Ebola, der Ukrainekonflikt und Isis-Terror seien derzeit die größten Geißeln der Menschheit, tönte Barack Obama Ende September in seiner Rede vor der Vereinten Nationen. Jetzt belehrt er die Welt erneut in Sachen Ebola: Allerdings warnt Obama diesmal vor den Panikmachern.
Ebola sei bislang eine völlig unbedeutende Krankheit angesichts der Tatsache, dass es zum Beispiel in den USA drei Ebola-Fälle bei einer Bevölkerung von 300 Millionen Amerikanern gäbe. Das Risiko sich anzustecken sei minimal. Es gäbe in den USA keine Gefahr einer Epidemie.
Das ist das Ebola-Virus
Das Ebola-Virus gehört zu den gefährlichsten Krankheitserregern der Welt. Es löst ein sogenanntes hämorrhagisches, das heißt mit starken Blutungen einhergehendes, Fieber aus.
Je nach Erregerstamm sterben laut Angaben der WHO 25 bis 90 Prozent der Patienten an einer Ebola-Erkrankung. Trotz intensiver Forschung ist noch kein Heilmittel auf dem Markt, Impfstoffe sind in der Testphase.
Seinen Ursprung hat das Virus im Tierreich. Menschen können sich über den Kontakt zu erkrankten Tieren infizieren, unter anderem Affen oder Flughunde. Von Mensch zu Mensch überträgt sich die Krankheit durch Blut und andere Körperflüssigkeiten.
Die Inkubationszeit beträgt nach WHO-Angaben zwei Tage bis drei Wochen. Dann setzen Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Schwächegefühl und Halsschmerzen ein. Später gehen Nieren- und Leberfunktion zurück, auch andere Organe werden geschädigt. Es können schwere innere Blutungen auftreten. Erst wenn die Symptome auftreten, sind Infizierte ansteckend.
Ebola kommt vor allem nahe des afrikanischen Regenwaldes vor. Zum ersten Mal wurde das Virus 1976 im damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, nahe dem Ebola-Fluss nachgewiesen. Daher hat die Krankheit ihren Namen.
Laut aktuellen Zahlen der WHO (Stand: 14. November 2014) sind seit dem aktuellen Ausbruch mehr als 14.400 Ebola-Fälle bekanntgeworden, die meisten in Liberia und Sierra Leone. Fast 5200 Menschen haben das Virus nicht überlebt.
Was denn nun? Ist Ebola die größte Geißel der Menschheit oder doch nur eine nebenseitige Petitesse? Schneller kann niemand seine eigene gerade mal vier Wochen alte Aussage konterkarieren, als Obama es jetzt vorgemacht hat. Kein Wunder, dass ihm in Amerika, wo die Medien das Thema Ebola aktuell groß aufgebaut haben, ein mieses Krisenmanagement bei der Bekämpfung der Ebola-Krankheit vorgeworfen wird.
Die Ukrainekrise
Aus den Ereignissen in der Ukraine überhaupt eine Weltkrise mit Weltkriegsphantasien zu machen, kann nur Köpfen entspringen, die gelangweilt auf der Suche nach einer Sensation hin und her schwanken. Putin hat gewiss keine mustergültige Rolle gespielt. Leider ist er nicht der einzige, dem dieser Vorwurf zu machen ist. Aber ein globales Szenario aus der Sache zu machen, zeigt sehr wenig außenpolitische Souveränität.
Obama ist der Hauptverantwortliche für die Russlandallianz, die sich im Westen gebildet hat und die sich im Selbstbewusstsein historischer Intelligenz zu immer neuen Wirtschaftssanktionen gegen Russland hochschaukelt. Dabei wird geradezu masochistisch ein Schaden für die Weltwirtschaft in Kauf genommen - bei geringstem politischen Nutzen.
Und die Weltwirtschaft, für die der US-Präsident auch eine ganz heraus gehobene Verantwortung hat, die er mindestens de facto, wesentlich mitgestaltet, trübt sich derzeit ein. Die Politik des permanenten billigen Geldes, die die Weltwirtschaft in gefährliche Zonen treibt, hat ganz wesentlich ihre größte Keimzelle in den USA.
