Bettina Röhl direkt

Das Ende der Demokratie am Beispiel der Krim

Bettina Röhl Publizistin

USA und Europa sind angesichts des russlandfreundlichen Referendums der Krim in eine blinde Sanktionswut verfallen. Das Völkerrecht, die Demokratie und selbst die eigenen Interessen werden vom Westen mit Füßen getreten.

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Die EU mischt sich überall ein und lässt ihren Bürgern nur noch die Freiheit ihrer Meinung zu sein. Quelle: dpa

Das derzeit viel gequälte Völkerrecht ist keinen Pfifferling mehr wert. Es hatte nie eine Bedeutung, die wirklich über die einer moralischen Propagandaformel hinausging. Schade.

Wie völkerrechtsgemäß war eigentlich der Verwaltungsakt des nach Stalin vergleichsweise kommoden UdSSR-Diktators Nikita Chruschtschow der - selber Ukrainer - 1954 die Krim in einem Verwaltungsakt der Ukraine willkürlich zuschlug? Sicher wollte Chruschtschow, der in seiner Amtszeit davon ausging, dass Russland und die Ukraine nie wieder durch eine Landesgrenze getrennt würden, seine höchst persönliche Hausmacht im Riesenreich der UdSSR festigen, in dem er sich bei seinen Landsleuten, den Ukrainern, mit einem Stückchen Erde beliebt machte. Mit einem Stückchen Erde, das in der jüngeren Geschichte mal den Türken, mal den Russen gehörte, das mal eher selbstständig war und mal auch die Begehrlichkeiten der Engländer und Franzosen weckte, die die Russen vor 150 Jahren von der Krim verdrängen wollten und deshalb die damals bröckelnde osmanische Herrschaft über die Krim zu stärken versuchten. Ja ja, die Südhälfte der Krim hat ein schönes mediterranes Schwarzmeerklima, perfekt für einen schönen Urlaub und ein bisschen Krimsekt dazu.

Späte Chance für die Schotten

Mit dem Untergang der Sowjetunion ging eine Verfestigung der staatlichen Bande zwischen der Ukraine und der Krim einher. Ob diese Verfestigung rechtsethisch, völkerrechtlich so absolut, so für ewig in Blei gegossen ist, dass sie selbst durch eine demokratische Entscheidung völkerrechtskonform nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden könnte, ist eine interessante Frage.

1587 ließ Elisabeth I., die zu ihrer Zeit persönlich das Völkerrecht darstellte, ihre Widersacherin, Maria Stuart, ungern, aber kurzerhand enthaupten, um die Schotten, die damals gewiss mehrheitlich dagegen waren, unter die englische Krone zu zwingen. So könnte man das Geschehen zusammenfassen, wenn man das Dynastien-Wirrwarr einmal beiseite lässt. Heute, 450 Jahre später, erhalten die schottischen Separatisten vielleicht die Chance ihr Schottland von England in welcher Form auch immer zu lösen.

Nicht nur die Ukraine ist in ihrer heutigen Form ein Kunstgebilde der kommunistischen, untergegangenen Sowjetunion. Auch die Tschechoslowakei, die erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden war,  war ein solches Konglomerat, das sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 demokratisch selbst in zwei Teile zerlegte, nämlich in Tschechien und die Slowakei.

Die in der westlichen Geschichtsschreibung wenig bekannten Macht-und Gebietswanderungen und teils auch Völkerwanderungen in Gestalt sowjetischer Umsiedlungen (und auch schon früher), die auch die Ukraine mehrfach in ihrem Bestand und in ihrem Selbstverständnis veränderten, darf man historisch, kulturell und auch völkerrechtlich nicht ganz außer Acht lassen. Die Ukraine und Russland sind irgendwie zwei Brüder, die sich mögen und die sich im Moment behaken. Aber fest steht, dass es sich um zwei sehr ähnliche Brüder handelt. Sprachlich, kulturell und historisch.

Einmischung in innere Angelegenheiten

Der Westen, der sich in den vergangenen Jahren nicht entschließen konnte, die Ukraine wirtschaftlich angemessen zu unterstützen, hat sich, und dies in einer sehr undurchsichtige Art und Weise, aufgemacht  in der Ukraine Politik zu machen. Einmischung in innere Angelegenheiten nennt man das wohl. Jedenfalls ist der Westen nicht ganz unbeteiligt an dem Geschehen auf dem über Nacht berühmt gewordenen Maidan. Und der Westen ist auch nicht ganz unbeteiligt daran, dass er jetzt mit einer sogenannten Übergangsregierung, deren Legitimation auf recht schwachen Füßen steht, politische Geschäfte machen muss und macht.

