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Obama und die "drei Geißeln" der Menschheit

Bettina Röhl Publizistin

Ob Ebola, Ukrainekonflikt, Weltwirtschaftskrise oder Isis-Terror: Die Schwäche von Barack Obamas Außenpolitik destabilisiert die Welt.

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Ebola, der Ukrainekonflikt und Isis-Terror seien derzeit die größten Geißeln der Menschheit, tönte Barack Obama Ende September in seiner Rede vor der Vereinten Nationen. Jetzt belehrt er die Welt erneut in Sachen Ebola: Allerdings warnt Obama diesmal vor den Panikmachern.

Ebola sei bislang eine völlig unbedeutende Krankheit angesichts der Tatsache, dass es zum Beispiel in den USA drei Ebola-Fälle bei einer Bevölkerung von 300 Millionen Amerikanern gäbe. Das Risiko sich anzustecken sei minimal. Es gäbe in den USA keine Gefahr einer Epidemie.

Das ist das Ebola-Virus

Was denn nun? Ist Ebola die größte Geißel der Menschheit oder doch nur eine nebenseitige Petitesse? Schneller kann niemand seine eigene gerade mal vier Wochen alte Aussage konterkarieren, als Obama es jetzt vorgemacht hat. Kein Wunder, dass ihm in Amerika, wo die Medien das Thema Ebola aktuell groß aufgebaut haben, ein mieses Krisenmanagement bei der Bekämpfung der Ebola-Krankheit vorgeworfen wird.

Die Ukrainekrise

Aus den Ereignissen in der Ukraine überhaupt eine Weltkrise mit Weltkriegsphantasien zu machen, kann nur Köpfen entspringen, die gelangweilt auf der Suche nach einer Sensation hin und her schwanken. Putin hat gewiss keine mustergültige Rolle gespielt. Leider ist er nicht der einzige, dem dieser Vorwurf zu machen ist. Aber ein globales Szenario aus der Sache zu machen, zeigt sehr wenig außenpolitische Souveränität.

Obama ist der Hauptverantwortliche für die Russlandallianz, die sich im Westen gebildet hat und die sich im Selbstbewusstsein historischer Intelligenz zu immer neuen Wirtschaftssanktionen gegen Russland hochschaukelt. Dabei wird geradezu masochistisch ein Schaden für die Weltwirtschaft in Kauf genommen - bei geringstem politischen Nutzen.

Und die Weltwirtschaft, für die der US-Präsident auch eine ganz heraus gehobene Verantwortung hat, die er mindestens de facto, wesentlich mitgestaltet, trübt sich derzeit ein. Die Politik des permanenten billigen Geldes, die die Weltwirtschaft in gefährliche Zonen treibt, hat ganz wesentlich ihre größte Keimzelle in den USA.

Es gibt andere massive Ursachen und dunkle Wolken an den Weltwirtschaftshimmel treiben. Phantasien vom schwarzen Freitag machen in den Medien bereits die Runde. Das ist sicher noch ein sinnloses Spiel mit dem Feuer, aber das Aufpeitschen von Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Weltkriegsphantasien, gar atomar aufgeheizt, die ihrerseits keinen positiven ökonomischen Effekt fördern, ist zusätzliches Gift für die Weltwirtschaft.

Die Euro-Krise, an die sich die Menschen gewöhnt haben und die die Medien zwischenzeitlich vergessen hatten, war nie weg. Aber jetzt sind alle erstaunt, dass die Euro-Krise wieder da ist. Zahltag, das ist das Datum der Abrechnung, aber bisher sind die vielfältigen Schäden gerade noch nicht bezahlt worden.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

Daran ändern Phantasien von Banken- Finanz-und Haftungsunionen nicht das Mindeste. Mit billigem Geld wurden die Finanz-und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre, unter Anhäufung neuer Schulden, verschleppt, aber nicht geheilt. Und die Verschleppung wiegt zum Beispiel die Bundesbürger in einem nie dagewesenen Wohlfühlrausch, dass auch nichts mehr passieren könne.