Es gibt andere massive Ursachen und dunkle Wolken an den Weltwirtschaftshimmel treiben. Phantasien vom schwarzen Freitag machen in den Medien bereits die Runde. Das ist sicher noch ein sinnloses Spiel mit dem Feuer, aber das Aufpeitschen von Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Weltkriegsphantasien, gar atomar aufgeheizt, die ihrerseits keinen positiven ökonomischen Effekt fördern, ist zusätzliches Gift für die Weltwirtschaft.
Die Euro-Krise, an die sich die Menschen gewöhnt haben und die die Medien zwischenzeitlich vergessen hatten, war nie weg. Aber jetzt sind alle erstaunt, dass die Euro-Krise wieder da ist. Zahltag, das ist das Datum der Abrechnung, aber bisher sind die vielfältigen Schäden gerade noch nicht bezahlt worden.
Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland
Die EU erschwert den Zugang zu den EU-Finanzmärkten für russische Banken. Gilt für alle Banken mit einem staatlichen Anteil von mindestens 50 Prozent. Sie können auf den EU-Kapitalmärkten keine neuen Wertpapiere oder Aktien von russischen Unternehmen mehr verkaufen.
In den USA fallen drei weitere Banken im russischen Staatsbesitz unter die Strafmaßnahmen, damit sind es nun fünf von sechs: Die Bank von Moskau, die Russische Landwirtschaftsbank und die VTB Bank kamen hinzu. Ihnen wird der Zugang zu mittel- und langfristiger Dollarfinanzierung für Russland erschwert. Sie dürfen aber weiter in den USA operieren.
Die EU verbietet künftige Rüstungslieferungen. Betroffen sind alle Güter, die auf einer entsprechenden Liste der EU stehen. Gilt nicht für bereits unterzeichnete Verträge, also auch nicht für die Lieferung von zwei französischen Hubschrauberträgern im Wert von 1,2 Milliarden Euro an Russland.
In den USA wurde die United Shipbuilding Corporation (größtes russisches Schiffsbau-Unternehmen) zu den bislang acht auf der Sanktionsliste stehenden Firmen im Verteidigungssektor ergänzt. Die Unternehmen dürfen nicht mehr das US-Finanzsystem nutzen oder mit amerikanischen Bürgern Geschäfte machen.
Die EU verbietet den Export von bestimmten Hochtechnologiegütern an das Militär. Gilt beispielsweise für Verschlüsselungssysteme sowie für Hochleistungscomputer.
Die EU untersagt die Ausfuhr für Spezialtechnik zur Ölförderung. Zielt auf Geräte, die für Ölbohrung und -förderung beispielsweise in der Arktis gebraucht werden.
Auch in den USA gelten für Unternehmen aus der Ölbranche eingeschränkte Importmöglichkeiten für Technik zur Erschließung von Ölquellen in tiefen Gewässern, vor der arktischen Küste oder in Schiefergestein. Die aktuelle Energieproduktion werde damit aber nicht beeinträchtigt.
Daran ändern Phantasien von Banken- Finanz-und Haftungsunionen nicht das Mindeste. Mit billigem Geld wurden die Finanz-und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre, unter Anhäufung neuer Schulden, verschleppt, aber nicht geheilt. Und die Verschleppung wiegt zum Beispiel die Bundesbürger in einem nie dagewesenen Wohlfühlrausch, dass auch nichts mehr passieren könne.
Dieser Wohlfühlrausch könnte allerdings auch damit erklärt werden, dass die tatsächlichen Krisen verdrängt werden und auch der größte Verdrängungskünstler in Wahrheit doch ein Unwohlgefühl mit sich herum trägt, welches er dann mit einem künstlich zur Schau gestellten Wohlbefinden zu betäuben versucht.
Die verfehlte Syrien-Politik des US-Präsidenten
Da Wirtschaft zu einem ganz großen Teil Psychologie ist, ist es gerade im Moment gefährlich, wenn der amerikanische Präsident und ihm nachtuend fast alle westlichen Regierungen für die Gesundung der Weltwirtschaft nichts oder nur wenig beizusteuern wissen. Tatsächlich wird die real existierende Geißel der Menschheit in Gestalt einer fragilen Konjunkturlage von Obama regelrecht ausgeklammert.
