WirtschaftsWoche: Herr Engelke, Sie haben mit Ihrem Unternehmen Triad Berlin den Aufbau eines von fünf Themenpavillons verantwortet. Wie fällt Ihre Bilanz der Expo 2010 in Shanghai aus?Engelke: Von den Besucherzahlen her ist es die erfolgreichste Weltausstellung der Geschichte. Mehr als 70 Millionen Menschen werden bis 31.10. auf dem Gelände gewesen sein. Wir konnten während der Ausstellung insgesamt mehr als acht Millionen Besucher in unserem Themenpavillon "Urban Planet" begrüßen, da kann man zufrieden sein. Damit gehört er zu den beliebtesten der Expo. Insgesamt fehlte der Expo aber eine inhaltliche Stringenz.
Was meinen Sie?Die Expo stand unter dem Motto "Better City, Better Life", aber leider haben sich viele Nationen nicht an das Thema gehalten. Stattdessen wirkten viele Länderpavillons oft wie sehr aufwendig in Szene gesetzte Reisebüros. Etliche Teilnehmernationen hatten offenbar kein Interesse daran, das komplexe Thema Urbanität zu berücksichtigen. Kulturelle oder Markenklischees zu präsentieren ist mitunter unterhaltsam aber bedeutet zugleich Thema verfehlt.
Welche Länder haben Sie denn besonders enttäuscht?Die USA und Kanada beispielsweise. Beide Länder glaubten, es reiche aus, den Besuchern zwei Filmchen über das Thema Innovation und Stadtleben zu zeigen. Auch Taiwan, Japan, Italien oder Frankreich waren wenig inspirierend.
Wie beurteilen Sie den Auftritt des deutschen Beitrags "Balancity"?Die Verantwortlichen haben sich dezidiert mit dem Motto auseinander gesetzt. Die Chinesen haben die Interaktionen sehr gemocht. Er war auf dem Europaplatz sehr gut positioniert.
Der Pavillon zeigt zum Beispiel übergroße Bilder touristischer Attraktionen der 16 Bundesländer wie den Kölner Dom, das Brandenburger Tor oder Neuschwanstein. Viele Asiaten lassen sich davor fotografieren. Ist das ein sinnvoller Beitrag zu "Better City, better life"?
Engelke: Der deutsche Pavillon vermittelt nicht nur ein sehr positives Deutschlandbild. Er setzt sich auch interaktiv, spielfreudig und innovativ mit den Problemen des Stadtlebens auseinande. Man konnte dort singen, spielen, und vieles über Mehr-Generationen-Häuser, Stadtentwicklung in Deutschland und innovativen Produkten aus Deutschland lernen. Die Balancity als schwingende Kugel die gemeinsam bewegt werden konnte ist ein starkes Bild. Der Pavillon hat aus meiner Sicht seine Aufgabe sehr erfolgreich erfüllt, auch wenn er hier und da in der Kritik stand. Man darf vor allem eins nicht vergessen: Die Expo in China ist für 95 Prozent chinesischer Besucher gemacht. Circa Prozent internationales Publikum war vertreten, also rund 3.5 Millionen.
"Chinesische Besucher standen oft vier Stunden an"
Und die Chinesen haben den deutschen Beitrag Pavillon gemocht?
Absolut. Der deutsche Pavillon war mit mehr als 4 Millionen Besuchern einer der erfolgreichsten Länderpavillons. Die chinesischen Besucher standen oft bis zu vier Stunden an, um dort rein zu kommen.
Hat sich die Expo denn für Shanghai und China ausgezahlt?
Trotz vieler Kritik: So eine große Expo hat es noch nie gegeben und sie wird es in dieser Form auch nicht mehr geben. Mehr als 70 Millionen Besucher, das ist eine beeindruckende Bilanz. Hinzu kommt: Viele der 95 Prozent Besucher aus China konnten sich zum ersten Mal intensiv mit anderen Ländern und den globalem Problemen von Städten auseinandersetzen. China hat nach der Olympiade mit der Expo ein starkes Zeichen nach innen und außen gesetzt. Dazu kommt: Shanghai hat eine gewaltige Infrastruktur mitten in der Stadt dazu bekommen, die nach der Expo in den Stadtkörper integriert wird. In der Summe war es eine umfassende Begegnungsplattform von Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Das Format ist einzigartig, muß sich aber für 2015 verändern
Können sie mit Ihren Beitrag "Urban Planet", in dem Sie Bilder von Wasserverschmutzung, Abfallproblemen und Umweltzerstörung zeigen eine ähnliche Bilanz ziehen?
Der Urban Planet war radikal gesagt: Marketing für einen dringend notwendigen Bwußtseinswandel Viele Chinesen haben solche Bilder zum allerersten Mal gesehen. Deshalb hat sich jeder Wendung, Drehung und harte Diskussion mit unseren chinesischen Auftraggebern gelohnt. Wir könnten die Besucher mit Emotionen abholen und sie durch Informationen und Anschaulichkeit auf die komplexe Reise des Themas Megacities mitnehmen. Eine 35 meter große Weltkugel zu sehen, die ihre eigene Lebens und Leidensgeschichte erzählt ist schon sehr erhebend. Probleme und Lösungen von Megacities werden zunehmend zu den Schlüsselwahrnehmungen unserer Gegenwart. Deshalb war der Urban Planet das wichtigste Schnittstellenprojekt zum Expo Thema Better City - Better Life. Mehr als 8 Millionen Besucher zum Nachdenken anregen ist im übrigen eine lohnende und nachhaltige Aufgabe. Auch wenn wir uns mit der chinesischen Expogesellscaft nicht immer einig waren.
Inwiefern?
Die chinesischen Behörden betrachteten unser Konzept zunächst als Kritik an China. Erst als wir darauf aufmerksam machten, dass Wasserverschmutzng, Ressourcenknappheit, Verkehrsstau Klimawandel und unendliche Müllberge globale Probleme sind, stimmten sie unserem Konzept zu. Für viele Chinesen war das jedenfalls äußerst lehrreich. In der Regel werden solche Fotos wegen der Zensur im Fernsehen und Internet nicht gezeigt. Abschließend möchte ich sagen. Auch wir haben viel gelernt von China, nicht nur Jin und Jang oder die fünf Elemente sondern was bedeutet in einer anderen und noch jungen zweiten Moderne zu leben.