Zweifelhafte Neuwahlen

Soldaten besetzen die Krim
Militärisches Personal, vermutlich russische Streitkräfte, außerhalb ukrainischen Territoriums Quelle: REUTERS
Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow hat von einer Invasion und Besetzung durch russische Soldaten gesprochen. 6000 russische Soldaten befinden sich mittlerweile in der Ukraine. Die Regierung in Moskau hat sich im jüngsten ukrainischen Machtkampf auf die Seite des inzwischen abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch gestellt, der sich gegenwärtig in Russland aufhält. Quelle: REUTERS
Doch stehen die Ukrainer nicht geschlossen gegen die russische Invasion. Auf der Krim gibt es eine bedeutsame pro-russische Bewegung. Das Parlament in Kiew hatte vor kurzen ein Sprachengesetz abgeschafft, das besonders die russische Minderheit - auch auf der Krim - geschützt habe, so Russlands Außenminister Tschurkin. Quelle: REUTERS
Die Ukraine hat die Streitkräfte auf der Halbinsel Krim in Alarmbereitschaft versetzt. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk erklärte aber, sein Land werde sich nicht durch russische Provokationen in einen militärischen Konflikt ziehen lassen. Quelle: AP
Trotz der Militär-Invasion geht das Leben in der Krim aber weiter. Vor einer Lenin-Statue küsste sich heute ein frisch-vermähltes Paar. Quelle: REUTERS
Truppen in nicht gekennzeichneten Uniformen stehen vor einer Behörde in der Kleinstadt Balaklava vor den Toren Sevastopols. Lediglich ein Enblem auf einem der Fahrzeuge zeigt, dass es sich um Mitglieder des russischen Militärs handelt. Quelle: AP
Die Lage auf der Krim ist trotz diplomatischer Bemühungen auch am Sonntagmorgen weiter angespannt. Barack Obama hat in der Nacht eineinhalb Stunden mit Putin telefoniert und zum Truppenabzug aufgefordert. Doch der russische Präsident hält weiter Stellung auf der Krim. Quelle: AP

Das Amtsenthebungsverfahren gegen den geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch, das hoffentlich rechtsstaatlich durchgeführt werden wird, ist weit von einem befriedigenden Abschluss entfernt. Deswegen sind auch die angesetzten Neuwahlen, zu denen es keine Alternative gibt, von rechtlichen und ethischen Zweifeln überschattet.

Jedenfalls ist die Tatsache, dass der Westen jetzt zu einem nur noch Gebrüll zu nennenden Gedrohe und Geschimpfe und Geschnaube angesetzt hat, vordergründig peinlich. Die Krim, mehrheitlich von Russen oder russisch stämmigen Bürgern bewohnt, hat am 16.3.2014 eine demokratisch machtvolle Revolution erlebt. In dem kurzfristig anberaumten Referendum entschieden sich deutlich über 95 Prozent der wahlberechtigten Bürger für einen Anschluss der Ukraine an Russland. Die Wahlbeteiligung lag bei demokratisch hohen 80 Prozent.

Nun hat nicht die Ukraine als Ganze über die Abspaltung der Krim demokratisch entschieden, sondern es haben nur die betroffenen Bürger der Krim für eine Loslösung von der Ukraine votiert, aber was soll ein Staatsvolk, das sein Staatsgebiet kraft seines Staatswillens für selbstständig erklären möchte anderes tun, als den Separationswillen auf höchst demokratische Weise zum Ausdruck zu bringen?

Völkerrecht ist keine absolute Institution

Um auf das Gebrüll zurück zu kommen: Von Obama bis zu allen EU-Regierungschefs tönt es im Brustton der Überzeugung: Völkerrechtswidrig, völkerrechtswidrig, völkerrechtswidrig! Das viel gequälte Völkerrecht hört allerdings ohnehin in seiner Bedeutung auf, wo Staaten Atomwaffen haben und ergo machen, was sie wollen und es hört da auf, wo die großen Rohstoffvorräte beginnen. Nein, das Völkerrecht ist, wie jedes Recht keine absolute Institution, sondern ein Machtfaktor der Auslegung. Und der Westen hat sich zu der Auslegung des Völkerrechts zusammen gefunden, dass das vom russischen Regierungschef Putin anberaumte Referendum auf der Krim völkerrechtswidrig wäre. Na bitte!

