Bettina Röhl direkt

Obama und die "drei Geißeln" der Menschheit

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Ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato

Und auch dies ist wahr: In Zeiten, in denen Assad seine Diktatur noch uneingeschränkt administrierte, war es eine nahe 100 %-Mehrheit der Syrer zufrieden. Niemand flüchtete, niemand wollte weg und die Zahl getöteter oder geschundener Menschen, die auf das Assadregime zurückgingen, war verschwindend gering im Verhältnis zu den Zahlen der ermordeten und getöteten Menschen seit der "arabische Frühling" auf Syrien übergriff. In allen westlichen Hauptstädten gab es eine kindische Fixierung auf die wenigen westlich orientierten Umsturzkräfte in Tunesien, Ägypten, Libyen bis nach Syrien. Fehleinschätzungen über Fehleinschätzungen, die vorhersehbar waren und die auch vorhergesehen wurden. So auch von der Autorin selber.

Erdogan ist kein sinnvoller Partner für den Westen

Die Fixierung auf syrische Widerstandskämpfer, die komplett undifferenziert betrachtet und unterstützt wurden, verkleisterte den Blick dafür, dass die Zahl der Demokraten im westlichen Sinn, die zur Waffe zu greifen bereit waren, von Anfang an so klein war, dass sie kaum mit der Lupe zu finden war. Und der letzte gravierende Fehler Obamas, wie auch seiner westlichen Partnerregierungen liegt in der von ihm als mächtigsten Mann des Bündnisses ausgehenden Fixiertheit auf Erdogan als Dreh-und Angelpunkt vor Ort.

Man muss es sportlich anerkennen, wie es Erdogan im Prinzip, seitdem er die politische Bühne in der Türkei betrat, aber erst recht seit er die türkische Politik mehr oder weniger alleine bestimmt, ob in der Rolle des Ministerpräsidenten oder in der Rolle des Staatspräsidenten, das macht für Erdogan keinen Unterschied, die westlichen Staatslenker am Nasenring führt. Es ist schon gespenstisch wie Erdogan die Nato und analog die EU für seine politischen Ambitionen gebraucht und gleichzeitig in essentiellen Punkten brüskiert.

Kämpfe um eine syrische Grenzstadt - Warum Kobane so wichtig ist

Erdogan ist in seiner Person ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato und für ein Abbruchszenario der Beitrittsverhandlungen. Und er wirkt kontraproduktiv im Kampf der Vereinigten Staaten gegen den von Obama ausgemachten Feind namens Isis. Das schöne Ostberliner Kommunistenlied "Sag mir, wo Du stehst?" fällt manch einem ein angesichts der gnadenlosen Politik, mit der Erdogan den Westen aussteigen lässt. Indes muss Erdogan nicht mehr gefragt werden. Durch seine Politik, wie sie aktuell in Kobane zu besichtigen ist, hat Erdogan alle Zweifel ausgeräumt. Er ist kein sinnvoller Vertragspartner für den Westen und er will es nicht einmal sein. Erdogan verfolgt seine regionalen Ziele gegen den Westen und dies sehr zielstrebig. Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy stellte deshalb schon vor einer guten Woche die Mitgliedschaft der Türkei in dem Bündnis infrage. "Das ist die Stunde der Wahrheit für ihre Präsenz in der Nato", sagte er.

Die Kurden und die Erdogan-Doktrin

Es sind keineswegs über tausend Jahre oder auch nur Jahrhunderte gewachsene staatlich gewachsene Strukturen, die dazu geführt haben, dass die Kurden keinen eigenen Staat abbekommen haben. Es ist vielmehr so, dass die Kurden als teils gewichtige und regelmäßig unterdrückte Minderheit gleichzeitig in mehreren Ländern, nämlich im Iran, im Irak, in Syrien und in der Türkei leben. Genau die westlichen Lager, die bei einer solchen Gegebenheit überall auf der Welt solche Bewegungen, wie die der Kurden als große Befreiungsinitiativen gefeiert hätten, die deren Widerstand gegen Unterdrücker und deren Kampf für Einheit und einen eigenen Staat fanatisch unterstützt hätten, überschlagen sich in Ansehung der Kurden und deren Organisationen, wie insbesondere der PKK, diese als Terrororganisationen zu brandmarken und diese Brandmarkung unverrückbar zu perpetuieren. Dazu muss gesagt werden, dass die Grenzziehungen im mittleren Osten vergleichsweise willkürliche und fahrlässige Hinterlassenschaften westlicher Imperialmächte in der Region waren. Es blieb damals  für die Kurden eben kein Land übrig, was letzten Endes zu dem anhaltenden kurdischen Aufbegehren geführt hat.

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