunkt ins Rampenlicht zu gehen und einen „neuen Versuch“ zu starten, wie eine der Frauen es ausdrückte. Sie reagierten souverän auf Fragen, die klassisches victim blaming enthielten, etwa: Muss man Anzüglichkeiten nicht aushalten können, wenn man an einem Schönheitswettbewerb teilnimmt? Man kann nie genug daran erinnern, dass keine individuelle Entscheidung der Welt sexuelle Übergriffe und Belästigung rechtfertigt. Und dass der Mann im Weißen Haus chronisch gegen diesen Grundsatz verstoßen hat.

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