Die militärische Einmischung des Westens 1998 im untergegangenen Jugoslawien war nach allgemeiner Einschätzung völkerrechtswidrig. Aber nach ebenso allgemeiner Auffassung war diese durch die höhere Menschlichkeit des konkreten Militäreinsatzes, der die Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien beenden sollte, legitimiert.

Obama ist gescheitert

Obamas Nahostpolitik darf man, milde ausgedrückt, als gescheitert bezeichnen und dies von Anbeginn seiner ersten Amtszeit an. Der von ihm angeführte Militärschlag gegen Libyen ist nicht einmal durch Opportunitätsgesichtspunkte zu rechtfertigen gewesen. Und übrigens: Nicht alles, was die Uno oder der Uno-Sicherheitsrat beschließen, ist deswegen substanziell völkerrechtskonform, allenfalls formaljuristisch. Wer sich anschaut wie Uno-Beschlüsse zustande kommen, der kommt schnell ins Grübeln. Handelt es sich vielleicht um Völkerrecht a la Carte?  

Sanktionen und noch ne Sanktion sollen jetzt her, um Russland in die Knie zu zwingen und das Referendum auf der Krim zu ignorieren, so will es die Öffentlichkeit.

Wie kann es nur angehen, wo es doch im Westen inzwischen Konsens ist Putin für einen Wiedergänger des Teufels zu erachten, dass zwei Millionen Krimbürger ihre Stimme für Putin abgegeben haben? Die Krimbürger müssen völkerrechtswidrig sein! In toto! Von oben bis unten! Sonst hätten sie doch gewusst, dass das nun gar nicht geht.

Demokratie, das war gestern!

Wie sich die Lage in Kiew entwickelt
Nach dem Machtwechsel in der Ukraine hat Russland die Gesetzmäßigkeit der neuen Führung angezweifelt. „Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein“, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew am Montag in Sotschi der Agentur Interfax. „Es gibt niemanden, mit dem wir dort sprechen können.“ Russland hatte seinen Botschafter am Vorabend zu Konsultationen aus Kiew nach Moskau beordert. „Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen sowie für Leben und Gesundheit unserer Landsleute“, sagte Medwedew. Quelle: dpa
Ein weiteres Problem der Ukraine ist Geld. Die Europäische Union ist grundsätzlich zu Finanzhilfen für die Ukraine bereit, hat derzeit aber noch keine Vorstellung von deren möglichem Umfang. „Im Moment ist es zu früh, um über die eine oder andere Option zu sprechen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag in Brüssel. „Aber wir sind zur Hilfe bereit, sofern es ein Reformprogramm der neuen ukrainischen Regierung gibt.“ Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollte bei ihrem Besuch am Montag in Kiew auch über kurz-, mittel- und langfristige Aspekte eines Hilfsprogramms sprechen. Die EU hat angesichts des drohenden Staatsbankrotts und fehlender Milliarden vor allem den Internationalen Währungsfonds IWF, die Europäische Investitionsbank EIB und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD um Mithilfe gebeten. Quelle: AP
Julia Timoschenko wird von Polizisten abgeführt Quelle: dpa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (l) gibt im Präsidentenpalast in Kiew Oppositionsführer Vitali Klitschko die Hand. Quelle: dpa
Eine Luftaufnahme zeigt die Camps der Regierungsgegner auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew, dem Maidan, am Freitagmorgen. Nach den gewaltsamen Protesten wurde zwischen der ukrainischen Regierung und Oppositionsführern in Kiew ein Abkommen ausgehandelt. Obwohl sich die Opposition verschiedenen Berichten zufolge anfangs quer stellte, soll laut Nachrichtenagentur dpa nun eine vorläufige Vereinbarung zur Lösung der innenpolitischen Krise unterzeichnet worden sein. Quelle: REUTERS
Demonstranten stehen auf dem Maidan und hören einer Rede ihrer Anführer zu. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch erklärte am Freitagmittag, die Neuwahl des Staatsoberhauptes werde bald stattfinden. Außerdem kündigte er an, dass eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden soll. Zudem werde das Land zur Verfassung von 2004 zurückkehren, in der dem Präsidenten weniger Befugnisse zugebilligt werden als zurzeit. Der Konflikt ist damit aber nicht beendet: Die Regierungsgegner fordern eigentlich einen sofortigen Rücktritt Janukowitschs. Wieder fielen Schüsse. Quelle: REUTERS
Demonstranten wärmen sich an einem Feuer. Die Gespräche der EU-Delegation mit Janukowitsch und der Opposition in Kiew gingen bereits fast die gesamte Nacht und dauern weiter an. Quelle: REUTERS