Dieser Wohlfühlrausch könnte allerdings auch damit erklärt werden, dass die tatsächlichen Krisen verdrängt werden und auch der größte Verdrängungskünstler in Wahrheit doch ein Unwohlgefühl mit sich herum trägt, welches er dann mit einem künstlich zur Schau gestellten Wohlbefinden zu betäuben versucht.

Die verfehlte Syrien-Politik des US-Präsidenten

Da Wirtschaft zu einem ganz großen Teil Psychologie ist, ist es gerade im Moment gefährlich, wenn der amerikanische Präsident und ihm nachtuend fast alle westlichen Regierungen für die Gesundung der Weltwirtschaft nichts oder nur wenig beizusteuern wissen. Tatsächlich wird die real existierende Geißel der Menschheit in Gestalt einer fragilen Konjunkturlage von Obama regelrecht ausgeklammert.

Isis ist auch eine Belastung für die Weltwirtschaft

Das ist umso erstaunlicher, als Obamas dritte Geißel der Menschheit, in Gestalt der Isis, nach allgemeiner Auffassung ihrerseits eine neue Belastung für die Weltwirtschaft darstellt. Geht es nach dem früheren Verteidigungsminister Robert Gates und dem Ex- Geheimdienstchef und ebenfalls Ex-Verteidigungsminister Leon Panetta, stellt sich Obamas Irakpolitik als mangelhaft dar.

Die viel gescholtenen Despoten von Ben Ali über Gaddafi bis zu Mubarak, Assad und Saddam Hussein, führten profane, so gesehen, laizistische Regierungen und dienten sich dem Westen jahrzehntelang als Garanten der In-Schach-Haltung der ohne sie explodierenden islamisch-islamistischen Kräfte an.

Dann kam der sogenannte arabische Frühling, den Obama mit leichtfertigen Redereien unkontrolliert und unkontrollierbar mit angefacht und angeheizt hat. Die von ihm wesentlich ermutigte Befreiungsbewegung im Iran 2009 hat Obama dagegen bekanntlich eiskalt der Vernichtung anheimfallen lassen, um die Tatsachen beim Namen zu nennen. Wohl weniger aus bösem Willen, den man Obama nicht unterstellen kann, aber aus außenpolitischem Dilettantismus. Sein Libyenkrieg war eine unüberlegte und niemals zu Ende gedachte Aktion und sein Auftritt gegen Assad, dem er drohte und demgegenüber er dann einknickte, war eine politische Katastrophe mit Langzeitwirkung.

Fakten zum Terror im Irak

Obama hat in Maghreb, im Nahen und im Mittleren Osten viele unvollendete Baustellen aufgerissen, von denen er nach wie vor nicht weiß, wie er sie wieder herrichten soll, und er hat an vielen Stellen ein Vakuum erzeugt, so auch ein Vakuum im Irak, wo er vor lauter Populismus nichts Besseres wusste als einen Komplettabzug der amerikanischen Truppen in Szene zu setzen. Dieses Vakuum hat Isis ausgefüllt und Isis ist nicht über Nacht entstanden, Isis ist ein vernetzter Konzern mit einem großen weltweiten Sympathisantenheer. Isis könnte die Logistik seiner Militärmaschinerie niemals aufrecht erhalten, ohne Geldzufluss aus den Nachbarländern, aber auch nicht ohne die westlichen Strukturen wie Banken, internationalen Zahlungsverkehr und dergleichen zu nutzen. Und zu allem Überfluss wird auch die Zahl der Payrollsteher unter Journalisten und Politikern zunehmen.

Das gigantische Versagen Obamas in Syrien

Es liegt also ein gigantisches Versagen Obamas in der Verkennung des eigentlich offen liegenden Wachstums der Isis innerhalb kürzester Zeit vor. Das inzwischen bald ein Jahr andauernde Zaudern sich überhaupt mit dem Thema der islamistischen Gewalt, die durch seine verfehlte Syrienpolitik gefördert wurde, zu befassen, hat Isis groß gemacht.

Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2013  gingen die ersten Bilder von enthaupteten Kindern in Syrien um die Welt. Damals hieß es noch, die Täter seien syrische Rebellen gewesen, die gegen Assad kämpften, aber es gab keine vernünftigen Reaktionen aus den Hauptstädten des Westens oder der Westmedien. Und das Christkind wurde ganz beruhigt im Weißen Haus gefeiert.

Ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato

Und auch dies ist wahr: In Zeiten, in denen Assad seine Diktatur noch uneingeschränkt administrierte, war es eine nahe 100 %-Mehrheit der Syrer zufrieden. Niemand flüchtete, niemand wollte weg und die Zahl getöteter oder geschundener Menschen, die auf das Assadregime zurückgingen, war verschwindend gering im Verhältnis zu den Zahlen der ermordeten und getöteten Menschen seit der "arabische Frühling" auf Syrien übergriff. In allen westlichen Hauptstädten gab es eine kindische Fixierung auf die wenigen westlich orientierten Umsturzkräfte in Tunesien, Ägypten, Libyen bis nach Syrien. Fehleinschätzungen über Fehleinschätzungen, die vorhersehbar waren und die auch vorhergesehen wurden. So auch von der Autorin selber.

Erdogan ist kein sinnvoller Partner für den Westen

Die Fixierung auf syrische Widerstandskämpfer, die komplett undifferenziert betrachtet und unterstützt wurden, verkleisterte den Blick dafür, dass die Zahl der Demokraten im westlichen Sinn, die zur Waffe zu greifen bereit waren, von Anfang an so klein war, dass sie kaum mit der Lupe zu finden war. Und der letzte gravierende Fehler Obamas, wie auch seiner westlichen Partnerregierungen liegt in der von ihm als mächtigsten Mann des Bündnisses ausgehenden Fixiertheit auf Erdogan als Dreh-und Angelpunkt vor Ort.

Man muss es sportlich anerkennen, wie es Erdogan im Prinzip, seitdem er die politische Bühne in der Türkei betrat, aber erst recht seit er die türkische Politik mehr oder weniger alleine bestimmt, ob in der Rolle des Ministerpräsidenten oder in der Rolle des Staatspräsidenten, das macht für Erdogan keinen Unterschied, die westlichen Staatslenker am Nasenring führt. Es ist schon gespenstisch wie Erdogan die Nato und analog die EU für seine politischen Ambitionen gebraucht und gleichzeitig in essentiellen Punkten brüskiert.

Kämpfe um eine syrische Grenzstadt - Warum Kobane so wichtig ist

Erdogan ist in seiner Person ein Ausschlussgrund der Türkei aus der Nato und für ein Abbruchszenario der Beitrittsverhandlungen. Und er wirkt kontraproduktiv im Kampf der Vereinigten Staaten gegen den von Obama ausgemachten Feind namens Isis. Das schöne Ostberliner Kommunistenlied "Sag mir, wo Du stehst?" fällt manch einem ein angesichts der gnadenlosen Politik, mit der Erdogan den Westen aussteigen lässt. Indes muss Erdogan nicht mehr gefragt werden. Durch seine Politik, wie sie aktuell in Kobane zu besichtigen ist, hat Erdogan alle Zweifel ausgeräumt. Er ist kein sinnvoller Vertragspartner für den Westen und er will es nicht einmal sein. Erdogan verfolgt seine regionalen Ziele gegen den Westen und dies sehr zielstrebig. Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy stellte deshalb schon vor einer guten Woche die Mitgliedschaft der Türkei in dem Bündnis infrage. "Das ist die Stunde der Wahrheit für ihre Präsenz in der Nato", sagte er.