Isis ist auch eine Belastung für die Weltwirtschaft
Das ist umso erstaunlicher, als Obamas dritte Geißel der Menschheit, in Gestalt der Isis, nach allgemeiner Auffassung ihrerseits eine neue Belastung für die Weltwirtschaft darstellt. Geht es nach dem früheren Verteidigungsminister Robert Gates und dem Ex- Geheimdienstchef und ebenfalls Ex-Verteidigungsminister Leon Panetta, stellt sich Obamas Irakpolitik als mangelhaft dar.
Die viel gescholtenen Despoten von Ben Ali über Gaddafi bis zu Mubarak, Assad und Saddam Hussein, führten profane, so gesehen, laizistische Regierungen und dienten sich dem Westen jahrzehntelang als Garanten der In-Schach-Haltung der ohne sie explodierenden islamisch-islamistischen Kräfte an.
Dann kam der sogenannte arabische Frühling, den Obama mit leichtfertigen Redereien unkontrolliert und unkontrollierbar mit angefacht und angeheizt hat. Die von ihm wesentlich ermutigte Befreiungsbewegung im Iran 2009 hat Obama dagegen bekanntlich eiskalt der Vernichtung anheimfallen lassen, um die Tatsachen beim Namen zu nennen. Wohl weniger aus bösem Willen, den man Obama nicht unterstellen kann, aber aus außenpolitischem Dilettantismus. Sein Libyenkrieg war eine unüberlegte und niemals zu Ende gedachte Aktion und sein Auftritt gegen Assad, dem er drohte und demgegenüber er dann einknickte, war eine politische Katastrophe mit Langzeitwirkung.
Fakten zum Terror im Irak
Die Terrorgruppe ISIS („Islamischer Staat im Irak und in Syrien“) ist eine im Syrienkrieg stark gewordene Miliz. Die Gruppe steht seit 2010 unter Führung eines ambitionierten irakischen Extremisten, der unter seinem Kriegsnamen Abu Bakr al-Baghdadi bekannt ist. Die USA haben zehn Millionen Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt. Ihm ist es in den vergangenen vier Jahren gelungen, aus einer eher losen Dachorganisation eine schlagkräftige militärische Organisation zu formen. Ihr sollen bis zu 10.000 Kämpfer angehören.
Die Gruppe nannte sich Ende Juni in IS um, da sie die Einschränkung auf den Irak und Syrien aufheben wollte.
ISIS sind Dschihadisten, Gotteskrieger. Sie kämpfen für eine strikte Auslegung des Islam und wollen ihr eigenes „Kalifat“ schaffen. Ihre fundamentalistischen Ziele verbrämt Isis bisweilen - wenn es in einzelnen Regionen gerade opportun erscheint. „Im Irak gerieren sie sich als Wahrer der sunnitischen Gemeinschaft“, weiß Aimenn al-Tamimi, ein Experte für die militanten Einheiten in Syrien und im Irak. „In Syrien vertreten sie ihre Ideologie und ihr Projekt weit offener.“ In der syrischen Stadt Rakka beispielsweise setzen die Extremisten ihre strikte Auslegung islamischer Gesetze durch. Aktivisten und Bewohner in der Stadt berichten, dass Musik verboten wurde. Christen müssen eine „islamische Steuer“ für ihren eigenen Schutz zahlen.
Ihre Taktik ist eine krude Mischung von brutaler Gewalt und Anbiederung - alles zwischen Abschreckung durch das Köpfen von Feinden und Eiscreme für die Kinder in besetzen Gebieten. Das alles dient der Al-Kaida-Splittergruppe Isis nur zu einem Ziel: den Islamischen Staat im Irak und Syrien zu bilden, den ihr Name verheißt. Die Gruppe, der bis zu 10.000 Kämpfer angehören sollen, hat diese Woche die irakischen Städte Mossul und Tikrit überrannt und den Marsch auf Bagdad angekündigt.
