Im Vorfeld der Spiele hatten viele Beobachter Schlimmes erwartet. Die chinesische Regierung fürchtet kaum etwas mehr als größere Ansammlungen von Menschen. Manche Bars und Diskotheken in Peking mussten darum schon vor Beginn der Spiele dichtmachen. Das Vics, eine der größten Diskos der Stadt, ist geschlossen, ebenso das Maggie’s, beliebter Treffpunkt von in Peking lebenden Ausländern. Außerdem hat die Polizei schon vor Wochen ihre Präsenz in den Kneipenverteln der Stadt massiv verstärkt. Stimmung, so die Befürchtung, kann da kaum aufkommen. Tatsächlich macht die so genannte „Sanlitun-Barstreet“ mit ihren vielen Pubs und kleinen Restaurants an diesem Abend zunächst einen etwas bedrückenden Eindruck auf mich. Links und rechts stehen alle zehn Meter zwei Polizisten in blauen Uniformen. Dazu weitere Sicherheitskräfte in roten Hemden. Sie patroullieren in Vierergruppen durch die Straßen. Der südliche Teil der Straße ist ansonsten wie ausgestorben. Kaum einer der Tische, die die Kneipenbesitzer auf dem Bürgersteig aufgestellt haben ist besetzt. In den Club 22 beispielsweise haben sich gerade Mal zwei Gäste verirrt.
Doch am anderen, dem nördlichen Ende der „Barstreet“, ist das Bild genau andersherum. Die Pubs sind voll, die Stimmung ist ausgelassen. Australische Fans in gelb-grünen Monturen tragen ein aufblasbares Gummi-Känguru durch die Straße. Amerikaner, Schweden, Kanadier prosten sich zu: Sie alle feiern miteinander. „Das geht hier bis halb sieben Uhr morgens“, sagt ein amerikanischer Olympia-Besucher, der in den letzten Tage einige Male dort war. Von dem massiven Sicherheitsaufgebot lässt sich hier niemand beeindrucken. Das letzte Mal sei er 2001 in Peking gewesen, erzählt der Amerikaner, und bringt mich auf einen Punkt, den viele von uns in letzter Zeit allzu oft vergessen haben: „In China sich in den letzten paar Jahren wahnsinnig viel verändert, und zwar zum Positiven.“ Offener, toleranter sei China geworden, erklärt der Amerikaner.
Weniger ausgelassen geht es bei Frank’s Place, einem britischen Pub mit viel Holz und irischem Kilkenny-Bier vom Fass, zu. Die meisten Gäste sind Stammgäste, die in Peking leben. Olympia-Fans, Athleten? Fehlanzeige. Die Kneipe ist eine alt eingesessene Institution in Peking. Vor 18 Jahren habe ich Frank’s Place zum ersten Mal besucht. Inzwischen ist das Lokal umgezogen, von seinem Charme hat es nichs verloren. „Mit Olympia hat unser Umsatz um 50 Prozent zugelegt“, erzählt Mitbesitzer Graham Forbes. Vor allem Journalisten, die in einem Hotel nebenan untergebracht seien, kämen spätabends noch auf ein Bier.
Die Bierpreise hat Forbes für die Olympiazeit denn auch um 50 Prozent raufgesetzt. Eigentlich wollte er draußen auch eine Großbildleinwand aufbauen, damit sich die Gäste die Wettbewerbe ansehen können. Doch das haben die Behörden untersagt. „Sie sagten, sie wollten keine Menschenansammlungen“, erzählt Forbes. Außerdem hätten sie unter Androhung von 5000 Yuan (500 Euro) Strafe verlangt, dass er vor der Kneipe eine chinesische Flagge aufhängt. Jeden Tag schaut die Polizei nun bei Forbes vorbei und checkt, ob der die Regeln einhält. „Peking ist effizient und sauber“, sagt er, „aber Stimmung wie in Sydney vor acht Jahren ist hier nicht.“