Die Kurden und die Erdogan-Doktrin

Es sind keineswegs über tausend Jahre oder auch nur Jahrhunderte gewachsene staatlich gewachsene Strukturen, die dazu geführt haben, dass die Kurden keinen eigenen Staat abbekommen haben. Es ist vielmehr so, dass die Kurden als teils gewichtige und regelmäßig unterdrückte Minderheit gleichzeitig in mehreren Ländern, nämlich im Iran, im Irak, in Syrien und in der Türkei leben. Genau die westlichen Lager, die bei einer solchen Gegebenheit überall auf der Welt solche Bewegungen, wie die der Kurden als große Befreiungsinitiativen gefeiert hätten, die deren Widerstand gegen Unterdrücker und deren Kampf für Einheit und einen eigenen Staat fanatisch unterstützt hätten, überschlagen sich in Ansehung der Kurden und deren Organisationen, wie insbesondere der PKK, diese als Terrororganisationen zu brandmarken und diese Brandmarkung unverrückbar zu perpetuieren. Dazu muss gesagt werden, dass die Grenzziehungen im mittleren Osten vergleichsweise willkürliche und fahrlässige Hinterlassenschaften westlicher Imperialmächte in der Region waren. Es blieb damals  für die Kurden eben kein Land übrig, was letzten Endes zu dem anhaltenden kurdischen Aufbegehren geführt hat.

Der Antiamerikanismus in Amerika

Obamas Isispolitik hat einen massiven türkischen Schönheitsfehler. Obama beugt sich Erdogans Kurden- und PKK-Politik und fördert sie damit faktisch. Auf Kurden, die eine türkische Polizeistation angegriffen hatten, vermutlich, weil sie unzufrieden waren, dass die Türkei die Kurden in ihrem Kampf gegen Isis behindert, lässt Erdogan schon mal mittels Kampfjets Bomben abwerfen. Sowas nennt man normalerweise Bürgerkrieg. Das Junktim, das man auch Erdogan-Doktrin nennen könnte, dass es nur einen gleichzeitigen Kampf gegen Assad und Isis geben könnte, wenn man denn diese Doktrin so nehmen will, wie sie verkauft wird, ist indes kein Naturgesetz und hat auch keine Logik, aber der Westen und Obama vorne weg beugen sich dieser Doktrin. Obamas Geißel Nr. 3 namens Isis ist also eine höchst überflüssigerweise selbst gemachte Weltkatastrophe, die erst am Anfang steht.

Zaudernde US-Präsidenten sind eine Gefahr

Zaudernde US-Präsidenten, die sich nur mit großen Schwierigkeiten in die Weltpolitik hineingedacht haben, sind eine eigene unerkannte Geißel der Menschheit. Der unwahrscheinlich schwache Jimmy Carter hat wesentliche Ursachen für das Verstärken der radikalen Strömungen im Islam und die Schwächung der moderaten Kräfte gesetzt, als er Khomeini, den Gründer des neuen Iran, wie man wohl sagen darf, gegen den verhassten Schah von Persien, der Frauenbefreiung und kulturelle und wirtschaftliche Modernität nach Persien gebracht hatte, gewähren ließ.

Einem verhassten Macher wie Ronald Reagan wird man dagegen seriöser Weise nicht absprechen können, dass er mit seiner kapitalistischen Aufrüstungspolitik das wirtschaftliche Implodieren der Sowjetunion beflügelt hat. Dem Antiamerikanismus in Amerika selbst, im Westen und im Rest der Welt haben schwache Präsidenten, die das Gute wollten, fatalerweise Vorschub geleistet und Präsidenten wie Ronald Reagan haben diese fatale Haltung gegenüber der einzig verbliebenen Supermacht eher gedämpft.

Es gibt zur Zeit nur ein Amerika und einen singulärem US-Präsidenten, der, ob es ihm passt oder nicht, mindestens tatsächlich gesehen, eine globale Führungsrolle spielt. Ein Präsident, der diese Führungsrolle nicht annimmt, vor ihr flieht, nicht weiß, was er mit ihr anfangen soll, lieber ein Gutmensch sein möchte, dem die Schuhe zu groß sind, der seine vielen Experten und Berater nicht lenken und nicht einschätzen kann, der sich nicht die richtigen Berater zu holen weiß, ist eine Gefahr für die Menschheit und das ist mitnichten übertrieben. Fehlentscheidungen im Weißen Haus verletzten Menschen nicht unmittelbar, töten Menschen nicht unmittelbar, aber ihre Fernwirkung kann Tragödien erzeugen.

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