Zu Jahresbeginn hatte Isis bereits die Stadt Falludscha und Teile der Provinz Anbar westlich von Bagdad unter ihre Kontrolle gebracht. Inzwischen hat ISIS maßgeblichen Einfluss auf ein Gebiet, das von der syrisch-türkischen Grenze im Norden bis zu einem Radius von 65 Kilometern vor der irakischen Hauptstadt reicht. Der einstige Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, den US-Truppen vor ihrem Abzug aus dem Irak 2011 besiegt zu haben meinten, blüht in einer neuen Inkarnation wieder auf. Dabei profitiert Isis von den Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, die ihre sunnitische Anhängerschaft radikalisieren.
Bislang drangen ISIS-Kämpfer bis zur Provinz Dijala knapp 60 Kilometer nördlich von Bagdad vor. Rund 50 Kämpfer sollen dort laut Medienberichten bei Gefechten mit der irakischen Armee getötet worden sein. Die Isis habe sich daraufhin zurückgezogen, hieß es. Mittlerweile haben die Kämpfer die Städte Dschalula und Sadija in der Provinz Dijala unter ihre Kontrolle gebracht. Die Städte liegen 125 beziehungsweise 95 Kilometer von Bagdad entfernt.
Nach dpa-Informationen erbeuteten ISIS-Kämpfer in Mossul 500 Milliarden irakische Dinar (318 Millionen Euro) in der Zentralbank. Damit wird Isis zur reichsten Terrororganisation vor Al-Kaida. Experten schätzen das Vermögen der Al-Kaida auf 50 Millionen bis 280 Millionen Euro. Auch schweres Kriegsgerät soll ISIS erbeutet haben. Im Netz kursierende Videos zeigen irakische Panzer und Helikopter mit der schwarzen Flagge der Isis bei einer Militärparade in Mossul.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Isis Bombenanschläge in Wohngebieten, Massenexekutionen, Folter, Diskriminierung von Frauen und die Zerstörung kirchlichen Eigentums vor. Einige Taten kämen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen sind mittlerweile rund eine Million Iraker auf der Flucht. Viele versuchten das als stabil geltende kurdische Autonomiegebiet im Nordirak zu erreichen. Allein in Mossul waren binnen weniger Stunden 500.000 Menschen vor den Extremisten geflohen.
Ministerpräsident Al-Malikis Versuch, am 12. Juni 2014 den Notstand auszurufen, war am Parlament gescheitert, das eine Abstimmung wegen mangelnder Beteiligung verschob. Seit Monaten zeigt sich Al-Maliki praktisch machtlos gegen den Terror sunnitischer Extremisten im Land. Dieser kostete seit April 2013 Tausenden Menschen das Leben.
Der UN-Sicherheitsrat sagte der irakischen Regierung einmütig Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus zu. Die Nato und Großbritannien schlossen einen militärischen Eingriff aus. Auch der iranische Präsident Hassan Ruhani hat dem Nachbarland die uneingeschränkte Solidarität im Kampf gegen die Terrorgruppe Isis zugesichert. Sowohl auf regionaler als auch internationaler Ebene werde der Iran alles im Kampf gegen die Terroristen im Irak unternehmen, sagte Ruhani dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki. Mittlerweile prüft die US-Regierung auch militärische Optionen.
Obama hat in Maghreb, im Nahen und im Mittleren Osten viele unvollendete Baustellen aufgerissen, von denen er nach wie vor nicht weiß, wie er sie wieder herrichten soll, und er hat an vielen Stellen ein Vakuum erzeugt, so auch ein Vakuum im Irak, wo er vor lauter Populismus nichts Besseres wusste als einen Komplettabzug der amerikanischen Truppen in Szene zu setzen. Dieses Vakuum hat Isis ausgefüllt und Isis ist nicht über Nacht entstanden, Isis ist ein vernetzter Konzern mit einem großen weltweiten Sympathisantenheer. Isis könnte die Logistik seiner Militärmaschinerie niemals aufrecht erhalten, ohne Geldzufluss aus den Nachbarländern, aber auch nicht ohne die westlichen Strukturen wie Banken, internationalen Zahlungsverkehr und dergleichen zu nutzen. Und zu allem Überfluss wird auch die Zahl der Payrollsteher unter Journalisten und Politikern zunehmen.
