Wie war das noch gleich am 11.September 2001. Damals zerstörten Islamisten das World Trade Center in New York. Die herrschende Westlinke war sich bald einig, dass der böseste vom bösen, George W. Bush war, dass der Kapitalismus selbst Schuld hatte, und dass die Islamisten nur getan hatten, was sie tun mussten. Es dauerte nicht lange bis Bush von durchaus prominenter Seite mal mit Osama Bin Laden, mal mit Saddam Hussein verglichen wurde.
Das ist vielleicht etwas schwarz gezeichnet, aber es trifft den Kern dessen, was nach der anfänglichen Empörung aus der Sache heraus kam. Letzte Woche beschwor nun der besagte Spiegel Ground Zero-Phantasien, die voll im Trend liegen: Der Abschuss der Boeing MH17 wurde zur letzten westmoralischen Gewissheit, dass Putin ab sofort mit allen nicht kriegerischen Mitteln und mit jedem finanziellen Engagement zu bekämpfen sei.
Nochmal zur Westlinken: Sie unterstützte bekanntlich den sozialistischen Kampf palästinensischer Terroristen gegen Israel, die für ihren Kampf von der damaligen Sowjetunion (und mit Unterstützung der DDR) mit Kalaschnikows ausgestattet wurde. Die Kalaschnikow wurde in den siebziger Jahren zum Kampfsymbol der palästinensischen Terroristen, aber eben auch der fanatischen Westlinken gegen den verhassten Westen. In dieser Tradition agiert der damals überengagierte Spiegel auch jetzt wieder, mit dem einzigen Unterschied, dass die blumig-schwülstige und in übelster Scholastik verfasste "Beweiskette", dass Putin gleichsam die Boeing abschießen ließ oder mindestens der hauptverantwortliche Waffenlieferant wäre, diesmal - anders als damals - gegen den Waffenlieferanten gerichtet ist.
Moral, die nicht der Moral verpflichtet ist, sondern situativ dem eigenem Mainstream-Standing nutzbar gemacht wird, ist alles nur nicht Moral. Schlimm genug, dass Putins Expansionspolitik die Grundsätze der Moral und des Völkerrechtes missachtet. Die Auseinandersetzungen in der Ukraine zwischen Vertretern der russischen Minderheit und der ukrainischen Regierung fordert Tote und Verletzte. Dies bislang glücklicherweise nicht in einem Ausmaß wie etwa die von der westlichen Politik de facto weitgehend ignorierten Bürgerkriege in Afrika, Asien oder teilweise Lateinamerika.
Hier liegt das Augenmerk auf der zur Schau getragenen moralischen Entrüstung des Westens, der global und allumfassend operiert und zwischen mörderischen oder gar völkermörderischen Konflikten einerseits und jetzt der Putinschen Expansionspolitik, die zu intolerablen Auseinandersetzungen in der Ostukraine geführt hat, in moralisch nicht nachvollziehbarer Weise differenziert.
Es scheint "moralisch" verlockend zu sein in einer panwestlichen, konzertierten Moralaktion Putin mit im Zweifel wirkungslosen Sanktionen zu konfrontieren und dabei sogar von eigenen finanziellen Folgeschäden zu schwärmen. Auch wenn die öffentliche Meinung auf Putin-Konflikt gebürstet ist, dies ist keine gekonnte und auch keine moralische Politik.