Bettina Röhl direkt

Das Ende der Demokratie am Beispiel der Krim

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Demokratie, das war gestern!

Wie sich die Lage in Kiew entwickelt
Nach dem Machtwechsel in der Ukraine hat Russland die Gesetzmäßigkeit der neuen Führung angezweifelt. „Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein“, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew am Montag in Sotschi der Agentur Interfax. „Es gibt niemanden, mit dem wir dort sprechen können.“ Russland hatte seinen Botschafter am Vorabend zu Konsultationen aus Kiew nach Moskau beordert. „Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen sowie für Leben und Gesundheit unserer Landsleute“, sagte Medwedew. Quelle: dpa
Ein weiteres Problem der Ukraine ist Geld. Die Europäische Union ist grundsätzlich zu Finanzhilfen für die Ukraine bereit, hat derzeit aber noch keine Vorstellung von deren möglichem Umfang. „Im Moment ist es zu früh, um über die eine oder andere Option zu sprechen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag in Brüssel. „Aber wir sind zur Hilfe bereit, sofern es ein Reformprogramm der neuen ukrainischen Regierung gibt.“ Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollte bei ihrem Besuch am Montag in Kiew auch über kurz-, mittel- und langfristige Aspekte eines Hilfsprogramms sprechen. Die EU hat angesichts des drohenden Staatsbankrotts und fehlender Milliarden vor allem den Internationalen Währungsfonds IWF, die Europäische Investitionsbank EIB und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD um Mithilfe gebeten. Quelle: AP
Julia Timoschenko wird von Polizisten abgeführt Quelle: dpa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (l) gibt im Präsidentenpalast in Kiew Oppositionsführer Vitali Klitschko die Hand. Quelle: dpa
Eine Luftaufnahme zeigt die Camps der Regierungsgegner auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew, dem Maidan, am Freitagmorgen. Nach den gewaltsamen Protesten wurde zwischen der ukrainischen Regierung und Oppositionsführern in Kiew ein Abkommen ausgehandelt. Obwohl sich die Opposition verschiedenen Berichten zufolge anfangs quer stellte, soll laut Nachrichtenagentur dpa nun eine vorläufige Vereinbarung zur Lösung der innenpolitischen Krise unterzeichnet worden sein. Quelle: REUTERS
Demonstranten stehen auf dem Maidan und hören einer Rede ihrer Anführer zu. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch erklärte am Freitagmittag, die Neuwahl des Staatsoberhauptes werde bald stattfinden. Außerdem kündigte er an, dass eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden soll. Zudem werde das Land zur Verfassung von 2004 zurückkehren, in der dem Präsidenten weniger Befugnisse zugebilligt werden als zurzeit. Der Konflikt ist damit aber nicht beendet: Die Regierungsgegner fordern eigentlich einen sofortigen Rücktritt Janukowitschs. Wieder fielen Schüsse. Quelle: REUTERS
Demonstranten wärmen sich an einem Feuer. Die Gespräche der EU-Delegation mit Janukowitsch und der Opposition in Kiew gingen bereits fast die gesamte Nacht und dauern weiter an. Quelle: REUTERS

Heutzutage wird unterschieden in genehme und nicht genehme Demokratien, in richtige und in falsche Demokratien. Jahrzehntelang und bis vor gar nicht langer Zeit war das im Westen herrschende linke Lager, was die Meinungsbildung und die Grundweichenstellung anbelangt wie besoffen und hat jede noch so absurde Separationsbewegung und die sogenannten Freiheitskämpfer überall auf der Welt offiziös und subversiv unterstützt.

Jetzt gibt es einen Freiheits-und Separationskampf in der Ukraine und derselbe Westen tönt: Nein, militärisch wollen wir nicht eingreifen, um die Krim bei der Ukraine zu belassen. Ganz so verrückt sind wir nun doch nicht. Aber wir wollen Sanktionen, wir wollen die zwei Millionen Bürger der Krim, die falsch gewählt haben, in die Knie zwingen, und wir wollen Putin in die Knie zwingen. Der darf uns den Gashahn nicht abdrehen, aber unsere Sanktionen soll er fressen.

Die Partei der Grünen schrie drei Jahrzehnte lang von Demokratie, von Basisdemokratie, von direkter Demokratie, von der Einmischung des mündigen Bürgers und von den Bürgerrechten, die über den Staatsrechten stünden. Und was passiert jetzt? Seit gut einem Jahr haben die Grünen, dies allerdings von der Öffentlichkeit unbemerkt - unbemerkt, weil die Öffentlichkeit in Wahrheit selber in einem grünen Konsens zuhause ist, der derzeit schwarz-rot angestrichen ist - eine 180-Grad-Kehrtwende in Sachen Demokratie beschlossen: Linksautonome dürfen weiterhin ihre nonverbale, schlagkräftige "demokratische" Spielart vorführen und kaputt schlagen, was sie nie aufgebaut haben und was sie selbstverständlich auch nicht "kaputt macht", wie es in einem viel zitierten Lied einmal hieß. Das ist weiterhin gute Demokratie.

Probleme gehen die Bürger nichts an

Gute Demokratie ist: weiterhin gegen Atomkraft gewalttätig vorzugehen und so die teutonische Energiewende erzwungen zu haben. Übrigens ohne jedes Referendum, das war gar nicht mehr nötig. Demokratisch sei es verfassungswidrige Bildungspläne in Kindergärten und Schulen durchzusetzen und dies selbstverständlich auf rein administrativem Wege. Ein Akt besonderer Demokratie quasi des Staates selber ist es, wenn eben die Repräsentanten des Staates die Bürger damit beschäftigen, sich möglichst vor Gericht und auf der Straße streitig mit irgendwelchen, politisch ganz nebensächlichen Großprojekten wie beispielsweise mit Stuttgart 21 zu befassen. Oder besser: davon abzulenken.

Die Demokratie ist nach dem Willen der Grünen, aber auch längst nach dem Willen der großen Koalition auf nahe Null reduziert, wenn es um die eigentlich wichtigen Fragen geht, wie zum Beispiel um die Europapolitik, den Euro, die an der Schuldenbremse des Grundgesetzes vorbei gemogelte Staatsverschuldung oder, wenn es um Integrationspolitik, Bildungspolitik, Rentenpolitik und Rechtspolitik geht.

Die Freiheit, die richtige Meinung zu haben

Zu all diesen Fragen wird der Bürger dahingehend beschieden: Das geht dich nichts an. Referenden zu diesen Themen gibt es nicht und auch die Verfassungen in Europa, in Deutschland das Grundgesetz, haben, was diese Themenkreise anbelangt, ihren Geltungsbereich weitreichend verloren. Die Meinungsfreiheit ist entsprechend eingeteilt in die Freiheit die richtige Meinung haben und äußern zu dürfen und die Unfreiheit an der falschen Meinung ersticken zu sollen.

Und wer entscheidet nun, was völkerrechtswidrig ist, was demokratisch gar nicht geht, was die falsche Meinung ist? Wer entscheidet nun, ob die Menschen auf der Krim leben dürfen, wie sie wollen? Oder ob sie so leben müssen, wie es eine demokratisch  nicht legitimierte, unter nicht ganz geklärten Umständen zustande gekommene Übergangsregierung in Kiew ohne jede politische Fortune für richtig empfindet? Oder wird neuerdings in Washington oder gar in Berlin entschieden, wie die Menschen auf der Krim zu leben hätten?

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