Das gigantische Versagen Obamas in Syrien
Es liegt also ein gigantisches Versagen Obamas in der Verkennung des eigentlich offen liegenden Wachstums der Isis innerhalb kürzester Zeit vor. Das inzwischen bald ein Jahr andauernde Zaudern sich überhaupt mit dem Thema der islamistischen Gewalt, die durch seine verfehlte Syrienpolitik gefördert wurde, zu befassen, hat Isis groß gemacht.
Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2013 gingen die ersten Bilder von enthaupteten Kindern in Syrien um die Welt. Damals hieß es noch, die Täter seien syrische Rebellen gewesen, die gegen Assad kämpften, aber es gab keine vernünftigen Reaktionen aus den Hauptstädten des Westens oder der Westmedien. Und das Christkind wurde ganz beruhigt im Weißen Haus gefeiert.
Ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato
Und auch dies ist wahr: In Zeiten, in denen Assad seine Diktatur noch uneingeschränkt administrierte, war es eine nahe 100 %-Mehrheit der Syrer zufrieden. Niemand flüchtete, niemand wollte weg und die Zahl getöteter oder geschundener Menschen, die auf das Assadregime zurückgingen, war verschwindend gering im Verhältnis zu den Zahlen der ermordeten und getöteten Menschen seit der "arabische Frühling" auf Syrien übergriff. In allen westlichen Hauptstädten gab es eine kindische Fixierung auf die wenigen westlich orientierten Umsturzkräfte in Tunesien, Ägypten, Libyen bis nach Syrien. Fehleinschätzungen über Fehleinschätzungen, die vorhersehbar waren und die auch vorhergesehen wurden. So auch von der Autorin selber.
Erdogan ist kein sinnvoller Partner für den Westen
Die Fixierung auf syrische Widerstandskämpfer, die komplett undifferenziert betrachtet und unterstützt wurden, verkleisterte den Blick dafür, dass die Zahl der Demokraten im westlichen Sinn, die zur Waffe zu greifen bereit waren, von Anfang an so klein war, dass sie kaum mit der Lupe zu finden war. Und der letzte gravierende Fehler Obamas, wie auch seiner westlichen Partnerregierungen liegt in der von ihm als mächtigsten Mann des Bündnisses ausgehenden Fixiertheit auf Erdogan als Dreh-und Angelpunkt vor Ort.
Man muss es sportlich anerkennen, wie es Erdogan im Prinzip, seitdem er die politische Bühne in der Türkei betrat, aber erst recht seit er die türkische Politik mehr oder weniger alleine bestimmt, ob in der Rolle des Ministerpräsidenten oder in der Rolle des Staatspräsidenten, das macht für Erdogan keinen Unterschied, die westlichen Staatslenker am Nasenring führt. Es ist schon gespenstisch wie Erdogan die Nato und analog die EU für seine politischen Ambitionen gebraucht und gleichzeitig in essentiellen Punkten brüskiert.
Kämpfe um eine syrische Grenzstadt - Warum Kobane so wichtig ist
Die syrischen Kurden haben den Bürgerkrieg im Land zum Aufbau eigener regionaler Machtstrukturen in den mehrheitlich von ihnen bewohnten Gebieten genutzt. Nachdem sich die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad 2012 zurückgezogen hatten, übernahmen sie die Kontrolle und gründeten später im Norden des Landes drei „autonome Kantone“. An der türkischen Grenze kontrollierten sie wichtige Enklaven: im Nordwesten um die Stadt Afrin, im Nordosten um die Städte Hasaka und Al-Kamischli sowie im Norden um Kobane. Eine Übernahme Kobanes durch die Terrormiliz IS wäre nicht nur der Verlust einer strategisch wichtigen Versorgungsroute, sondern auch psychologisch eine schwere Niederlage.
