Kanzlerin Angela Merkel mag es nicht, wenn andere Politiker öffentlich abgestempelt werden, bevor sie überhaupt ihr Amt angetreten haben. Sie hält derartige Vorverurteilung für eine Verrohung der politischen Sitten. Selbst wenn Politiker sich so disqualifizieren wie etwa Brexit-Rüpler Boris Johnson, wird man von der Kanzlerin kein böses Wort vernehmen, ehe sie dem neuen britischen Außenminister selbst begegnet ist (und danach vermutlich auch nicht). Merkel begrüßte auch Alexis Tsipras als griechischen Premier mit ausgesuchter Höflichkeit, ganz gleich, wie lautstark dieser im Wahlkampf auf Athener Straßen über die Deutschen geschimpft hatte. Erst mal abwarten, wie sie wirklich sind, so scheint die Merkel’sche Devise zu lauten, Offenheit ist Trumpf.
Für einen politischen Vertreter gilt diese Aufgeschlossenheit jedoch nicht, und er kommt ausgerechnet aus dem wichtigsten deutschen Partnerland, den USA: Donald Trump. Zwar sind auch zum exzentrischen Hoffnungsträger der Republikaner offiziell keine bösen Worte zu vernehmen. Doch inoffiziell lässt Merkels Umfeld keinen Zweifel daran, dass man – anders als bei anderen schwierigen Partnern – bislang jede Befassung mit dem Amerikaner vermeiden will. Man setzt darauf, dass Trump ein böser Kandidatentraum bleibt, mit sehr geringen Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus.
Eine kurze Umfrage unter drei der besten Kenner des transatlantischen Verhältnisses spiegelt wider, wie komplett die Kontaktsperre bislang ist. „Gute Frage“, schreibt eine Expertin auf die Anfrage, ob es Kontakte zwischen deutschen Politikern und dem Trump-Lager gebe. „Vielleicht Markus Söder?“, fügt sie hinzu, versehen mit einem Smiley. Ein anderer scherzt zynisch, außer den Anleihen bei Nazi-Hetzer Joseph Goebbels, die Trump offenbar nehme, sei ihm nichts Deutschlandrelevantes bekannt. Und ein weiterer wirft die Frage auf, ob je ein deutscher Politiker dem umstrittenen Kandidaten die Hand geschüttelt habe.
Umgekehrt gilt, dass Trump sich herzlich wenig um Deutschland schert – außer wenn er das Land als neuen Standort der Apokalypse zeichnen kann, überrannt von Flüchtlingen aus aller Welt. Der Republikaner hat auch nicht versucht, wie einst Kandidat Barack Obama, seine außenpolitische Reputation durch eine große Reise aufzufrischen, er fuhr lieber auf seinen eigenen Golfplatz in Schottland. Käme Trump nach Deutschland, würde er sich wahrscheinlich eher auf der Kölner Domplatte positionieren als vor der Berliner Siegessäule und an die Sexattacken durch Migranten in der Silvesternacht erinnern.
Es gibt niemanden in seiner Umgebung mit nennenswerter Deutschlanderfahrung, was bei Rivalin Hillary Clinton natürlich ganz anders ist. Sie kennt die meisten Akteure der hiesigen Politik persönlich und verfügt über ein großes Netzwerk. Der amtierende US-Botschafter in Deutschland, John Emerson, hat schon für ihren Mann gearbeitet. Und Kandidatin Clinton informiert sich gezielt über die deutsche politische Landschaft.
Derzeit verfassen einige Deutschlandkenner etwa ein Memo für sie über die mutmaßlichen Themen im Bundestagswahlkampf. She eats this stuff up, sagen die Autoren, was frei übersetzt heißt, dass Clinton solche Infos mit Vorliebe verdaut. Bei Trump müsste man eher fürchten, dass er die Autoren auffrisst, die ihm etwas über Deutschland vorlegen.