Besuch bei May Beim Brexit bleibt Macron hart

Macron wurde seinem Ruf als Charmeur gerecht: Beim ersten Besuch bei der britischen Nachbarin May beschwor Frankreichs Präsident das gemeinsame Schicksal beider Länder. Nur in einem Punkt erteilte er eine klare Absage.

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Die britische Premierministerin May freute sich über das Gastgeschenk von Frankreichs Präsident Macron: ein historischer Teppich. Beim Brexit blieben beide hart. Quelle: Reuters

London Zu seinem ersten Besuch in Großbritannien brachte Emmanuel Macron ein ganz besonderes Gastgeschenk mit: Frankreichs Präsident kündigte an, dass der 68 Meter lange Teppich von Bayeux in den kommenden Jahren erstmals auf der Insel ausgestellt werden soll. Mit der Leihgabe setzt Macron seine Diplomatie der großen Gesten fort. Den US-Präsidenten Donald Trump hatte er vergangenes Jahr mit einer Militärparade am Nationalfeiertag beeindruckt, dem chinesischen Präsidenten Xi hatte er einen edlen Hengst geschenkt.

Nun also ein Stück Weltkulturerbe. Macron wollte so die tausendjährige Verbundenheit der beiden Nachbarn unterstreichen. „Der Brexit wird unsere enge Beziehung nicht zerstören“, versprach der Franzose. Geschichte und Geographie ließen sich nicht ändern. Britische Beobachter wiesen darauf hin, dass der Wandteppich an die letzte erfolgreiche Eroberung Englands erinnert. Er stellt die Invasion der Normannen unter Wilhelm dem Eroberer dar, die im Jahr 1066 mit der Schlacht von Hastings endet.

Die Gastgeberin freute sich dennoch. Es sei eine große Ehre, ein so kostbares Stück zu bekommen, sagte Theresa May nach dem Gipfeltreffen in der Militärakademie Sandhurst, der Offiziersschule der britischen Streitkräfte. Zuvor hatte die Premierministerin den Gast aus Paris zum Mittagessen ins „The Royal Oak“, ein historisches Pub mit Sterne-Küche, in ihrem Wahlkreis eingeladen.

May war vor allem daran gelegen, mit Macron einen entscheidenden Player in den Brexit-Verhandlungen auf ihre Seite zu ziehen. Sie will die EU-Partner dazu bringen, für die Zeit nach dem Brexit ein maßgeschneidertes Handelsabkommen zu beschließen, das Finanzdienstleistungen mit einschließt. So sollen britische Investmentfirmen den größtmöglichen Zugang zu europäischen Kunden behalten, ohne sich an alle Binnenmarktregeln zu binden. Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sind sich jedoch einig, diese Rosinenpickerei nicht zu gestatten.

In Sandhurst erteilte Macron May eine klare Absage. Er wolle Großbritannien nicht bestrafen, sagte er, sondern den Binnenmarkt erhalten. „Es sollte keine Heuchelei geben“, sagte der Präsident. Die britische Regierung habe die Wahl: Wenn sie vollen Zugang zum Binnenmarkt wolle, könne sie EU-Mitglied bleiben oder wie Norwegen Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums werden. Andernfalls gebe es nur ein Freihandelsabkommen mit entsprechend begrenztem Zugang.

Macron gilt in London als Hardliner, der hofft, aus dem Brexit Vorteile für Frankreich und die Euro-Zone herauszuschlagen. Das offene Werben um Londoner Banker wird ihm übelgenommen, seine Pläne für eine Vertiefung der Euro-Zone misstrauisch beäugt. Zugleich gilt er als neuer starker Mann, um den auf dem Kontinent kein Weg herumführt.

In Sandhurst waren beide Regierungschefs bemüht, die Sicherheitspartnerschaft der beiden europäischen Militärmächte zu betonen, die den Brexit überdauern werde. May kam ihrem Gast mit mehreren Zugeständnissen entgegen. Macron hatte auf Nachbesserungen beim Abkommen von Le Touquet gedrungen. Die Vereinbarung von 2003 sieht vor, dass die Passkontrollen auf beiden Seiten schon vor der Überquerung des Ärmelkanals stattfinden. So überprüfen britische Grenzer alle Einreisenden bereits in Calais, damit Flüchtlinge gar nicht erst englischen Boden betreten. Im Präsidentschaftswahlkampf hatte Macron gesagt, Frankreich wolle nicht länger Küstenwache für die Briten spielen. Doch inzwischen hat er das Abkommen akzeptiert und gibt sich mit kleineren Korrekturen zufrieden.

May sagte zu, weitere 50 Millionen Euro für Zäune, Sicherheitskameras und Infrarot-Technik an den Grenzanlagen in Calais zu zahlen. Auch wird Großbritannien mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Frankreich aufnehmen und bei der Bekämpfung der Fluchtursachen helfen. Nach der Räumung des wilden Flüchtlingslagers in Calais im vergangenen Jahr ist die Zahl der Migranten in der Stadt auf 700 gesunken. Die Situation sei noch nicht zufriedenstellend, sagte Macron. Mit dem „Vertrag von Sandhurst“ werde sie sich aber weiter verbessern.

Mays Entgegenkommen wurde von einigen Parteifreunden als Schwäche gedeutet. „Die Leute fragen sich zu Recht, warum wir noch mehr Geld nach Frankreich geben“, sagte der Tory-Abgeordnete Charlie Elphicke aus Dover. Der Abgeordnete Christopher Chope warf Macron gar Erpressung vor. May konterte, die Sicherung der Grenze in Calais sei im nationalen Interesse.

Es wird nicht das letzte Mal sein, dass May einen Kompromiss mit Macron schließen muss. Das Gipfeltreffen unterstrich die gegenseitige Abhängigkeit der Nachbarn. Die Grenze zwischen Dover und Calais ist einer der Knackpunkte in den Brexit-Verhandlungen - ähnlich wie die Grenze in Irland. Vor allem die drohenden Zollkontrollen machen allen Beteiligten Sorgen. Sollte Großbritannien wie angekündigt aus der Zollunion austreten, müssten an beiden Küsten Milliarden in Grenzanlagen investiert werden, um die mehr als vier Millionen Lastwagen abzufertigen, die hier jährlich den Ärmelkanal queren. Jede zusätzliche Kontrolle kostet Zeit, Unternehmen fürchten lange Staus.

Eine Lösung ist bisher nicht in Sicht. Doch sagte Macron, man werde auch nach dem Brexit Herausforderungen gemeinsam angehen. „Wir werden einen neuen Teppich weben.“

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