Die etwa 5000 Milizionäre gehören vor allem den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) an. Sie sind mit der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) verbunden. Volksschutzeinheiten und PYD stehen der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe, die in der Türkei verboten ist. Im Kampf gegen den IS werden offenbar auch Selbstmordattentäter eingesetzt: Kurdische Aktivisten meldeten am Wochenende, dass eine Kämpferin mit einem Selbstmordanschlag Dutzende Extremisten getötet habe. Experten gehen davon aus, dass PKK-Kämpfer die syrischen Kurden unterstützen. Die kurdischen Milizionäre in Syrien sind nicht zu verwechseln mit den kurdischen Peschmerga-Kämpfern, die im Irak gegen den IS im Einsatz sind.
Nach kurdischen Angaben ist die überwiegende Mehrheit der verbliebenen Zivilisten an die türkischen Grenze in Sicherheit gebracht worden. Kobane wurde von den Volksschutzeinheiten zur „Militärzone“ erklärt. Laut türkischer Regierung sind mehr als 185 000 Menschen in die Türkei geflohen.
Die türkische Regierung hat den Kurden in Kobane Unterstützung zugesagt, zugleich aber klargemacht, dass sie damit in unmittelbarer Zukunft keinen Einsatz von Bodentruppen meint. Zwar hat das Parlament der Regierung ein Mandat für Militäreinsätze in Syrien und im Irak für ein Jahr erteilt. Allerdings verlangt Ankara für einen Einsatz von Bodentruppen eine umfassende internationale Strategie, die auch den Sturz des Assad-Regimes in Damaskus beinhaltet. Zugleich befürchtet Ankara, dass die Kurden an der türkischen Südgrenze die Keimzelle für einen eigenen Kurden-Staat legen könnten, sollte es ihnen gelingen, die Terrormiliz IS zurückzuschlagen.
Die IS-Kämpfer passen sich schnell und geschickt an die Luftschläge an. Sie verlassen Ziele, die von den USA ins Visier genommen werden und bringen Waffen und Geiseln an neue Stützpunkte. Zudem mischen sich die Kämpfer unter die Zivilbevölkerung und lassen auch viele ihrer schwarzen Flaggen wieder verschwinden. Weil Angriffe auf die IS-Infrastruktur schwieriger werden, hat sich auch das Tempo der Luftschläge verlangsamt, sagt David Schenker vom Washington Institute for Near East Policy. Die US-Regierung hat mehrfach betont, dass der IS nicht allein aus der Luft besiegt werden kann. Dem unabhängigen US-Instituts CSBA zufolge hat der Kampf bereits zwischen 780 und 930 Millionen Dollar (620 bis 740 Millionen Euro) verschlungen.
Erdogan ist in seiner Person ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato und für ein Abbruchszenario der Beitrittsverhandlungen. Und er wirkt kontraproduktiv im Kampf der Vereinigten Staaten gegen den von Obama ausgemachten Feind namens Isis. Das schöne Ostberliner Kommunistenlied "Sag mir, wo Du stehst?" fällt manch einem ein angesichts der gnadenlosen Politik, mit der Erdogan den Westen aussteigen lässt. Indes muss Erdogan nicht mehr gefragt werden. Durch seine Politik, wie sie aktuell in Kobane zu besichtigen ist, hat Erdogan alle Zweifel ausgeräumt. Er ist kein sinnvoller Vertragspartner für den Westen und er will es nicht einmal sein. Erdogan verfolgt seine regionalen Ziele gegen den Westen und dies sehr zielstrebig. Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy stellte deshalb schon vor einer guten Woche die Mitgliedschaft der Türkei in dem Bündnis infrage. "Das ist die Stunde der Wahrheit für ihre Präsenz in der Nato", sagte er.