Heutzutage wird unterschieden in genehme und nicht genehme Demokratien, in richtige und in falsche Demokratien. Jahrzehntelang und bis vor gar nicht langer Zeit war das im Westen herrschende linke Lager, was die Meinungsbildung und die Grundweichenstellung anbelangt wie besoffen und hat jede noch so absurde Separationsbewegung und die sogenannten Freiheitskämpfer überall auf der Welt offiziös und subversiv unterstützt.

Jetzt gibt es einen Freiheits-und Separationskampf in der Ukraine und derselbe Westen tönt: Nein, militärisch wollen wir nicht eingreifen, um die Krim bei der Ukraine zu belassen. Ganz so verrückt sind wir nun doch nicht. Aber wir wollen Sanktionen, wir wollen die zwei Millionen Bürger der Krim, die falsch gewählt haben, in die Knie zwingen, und wir wollen Putin in die Knie zwingen. Der darf uns den Gashahn nicht abdrehen, aber unsere Sanktionen soll er fressen.

Die Partei der Grünen schrie drei Jahrzehnte lang von Demokratie, von Basisdemokratie, von direkter Demokratie, von der Einmischung des mündigen Bürgers und von den Bürgerrechten, die über den Staatsrechten stünden. Und was passiert jetzt? Seit gut einem Jahr haben die Grünen, dies allerdings von der Öffentlichkeit unbemerkt - unbemerkt, weil die Öffentlichkeit in Wahrheit selber in einem grünen Konsens zuhause ist, der derzeit schwarz-rot angestrichen ist - eine 180-Grad-Kehrtwende in Sachen Demokratie beschlossen: Linksautonome dürfen weiterhin ihre nonverbale, schlagkräftige "demokratische" Spielart vorführen und kaputt schlagen, was sie nie aufgebaut haben und was sie selbstverständlich auch nicht "kaputt macht", wie es in einem viel zitierten Lied einmal hieß. Das ist weiterhin gute Demokratie.

Probleme gehen die Bürger nichts an

Gute Demokratie ist: weiterhin gegen Atomkraft gewalttätig vorzugehen und so die teutonische Energiewende erzwungen zu haben. Übrigens ohne jedes Referendum, das war gar nicht mehr nötig. Demokratisch sei es verfassungswidrige Bildungspläne in Kindergärten und Schulen durchzusetzen und dies selbstverständlich auf rein administrativem Wege. Ein Akt besonderer Demokratie quasi des Staates selber ist es, wenn eben die Repräsentanten des Staates die Bürger damit beschäftigen, sich möglichst vor Gericht und auf der Straße streitig mit irgendwelchen, politisch ganz nebensächlichen Großprojekten wie beispielsweise mit Stuttgart 21 zu befassen. Oder besser: davon abzulenken.

Die Demokratie ist nach dem Willen der Grünen, aber auch längst nach dem Willen der großen Koalition auf nahe Null reduziert, wenn es um die eigentlich wichtigen Fragen geht, wie zum Beispiel um die Europapolitik, den Euro, die an der Schuldenbremse des Grundgesetzes vorbei gemogelte Staatsverschuldung oder, wenn es um Integrationspolitik, Bildungspolitik, Rentenpolitik und Rechtspolitik geht.

Die Freiheit, die richtige Meinung zu haben

Zu all diesen Fragen wird der Bürger dahingehend beschieden: Das geht dich nichts an. Referenden zu diesen Themen gibt es nicht und auch die Verfassungen in Europa, in Deutschland das Grundgesetz, haben, was diese Themenkreise anbelangt, ihren Geltungsbereich weitreichend verloren. Die Meinungsfreiheit ist entsprechend eingeteilt in die Freiheit die richtige Meinung haben und äußern zu dürfen und die Unfreiheit an der falschen Meinung ersticken zu sollen.

