Bomben in Syrien Russland weist Tötungsvorwurf von Amnesty zurück

Streubomben in bewohnten Gebieten: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft Russland vor, seit Ende September mindestens 200 Zivilisten getötet zu haben. Moskau wehrt sich nun gegen die Vorwürfe.

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Ende September hatte Russland begonnen, in den Krieg in Syrien einzugreifen. Quelle: dpa

Die russischen Luftangriffe im syrischen Bürgerkrieg töten Amnesty International zufolge Hunderte Zivilisten und zerstören Wohngebiete und Kliniken. Auch eine Moschee und ein Markt seien getroffen worden, teilte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in London mit. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass die russische Armee Streumunition sowie Bomben ohne Lenksysteme in dicht besiedelten Gebieten einsetze. Die Angriffe verstießen gegen die Menschenrechte und kämen Kriegsverbrechen gleich.

Russland weist die Vorwürfe nun entschieden zurück. Der Bericht von Amnesty International bestehe aus „Fälschungen“, kritisierte Igor Konaschenkow vom Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch. Der Text bleibe durch Worte wie „vermutlich“ und „möglicherweise“ sehr vage und enthalte keine konkreten Beweise. Die Menschenrechtsorganisation könne keine verlässlichen Informationen über die Ziele der russischen Kampfjets in dem Bürgerkriegsland haben, meinte Konaschenkow. Er wies zudem Vorwürfe zurück, Russland setze in Syrien Streubomben ein. Er kritisierte, dass es keinerlei Koordination bei den verschiedenen Militäraktionen in dem Bürgerkriegsland gebe. Neben Russland fliegt dort auch eine US-geführte Koalition Luftangriffe.

Die einflussreichsten Rebellengruppen in Syrien

Syrische Oppositionelle warfen zudem dem Regime in Damaskus erneut den Einsatz von Giftgas vor. Die Luftwaffe habe südwestlich der Hauptstadt Fassbomben mit einem nicht identifizierten Stoff abgeworfen, erklärten Aktivisten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, fünf Menschen seien bei dem Angriff auf Maadamijet al-Scham getötet worden.

23 weitere litten unter Atemprobleme, roten Augen, vergrößerten Pupillen und Lungenblutungen, erklärte die Menschenrechtsbeobachter weiter. Ein Video aus dem Ort zeigt nach Angaben von Aktivisten, wie Verletzte in einer Krankenstation mit Sauerstoff behandelt werden.

Maadamijet al-Scham gehört zu den Regionen, die 2013 mit Giftgas angegriffen worden waren. Mehr als 1300 Menschen starben. Aktivisten und Regierungen im Westen machten dafür das Regime verantwortlich, das die Anschuldigung jedoch zurückwies. Allerdings willigte die Regierung anschließend ein, ihre Chemiewaffenbestände zu zerstören.

Das Gesicht eines Mannes ist am 30.03.2013 bedeckt mit Staub, nach einem Raketenangriff im Stadtteil Ansari in Aleppo, Syrien. Foto: Thomas Rassloff +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Der Amnesty-Bericht konzentriert sich auf sechs Angriffe zwischen September und November in Homs, Idlib und Aleppo, bei denen rund 200 Zivilisten und rund ein Dutzend Kämpfer ums Leben gekommen seien. Die Organisation wirft Moskau vor, falsche Angaben zu zivilen Opfern gemacht zu haben.

„Es ist unbedingt notwendig, dass die mutmaßlichen Verstöße unabhängig und unparteiisch untersucht werden“, sagte Philip Luther, der bei Amnesty für den Nahen Osten und Nordafrika zuständig ist, in einer Mitteilung. Für den Bericht hat die Organisation nach eigenen Angaben Augenzeugen befragt und mit Hilfe von Militärexperten Bildmaterial ausgewertet.

Als Beispiel nennt der Bericht einen Angriff am 15. Oktober, bei dem 46 Zivilisten getötet worden seien, davon 32 Kinder und elf Frauen. Sie hätten im Keller eines Wohnhauses in der Nähe von Homs Schutz gesucht.

Filmmaterial habe keine Hinweise darauf gegeben, dass Kämpfer vor Ort gewesen seien. Zudem hätten Waffenexperten aus Bildern der Zerstörung geschlossen, dass möglicherweise Aerosolbomben zum Einsatz gekommen seien. Sie werden auch Vakuumbomben genannt, ihr Einsatz in der Nähe von Zivilisten ist verboten.

Nach Berichten über die Zerstörung einer Moschee am 1. Oktober in der Region Idlib habe Russland die Fotos als gefälscht bezeichnet, heißt es bei Amnesty weiter. Satellitenbilder, die beweisen sollten, dass das Gebäude noch stehe, hätten aber eine andere Moschee gezeigt. „Die russischen Behörden haben anscheinend Taschenspielertricks genutzt, um zu versuchen, sich Vorwürfen und der Prüfung ihrer Taten in Syrien zu entziehen“, kritisierte Luther.

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