Die weltweiten Auswirkungen einer bewaffneten Auseinandersetzung um Taiwan bedrohen auch Deutschlands Wirtschaft. „Ein militärischer Konflikt in Taiwan ist vermutlich die größte Gefahr für die über die vergangenen Jahrzehnte aufgebauten engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China“, sagte Max Zenglein, Chef-Ökonom beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.
„Eine Eskalation würde eine Kettenreaktion mit weitreichenden negativen wirtschaftlichen Folgen nach sich ziehen“, sagte Zenglein. Störungen wichtiger Lieferketten oder mögliche Sanktionen wären mit massiven wirtschaftlichen Kosten verbunden.
Taiwanische Firmen nähmen in den globalen Lieferketten durch ihre dominante Position bei Halbleitern und auch bei anderen High-Tech-Komponenten für die Elektrotechnik eine „zentrale Rolle“ ein. „Die zunehmenden geopolitischen Risiken verdeutlichen uns derzeit, wie fragil die globalisierten Produktionsprozesse aufgestellt sind“, sagte Zenglein.
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Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der deutschen Handelskammer in China (AHK), Jens Hildebrandt, hob die Bedeutung des chinesischen Marktes für die deutsche Wirtschaft hervor. „China ist das Zentrum von Produktionshubs für wichtige Vor- und Zulieferprodukte in verschiedensten Industrien“, sagte Hildebrandt der dpa. „Ein weiterer Verlust von Vor- und Zwischenprodukten aus China würde der deutschen Wirtschaft einen düsteren Ausblick bescheren.“
Worum geht es bei dem Streit um Taiwan?
Der kommunistische Machtanspruch geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten zog die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Der heutige Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht eine „Vereinigung“ mit Taiwan als „historische Mission“.
Stand: September 2023
Die Insel zwischen Japan und den Philippinen hat große strategische Bedeutung. US-General Douglas MacArthur bezeichnete Taiwan einst als „unsinkbaren Flugzeugträger“ der USA. Eine Eroberung durch China wäre ein wichtiger Baustein in dessen Großmacht-Ambitionen, weil es das Tor zum Pazifik öffnen würde.
China zwingt jedes Land, das diplomatische Beziehungen mit Peking haben will, keine offiziellen Kontakte mit Taiwan zu unterhalten. Es ist vom „Ein-China-Grundsatz“ die Rede. Danach ist Peking die einzige legitime Vertretung Chinas. Auf chinesischen Druck wurde Taiwan aus den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen ausgeschlossen. Nur wenige kleinere Länder unterhalten noch diplomatische Beziehungen. Deutschland oder die USA betreiben nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh.
Die Taiwaner verstehen sich mehrheitlich längst als unabhängig und wollen zumindest den Status quo wahren. Auch wollen sie als Demokratie international anerkannt werden und sich keinem diktatorischen System wie in Festlandchina unterwerfen. Die frühere Kuomintang-Regierung hatte einst selber einen Vertretungsanspruch für ganz China, was sich bis heute im offiziellen Namen „Republik China“ widerspiegelt. Dieser Anspruch wurde 1994 aufgegeben. Damals wandelte sich Taiwan von einer Diktatur zu einer lebendigen Demokratie. Jede Veränderung des Status quo müsste aus Sicht der Regierung heute demokratisch von den 23 Millionen Taiwanern entschieden werden.
Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und größere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine - auch auf Deutschland. Taiwan ist Nummer 22 der großen Volkswirtschaften, industriell weit entwickelt und stark mit der Weltwirtschaft verflochten. Ein Großteil der ohnehin knappen Halbleiter stammen von dortigen Unternehmen. Wegen der großen Abhängigkeit vom chinesischen Markt wären deutsche Unternehmen massiv betroffen, wenn ähnlich wie gegen Russland wirtschaftliche Sanktionen gegen China verhängt werden sollten.
Stand: September 2023
Die wochenlangen Lockdowns durch Chinas Null-Covid-Strategie hätten die Lieferketten bereits empfindlich gestört. „Die Auswirkungen davon haben die deutsche Wirtschaft sowie deutsche Konsumenten deutlich zu spüren bekommen“, sagte Hildebrandt. China sei Deutschlands größter Handelspartner seit sechs Jahren. Nach den USA sei China der größte deutsche Exportmarkt, hob Hildebrandt hervor.
Gleichzeitig sei Deutschland innerhalb der EU aber auch der wichtigste Exportmarkt für chinesische Unternehmen. „Es ist wichtig zu erkennen, dass es sich bei den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen um eine gegenseitige Abhängigkeit handelt.“
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