
Mehrere Hundert Meter tief sind die Stollen, aus denen der Düngemittelkonzern K+S seinen Reichtum baggert. Das Dax-Unternehmen mit Sitz in Kassel fördert seine begehrten Salz- und Magnesiumprodukte ausschließlich in deutschen Bergwerken, erzielt aber rund die Hälfte seiner Umsätze in Dollar. Und weil die US-Währung gegenüber dem Euro kräftig aufgewertet hat, zählt das Unternehmen zu den Profiteuren der aktuellen Dollar-Hausse. „Insgesamt gehen wir für die K+S Gruppe davon aus, dass ein um zehn Cent stärkerer Dollar für unser operatives Ergebnis ein Plus von 50 Millionen Euro bedeuten würde“, rechnet ein Sprecher vor.
Doch wo Gewinner sind, gibt es auch Verlierer. Zum Problem wird die Dollar-Hausse für die Luftfahrt. Ihr geht der Preisvorteil beim Kerosineinkauf verloren, weil das eigentlich billiger werdende Öl in aufwertender US-Währung zu zahlen ist. Gleichzeitig sinkt das Interesse heimischer Touristen an Flügen ins außereuropäische Ausland, während sich die vom billigen Euro angelockten Besucher Deutschlands meist von den Fluglinien ihrer Heimatländer befördern lassen.
Das sind die Gewinner und Verlierer der Währungsschwäche
Die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro auf Talfahrt geschickt. Nach Einschätzung von Analysten könnte ein Euro schon bald weniger als ein US-Dollar kosten - erstmals seit mehr als zwölf Jahren. Ein schwacher Euro hilft Firmen aus der Eurozone, die Waren außerhalb des Währungsraums verkaufen wollen. Denn ihre Autos oder Maschinen werden auf den Weltmärkten günstiger - etwa in wichtigen Märkten wie Asien oder Amerika. Die Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ oder anderen Euro-Staaten dürfte anziehen. Schon 2014 verkaufte Deutschland so viele Waren ins Ausland wie nie zuvor. Allerdings: Immerhin 37 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Dort spielt der Wechselkurs keine Rolle.
Mehr Exporte = mehr Produktion = mehr Arbeitsplätze. Ganz so einfach geht es in der Praxis nicht, aber der EZB-Kurs mit Nullzins und Geldschwemme zielt auch in diese Richtung. Allein über den Preis werden Unternehmen aus dem Euroraum dank des niedrigen Eurokurses wettbewerbsfähiger. Somit stehen die Chancen gut, dass sie mehr verkaufen und ihre Fabriken besser ausgelastet sind. Das könnte mittelfristig auch neue Arbeitsplätze schaffen. All das bringt die heimische Wirtschaft voran.
„Das Milliarden-Geschenk“ titelte das „Handelsblatt“ am 22. Januar, als die EZB ihr gigantisches Anleihenkaufprogramm beschloss. Die lockere Geldpolitik der Notenbank könnte exportstarken deutschen Konzernen nach Berechnungen der Commerzbank im laufenden Jahr zwölf Milliarden Euro zusätzlich an Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in die Kassen spülen - allein weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verliert. Vom Euroverfall profitieren demnach vor allem jene Firmen, die Rechnungen und Löhne in Euro bezahlen, aber in Dollar abrechnen.
Wer Waren oder Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, muss sich auf höhere Kosten einstellen. Denn wichtige Rohstoffe wie etwa Öl werden international in Dollar gehandelt. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar an Wert verliert, werden solche Importe für Abnehmer im Euroraum tendenziell teurer. Deshalb sei ein schwacher Euro für die Exportnation Deutschland auch nur auf den ersten Blick erfreulich, kommentiert der Außenhandelsverband BGA: „Ohne die niedrigen Rohstoffpreise würde der schwache Euro tiefe Spuren in unserer Importrechnung hinterlassen und somit auch die Verkaufspreise im Export erhöhen.“ In Deutschland wäre der Preisrückgang bei Benzin und Heizöl in den vergangenen Monaten noch deutlicher ausgefallen, wenn der Eurokurs nicht so stark nachgegeben hätte.
