„Bratislava Roadmap“ EU will Vertrauen der Bürger zurückgewinnen

Wie geht es in der EU ohne Großbritannien weiter? Das Brexit-Votum hat die Union in die Krise gestürzt. Aber Ursache aller Probleme ist es nicht, sondern eher Symptom. Viele Menschen zweifeln am europäischen Projekt.

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Nach dem britischen Referendum seien eine nüchterne Bestandsaufnahme und „brutale Offenheit“ gefordert, sagte Tusk in Bratislava. Quelle: AFP

Bratislava Knapp drei Monate nach dem britischen Votum für einen EU-Austritt kommen die Staats- und Regierungschefs der übrigen 27 Mitglieder in Bratislava zusammen, um einen Weg aus der Krise finden. EU-Ratspräsident Donald Tusk legt am Freitag in der slowakischen Hauptstadt eine „Bratislava Roadmap“ vor, also einen Fahrplan für konkrete Projekte, um das Vertrauen der Bürger in die EU zurückzugewinnen.

Dabei geht es unter anderem um eine bessere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik, den Kampf gegen den Terrorismus, die Sicherung der EU-Außengrenzen, aber auch um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vor allem in Südeuropa.

Tusk sagte am Donnerstagabend, nach dem britischen Referendum seien eine nüchterne Bestandsaufnahme und „brutale Offenheit“ gefordert. Notwendig sei eine realistische Diagnose der Ursachen der Brexit-Entscheidung. Niemand dürfe so tun, als ob „alles in Ordnung war und ist“.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande haben nach den Terroranschlägen der vergangenen Monate bereits angekündigt, die militärische Rolle der EU stärken zu wollen. Ihr Konzept schlägt unter anderem ein gemeinsames militärisches Hauptquartier für EU-Missionen und bessere Koordination bei der Beschaffung von Rüstungsgütern vor.

Zur Reduzierung des Flüchtlingszuzugs wollen die 27 EU-Staaten auch über eine effektivere Sicherung der Außengrenzen beraten. Die umstrittene und bisher gescheiterte faire Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten dürfte aber nur am Rande zur Sprache kommen. Statt alte Konflikte aufzureißen soll das Treffen in Bratislava vor allem ein Signal der Geschlossenheit aussenden.

Dessen ungeachtet kritisierte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die mittelosteuropäischen Länder, die Deutschland in der Flüchtlingskrise im Stich gelassen hätten. Der SPD-Politiker sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag), Deutschland habe erhebliche Lasten bei der Unterstützung eben jener Länder getragen, die nun ihre Hilfe in der Flüchtlingsfrage verweigerten. So würden jene 17 Milliarden Euro, die etwa Polen jedes Jahr netto aus dem EU-Haushalt erhalte, „mitfinanziert von den hart arbeitenden Leuten in Deutschland“.

Schulz verwies darauf, dass sich einige mittelosteuropäische Staaten von Russland bedroht fühlten und militärischen Beistand sowie „praktizierte Solidarität“ in Form von Sanktionen gegen Moskau erführen. Wenn aber „Flüchtlinge kommen, sagen dieselben Länder, die gestern noch erfolgreich Solidarität eingefordert haben, sie seien nicht bereit, etwas zu tun“.

Die slowakischen Gastgeber haben die Erwartungen an den Gipfel schon im Vorfeld hoch geschraubt: Regierungschef Robert Fico als Gastgeber will das Funktionieren der EU auf eine neue, bürgernähere Basis stellen. Das Brexit-Votum habe gezeigt, dass die EU-Institutionen das Vertrauen der Bürger verloren hätten. Deshalb sei ein Neuanfang unausweichlich. Wenn der Bratislava-Gipfel so ablaufen würde wie bisherige Gipfeltreffen in Brüssel, dann hätte er keinen Sinn, warnte Fico wiederholt.

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