Bettina Röhl direkt

Das Ende der Demokratie am Beispiel der Krim

Bettina Röhl Publizistin

USA und Europa sind angesichts des russlandfreundlichen Referendums der Krim in eine blinde Sanktionswut verfallen. Das Völkerrecht, die Demokratie und selbst die eigenen Interessen werden vom Westen mit Füßen getreten.

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Die EU mischt sich überall ein und lässt ihren Bürgern nur noch die Freiheit ihrer Meinung zu sein. Quelle: dpa

Das derzeit viel gequälte Völkerrecht ist keinen Pfifferling mehr wert. Es hatte nie eine Bedeutung, die wirklich über die einer moralischen Propagandaformel hinausging. Schade.

Wie völkerrechtsgemäß war eigentlich der Verwaltungsakt des nach Stalin vergleichsweise kommoden UdSSR-Diktators Nikita Chruschtschow der - selber Ukrainer - 1954 die Krim in einem Verwaltungsakt der Ukraine willkürlich zuschlug? Sicher wollte Chruschtschow, der in seiner Amtszeit davon ausging, dass Russland und die Ukraine nie wieder durch eine Landesgrenze getrennt würden, seine höchst persönliche Hausmacht im Riesenreich der UdSSR festigen, in dem er sich bei seinen Landsleuten, den Ukrainern, mit einem Stückchen Erde beliebt machte. Mit einem Stückchen Erde, das in der jüngeren Geschichte mal den Türken, mal den Russen gehörte, das mal eher selbstständig war und mal auch die Begehrlichkeiten der Engländer und Franzosen weckte, die die Russen vor 150 Jahren von der Krim verdrängen wollten und deshalb die damals bröckelnde osmanische Herrschaft über die Krim zu stärken versuchten. Ja ja, die Südhälfte der Krim hat ein schönes mediterranes Schwarzmeerklima, perfekt für einen schönen Urlaub und ein bisschen Krimsekt dazu.

Späte Chance für die Schotten

Mit dem Untergang der Sowjetunion ging eine Verfestigung der staatlichen Bande zwischen der Ukraine und der Krim einher. Ob diese Verfestigung rechtsethisch, völkerrechtlich so absolut, so für ewig in Blei gegossen ist, dass sie selbst durch eine demokratische Entscheidung völkerrechtskonform nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden könnte, ist eine interessante Frage.

1587 ließ Elisabeth I., die zu ihrer Zeit persönlich das Völkerrecht darstellte, ihre Widersacherin, Maria Stuart, ungern, aber kurzerhand enthaupten, um die Schotten, die damals gewiss mehrheitlich dagegen waren, unter die englische Krone zu zwingen. So könnte man das Geschehen zusammenfassen, wenn man das Dynastien-Wirrwarr einmal beiseite lässt. Heute, 450 Jahre später, erhalten die schottischen Separatisten vielleicht die Chance ihr Schottland von England in welcher Form auch immer zu lösen.

Nicht nur die Ukraine ist in ihrer heutigen Form ein Kunstgebilde der kommunistischen, untergegangenen Sowjetunion. Auch die Tschechoslowakei, die erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden war,  war ein solches Konglomerat, das sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 demokratisch selbst in zwei Teile zerlegte, nämlich in Tschechien und die Slowakei.

Die in der westlichen Geschichtsschreibung wenig bekannten Macht-und Gebietswanderungen und teils auch Völkerwanderungen in Gestalt sowjetischer Umsiedlungen (und auch schon früher), die auch die Ukraine mehrfach in ihrem Bestand und in ihrem Selbstverständnis veränderten, darf man historisch, kulturell und auch völkerrechtlich nicht ganz außer Acht lassen. Die Ukraine und Russland sind irgendwie zwei Brüder, die sich mögen und die sich im Moment behaken. Aber fest steht, dass es sich um zwei sehr ähnliche Brüder handelt. Sprachlich, kulturell und historisch.

Einmischung in innere Angelegenheiten

Der Westen, der sich in den vergangenen Jahren nicht entschließen konnte, die Ukraine wirtschaftlich angemessen zu unterstützen, hat sich, und dies in einer sehr undurchsichtige Art und Weise, aufgemacht  in der Ukraine Politik zu machen. Einmischung in innere Angelegenheiten nennt man das wohl. Jedenfalls ist der Westen nicht ganz unbeteiligt an dem Geschehen auf dem über Nacht berühmt gewordenen Maidan. Und der Westen ist auch nicht ganz unbeteiligt daran, dass er jetzt mit einer sogenannten Übergangsregierung, deren Legitimation auf recht schwachen Füßen steht, politische Geschäfte machen muss und macht.

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