Und wer entscheidet nun, was völkerrechtswidrig ist, was demokratisch gar nicht geht, was die falsche Meinung ist? Wer entscheidet nun, ob die Menschen auf der Krim leben dürfen, wie sie wollen? Oder ob sie so leben müssen, wie es eine demokratisch  nicht legitimierte, unter nicht ganz geklärten Umständen zustande gekommene Übergangsregierung in Kiew ohne jede politische Fortune für richtig empfindet? Oder wird neuerdings in Washington oder gar in Berlin entschieden, wie die Menschen auf der Krim zu leben hätten?

Die EU greift nach der Krim

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Wird das Monstrum, das sich EU nennt, und das unter demokratischen Gesichtspunkten eine recht fragwürdige Angelegenheit ist, die Oberinstanz für die Nicht-EU-Länder namens Ukraine, Russland oder die Krim? Warum hat die EU der Ukraine den Weg nach Europa so schwer gemacht? Das fragt man sich erstaunt, wenn man beobachtet, mit welcher Gier die EU-Nomen Klatura jetzt plötzlich nach Kiew und nach der Krim greift.

Der Westen erscheint als implodierender Papiertiger

Statt dass die Ukraine-Regierung jetzt ihrerseits mit ihren etwas dürftigen militärischen Säbeln rasselt, sollte die Interimsregierung lieber auf den Spuren Mahatma Gandhis, barfuß, zu den Bürgern gehen und für einen friedlichen Weg der Ukraine werben. Und dabei spricht kein Gesetz dieser Welt dafür, dass die sehr zufällig und erst vor sehr kurzer Zeit zusammen gewürfelte Ukraine zwingend so fortbestehen muss, wie sie für viele Bürger offenkundig unbefriedigend bisher existierte.

Die Ukraine soll die Chance haben den Status quo ihrer Existenz fortzuschreiben, aber sie muss auch die Chance haben, sich wie die frühere Tschechoslowakei oder wie das Ex-Jugoslawien zu teilen, was vielleicht nicht zusammengehört und dies, ohne, dass daraus gleich Weltuntergangsszenarien herbeiphantasiert werden. Selbst wenn nach dem Krimreferendum auch über einzelne Gebiete im Osten der Ukraine nachgedacht wird, wie diese Gebiete sich in Zukunft politisch entscheiden, wäre das gewiss kein Beinbruch.

Dass im Westen jetzt auch in Sachen Ukraine schon wieder "Rechtsradikale" zum Leben erweckt werden, die angeblich das Problem auf der einen oder anderen Seite darstellten, zeigt, dass politisch mit dem Westen einiges nicht in Ordnung ist. Der Westen wird immer mehr zu dem implodierenden Papiertiger, der nur noch von seinen militärischen Hightech-Fähigkeiten lebt und von seiner wirtschaftlichen Übermacht, der aber politisch zwischen Handlungsunfähigkeit und Ignoranz hin und her schlingert.

Der Westen hat sich immer eingemischt

Der von den Westmedien und auch der westlichen Politik stets als Islamist, aber auch als demokratisch gewählter Staatschef bezeichnete inzwischen aus dem Amt gejagte ägyptische Staatschef Mohammed Mursi, hätte nach allgemeiner Einschätzung im Westen in seiner einjährigen Amtszeit viele Rechtsänderungen, die mit den westlichen Verfassungsnormen unvereinbar sind, durchgesetzt. Wegen seiner demokratischen Legitimation wurde er selbst dort, wo er antiwestliche Politik machte, eben von diesem Westen unterstützt.

Der Westen hat sich in die inneren Angelegenheiten der Maghrebstaaten und der Länder des Nahen Ostens direkt oder hinten herum mehrfach durchs eigene Knie geschossen eingemischt, sehr unkultiviert und sehr ziellos. Und hat de facto für schlecht befundene Regierungen über Jasmin-Revolutionen genannte Entwicklungen aus dem Amt gejagt und hier und da für Ersatz Sorge getragen, den Manche für noch schlimmer halten.
Demokratische Entwicklungen in der Türkei schlägt der Westen mittelbar mit nieder, in dem er dem türkischen Regierungschef Erdoğan Applaus spendet. Auch in diesem Fall wegen der demokratischen Legitimierung Erdoğans.