Urlaube in der Schweiz oder in die USA werden teurer, wenn der Euro gegenüber anderen wichtigen Währungen an Wert verliert. Ende Januar rechnete der Bundesverband deutscher Banken (BdB) vor: Die Kaufkraft eines Euro in der Schweiz betrage nur noch etwa 55 Cent. Das heißt: Waren und Dienstleistungen waren dort zu diesem Zeitpunkt im Schnitt fast doppelt so teuer wie in Deutschland. Auch für Reisen in andere Nicht-Euroländer wie Großbritannien oder die Türkei müssen Verbraucher aus Euroländern tiefer in die Tasche greifen. Auf der anderen Seite wird für Amerikaner oder Chinesen ein Trip nach Berlin, Athen oder an die Côte d'Azur attraktiver.
Für den Ausbau ihrer Geschäfte außerhalb des Euroraums müssen Unternehmen aus dem Euroraum tendenziell mehr Geld in die Hand nehmen. Wer etwa eine Fabrik in China oder in den USA errichten will und dies in der jeweiligen Landeswährung bezahlt, legt in Euro gerechnet künftig drauf.
Während die US-Notenbank Fed ihre Geldschleusen absehbar wieder schließen will, fährt die EZB einen genau entgegengesetzten Kurs. Das erhöht die Gefahr, dass es zu einem „Währungskrieg“ kommt. Mit ihren milliardenschweren Anleihenkäufen habe die EZB „eine Tür geöffnet, hinter der die Gefahr eines Abwertungswettlaufes lauert“, kritisierte BGA-Präsident Anton F. Börner. Die Erfahrung zeigt, dass es in solchen Fällen nur Verlierer gibt.
Flugzeugbauer
Auch für die Flugzeugbauer wie den Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus Group oder den Münchner Triebwerkshersteller MTU ist der starke Greenback keine Hilfe. Die Unternehmen hatten sich auf einen fallenden Dollar eingestellt. So hat sich Airbus noch Ende vergangenen Jahres zu einem Kurs von gut 1,30 Dollar pro Euro abgesichert. Die Folge: Beim Verkauf eines Verkehrsflugzeugs vom Typ Airbus A320 zum Listenpreis von 97 Millionen Dollar bekommt Airbus wegen des gesicherten Wechselkurses nur 74 Millionen Euro statt gut 91 Millionen Euro zum aktuellen Kurs. „Wir sind fast vollständig abgesichert bis 2017“, sagt der heutige Finanzvorstand Harald Wilhelm. „Erst danach entlastet uns der stärkere Dollar so richtig.“
Konzernchef Tom Enders reagiert auf die veränderte Währungsrelation, indem er mehr Produktion in den Dollar-Raum verlagert. Auf diese Weise deckt Airbus bereits fast zwei Drittel seiner Dollar-Einnahmen – statt rund 40 Prozent vor gut fünf Jahren. Zudem soll ein Flugzeugwerk im US-Bundesstaat Alabama öffnen und auch das Werk im chinesischen Tianjin mehr Maschinen produzieren.





Chemie und Stahl
Produktionsanlagen in den USA helfen jedoch nicht nur bei der Absicherung. Mit ihnen lässt sich jetzt auch am starken Dollar verdienen. Das macht der Chemieriese BASF aus Ludwigshafen vor, der im amerikanischen Markt den Platz des drittgrößten Chemieunternehmens einnimmt. „Eine ganzjährige Aufwertung des Dollar um einen Cent gegenüber dem Euro steigert bei sonst gleichen Bedingungen das Ergebnis der BASF um etwa 50 Millionen Euro“, sagt ein Sprecher.
Auf ähnliche Weise profitiert auch ThyssenKrupp. Der Stahlkonzern baut Aufzüge in Middleton im US-Bundesstaat Tennessee und managt in Wichita, Kansas, als Dienstleister für den Flugzeugbauer Boeing dessen komplette Lieferkette. Insgesamt 22 große Standorte betreibt das Unternehmen in den USA, fast 15.000 Mitarbeiter erwirtschaften dort einen Umsatz von umgerechnet 6,9 Milliarden Euro, knapp 17 Prozent des Konzernumsatzes. Da das US-Geschäft derzeit profitabel sei, könne sich der Gewinnrückfluss durch einen aufwertenden Dollar erhöhen, hoffen die Essener. Zu Hause in Deutschland profitiert das Stahlunternehmen von der steigenden Nachfrage nach deutschen Autos, schließlich ist die Autoindustrie für ThyssenKrupp der größte Abnehmer von Stahl und Fahrzeugkomponenten.