Die Kurden und die Erdogan-Doktrin
Es sind keineswegs über tausend Jahre oder auch nur Jahrhunderte gewachsene staatlich gewachsene Strukturen, die dazu geführt haben, dass die Kurden keinen eigenen Staat abbekommen haben. Es ist vielmehr so, dass die Kurden als teils gewichtige und regelmäßig unterdrückte Minderheit gleichzeitig in mehreren Ländern, nämlich im Iran, im Irak, in Syrien und in der Türkei leben. Genau die westlichen Lager, die bei einer solchen Gegebenheit überall auf der Welt solche Bewegungen, wie die der Kurden als große Befreiungsinitiativen gefeiert hätten, die deren Widerstand gegen Unterdrücker und deren Kampf für Einheit und einen eigenen Staat fanatisch unterstützt hätten, überschlagen sich in Ansehung der Kurden und deren Organisationen, wie insbesondere der PKK, diese als Terrororganisationen zu brandmarken und diese Brandmarkung unverrückbar zu perpetuieren. Dazu muss gesagt werden, dass die Grenzziehungen im mittleren Osten vergleichsweise willkürliche und fahrlässige Hinterlassenschaften westlicher Imperialmächte in der Region waren. Es blieb damals für die Kurden eben kein Land übrig, was letzten Endes zu dem anhaltenden kurdischen Aufbegehren geführt hat.
Der Antiamerikanismus in Amerika
Obamas Isispolitik hat einen massiven türkischen Schönheitsfehler. Obama beugt sich Erdogans Kurden- und PKK-Politik und fördert sie damit faktisch. Auf Kurden, die eine türkische Polizeistation angegriffen hatten, vermutlich, weil sie unzufrieden waren, dass die Türkei die Kurden in ihrem Kampf gegen Isis behindert, lässt Erdogan schon mal mittels Kampfjets Bomben abwerfen. Sowas nennt man normalerweise Bürgerkrieg. Das Junktim, das man auch Erdogan-Doktrin nennen könnte, dass es nur einen gleichzeitigen Kampf gegen Assad und Isis geben könnte, wenn man denn diese Doktrin so nehmen will, wie sie verkauft wird, ist indes kein Naturgesetz und hat auch keine Logik, aber der Westen und Obama vorne weg beugen sich dieser Doktrin. Obamas Geißel Nr. 3 namens Isis ist also eine höchst überflüssigerweise selbst gemachte Weltkatastrophe, die erst am Anfang steht.
Zaudernde US-Präsidenten sind eine Gefahr
Zaudernde US-Präsidenten, die sich nur mit großen Schwierigkeiten in die Weltpolitik hineingedacht haben, sind eine eigene unerkannte Geißel der Menschheit. Der unwahrscheinlich schwache Jimmy Carter hat wesentliche Ursachen für das Verstärken der radikalen Strömungen im Islam und die Schwächung der moderaten Kräfte gesetzt, als er Khomeini, den Gründer des neuen Iran, wie man wohl sagen darf, gegen den verhassten Schah von Persien, der Frauenbefreiung und kulturelle und wirtschaftliche Modernität nach Persien gebracht hatte, gewähren ließ.
Einem verhassten Macher wie Ronald Reagan wird man dagegen seriöser Weise nicht absprechen können, dass er mit seiner kapitalistischen Aufrüstungspolitik das wirtschaftliche Implodieren der Sowjetunion beflügelt hat. Dem Antiamerikanismus in Amerika selbst, im Westen und im Rest der Welt haben schwache Präsidenten, die das Gute wollten, fatalerweise Vorschub geleistet und Präsidenten wie Ronald Reagan haben diese fatale Haltung gegenüber der einzig verbliebenen Supermacht eher gedämpft.
Es gibt zur Zeit nur ein Amerika und einen singulärem US-Präsidenten, der, ob es ihm passt oder nicht, mindestens tatsächlich gesehen, eine globale Führungsrolle spielt. Ein Präsident, der diese Führungsrolle nicht annimmt, vor ihr flieht, nicht weiß, was er mit ihr anfangen soll, lieber ein Gutmensch sein möchte, dem die Schuhe zu groß sind, der seine vielen Experten und Berater nicht lenken und nicht einschätzen kann, der sich nicht die richtigen Berater zu holen weiß, ist eine Gefahr für die Menschheit und das ist mitnichten übertrieben. Fehlentscheidungen im Weißen Haus verletzten Menschen nicht unmittelbar, töten Menschen nicht unmittelbar, aber ihre Fernwirkung kann Tragödien erzeugen.