Viele Lesearten

Putins beste Sprüche
Putins beste Sprüche„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“ Putin über die Energiedebatte in Deutschland, November 2010
„Wir werden unser Volk nicht vergiften.“  Zum Importverbot für EU-Gemüse wegen Ehec, 11.6.2011
„Wo man nicht zusammen kommen kann, bekommt man den Knüppel auf die Rübe“   Zum Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, 6.9.2010.
„Wer das getan hat, wird den Preis dafür bezahlen und im Suff oder Drogenkonsum enden“ Über den Verrat russischer Spione in den USA, 2.8.2010.
„Ich habe vielleicht in der Universität nicht das allermeiste gelernt, weil ich in der Freizeit viel Bier getrunken habe. Aber einiges habe ich doch behalten, weil wir sehr gute Dozenten hatten.“ Über sein Studium, Mai 2005.
„Die Russen kommen hier nicht mit Kalaschnikow und mit Panzern her, sondern Russland bringt das Geld mit.“ Zu Investitionen russischer Unternehmen in Deutschland, Oktober 2006.
„Niemand will, dass die G8 zu einer Ansammlung fetter Kater wird.“ Über die Rolle Russlands in der Gruppe der führenden Industrienationen, Januar 2006.

Ja, Donnerwetter, wie viele unterschiedliche Demokratie-Lesarten, Demokratie-Anwendungsfälle oder- Nuancen soll es denn auf dieser Welt geben!

Auslegung des Völkerrecht im Sinne der demokratischen Bedürfnisse vor Ort

Fest steht im Moment: Die gelebte Demokratie, die am vergangenen Sonntag in der Ukraine eindrucksvoll vorgeführt wurde, hat vor den Wächteraugen der westlichen Demokratien keinen Bestand. Das eindeutige Referendum auf der Krim wird gar als völkerrechtswidrig gegeißelt. Obama himself hat allerdings auch von diplomatischen Lösungen gesprochen, was angesichts seiner Drohkulisse etwas armselig wirkt. Aber immerhin.

Und es gibt einzelne Stimmen in Politik und Medien, die etwas moderieren möchten.

Die innere Instabilität der Ukraine hat Putin und hat Russland nicht erzeugt. Insofern handelt es sich um eine historische Konsequenz aus der achtlosen Zusammenfügung der Ukraine von außen. Putin mag sich dieser Instabilität bedient haben. Und er tut dies sicher aktuell, um alles Russische zusammen zu fügen, was nach seiner Auffassung zusammengehört, aber das war es und ist es auch schon.

Das Referendum auf der Krim hat Putin nach allgemeiner Einschätzung nicht manipuliert. Die Einschätzung mancher Medien im Westen, dass es den Bürgern der Krim bei einem Wechsel weg von der Ukraine in Richtung Russland wirtschaftlich schlechter ginge und dass Russland sich mit der Krim ein milliardenschweres Groschengrab ans Bein binden würde, ist ein sehr hohles Geunke.

Mehrheit der Deutschen im Unklaren

Man muss nicht für die Aufnahme der Krim in der russischen Föderation sein, man muss aber auch nicht dagegen sein. Eine Auslegung des Völkerrechtes nach Gusto und nach gewünschtem Ergebnis macht keinen Sinn, aber eine Auslegung des Völkerrechtes im Sinne der demokratischen Bedürfnisse vor Ort macht sehr viel Sinn. Und zwar auch dann, wenn die Konsequenz sein könnte, dass auch andern Orts auf der Welt Regionen oder Ethnien mehr Eigenständigkeit einfordern.

An dieser Stelle dürfen die Antideutschen im linken Lager, vor allen Dingen bei den Grünen, nicht vergessen werden. Unter der Oberführung der Trittins, der Claudia-Roths, der Cohn-Bendits und co. haben sich diese Leute 1989/90 gegen den demokratischen Willen aller Deutschen gegen die Wiedereinigung in Stellung gebracht. Dieselben Leute agieren bis heute offen und subversiv auf ihr großes Ziel der Abschaffung Deutschlands hin und dies ohne jedes Referendum und ohne jede demokratische Beteiligung der Deutschen.

Die Mehrzahl der Deutschen wird über diese gegen die Existenz Deutschlands gerichtete Politik im Unklaren gehalten, weil die Antideutschen glauben, dass ihre politischen Ziele nicht mehrheitsfähig wären. Auch eine Variante der Aushöhlung der Demokratie der Vernichtung des demokratischen Ideals.

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