Brexit-Debatte Ein bisschen Widerstand

Großbritanniens Premierministerin Theresa May dürfte sich mit ihren Brexit-Plänen im Unterhaus durchsetzen. Die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU werden möglicherweise früher als gedacht in Gang gesetzt.

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Die britische Premierministerin plant einen harten Brexit. Quelle: Reuters

London Der Mann ist einer der letzten großen Pro-Europäer in der Tory-Partei: Kenneth Clarke. Und das unterstrich er am Dienstag erneut mit seinem Auftritt im britischen Parlament. Mit einer großen Portion Sarkasmus und Witz nahm er die Brexit-Pläne von Großbritanniens Premierministerin Theresa May auseinander: „Wir kombinieren den Rückzug vom Binnenmarkt und der Zollunion mit dieser tollen neuen globalisierten Zukunft, die uns gewaltige Möglichkeiten bietet“, sagte der 76-Jährige, „offensichtlich folgt man dem Hasen, der in einem Loch verschwindet und in einem Wunderland wieder rauskommt, in dem Staaten Schlange stehen, um uns Handelsvorteile einzuräumen und Zugang zu ihren Märkten, den wir nie als Teil der Europäischen Union bekommen hätten.“ Das sei pure Fantasie und daher werde er gegen das Gesetz stimmen.

Kenneth Clarke dürfte in der Minderheit sein. Das Gesetz, das er ablehnen will, soll Theresa May grünes Licht geben, um schon möglichst bald die offiziellen Scheidungsgespräche mit der EU in Gang zu setzen. Sie will das Austrittsgesuch bis Ende März einreichen. Läuft alles glatt und bekommt sie das grüne Licht des Parlaments, könnte sie das aber möglicherweise bereits am 9. März beim EU-Gipfel machen. Die Austrittsverhandlungen sind auf zwei Jahre angelegt, so dass Großbritannien im Frühjahr 2019 die Staatengemeinschaft verlassen könnte. May hat jüngst klargemacht, dass sie einen harten Bruch mit der EU anstrebt. Der Brexit soll mit einer Abkehr vom Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion einhergehen, um Einwanderungskontrollen einführen zu können.

Bei der Parlamentsdebatte über das Gesetz war Clarke einer der wenigen, die mit Herzblut für Europa argumentierten und sich nicht dem Druck beugten, den Brexit-Minister David Davis aufzubauen versuchte: Eine Ablehnung dieser Gesetzesvorlage werde das Vertrauen der Menschen in die Politiker zerstören, betonte Davis. Es dürfe daher keine Versuche geben, in der EU zu bleiben oder über eine Hintertür oder ein zweites Referendum der Staatengemeinschaft wieder beizutreten. Schließlich hätte im Juni vergangenen Jahres die Mehrheit der Briten für den Austritt gestimmt.

Angesichts dieses Arguments will auch die oppositionelle Labour-Partei voraussichtlich für das Gesetz votieren, wie Keir Starmer signalisierte. Er ist im Labour-Schattenkabinett für das Thema Brexit zuständig. Man müsse aber sicherstellen, dass der EU-Austritt am Ende nicht nur für die 52 Prozent der Briten funktioniere, die für den Abschied von der EU stimmten, sondern auch für die 48 Prozent, die dagegen waren, schränkte Starmer ein.


Hätte ein „harter Brexit“ vermieden werden können?

Labour setzt sich daher ein, dass die Gesetzesvorlage um einige Punkte erweitert wird. So soll die Regierung beispielsweise die Parlamentarier regelmäßig über die Fortschritte bei den Verhandlungen mit der EU informieren und den Abgeordneten auch mehr Einfluss als bisher vorgesehen bei der finalen Abstimmung über den Brexit-Deal geben.

Neben Kenneth Clarke werden voraussichtlich auch die Liberaldemokraten im Unterhaus gegen den Gesetzesentwurf stimmen. Nick Clegg, ehemaliger Vize-Premierminister und einst Parteichef der Liberaldemokraten, machte bei seinem Auftritt deutlich, dass Kompromisse mit der EU durchaus möglich gewesen seien und ein harter Brexit, wie May ihn vorhat, hätte abgewendet werden können.

Er habe aus guter Quelle gehört, so Clegg, Deutschland sei kurz nach Einzug von May in die Downing Street bereit gewesen, Lösungen für eine Art britische Notbremse bei der Einwanderung auszuloten – wenn sich Großbritannien im Gegenzug auf einen für die Wirtschaft möglichst schonenden Brexit eingelassen hätte. „Aber was hat die Regierung stattdessen entschieden? Sie hat sich entschieden, alle freundlichen Verbindungen mit Europa abzulehnen und die Bedürfnisse von Schottland, Nordirland und London zu ignorieren“, so Clegg.

Das Parlament setzt die Diskussion über Mays Brexit-Pläne am Mittwoch fort. Voraussichtlich am Mittwochabend steht die Abstimmung über die Gesetzesvorlage im Unterhaus an. Kommt es zu Änderungen und Ergänzungen, sollen diese nächste Woche debattiert werden, bevor der Gesetzesentwurf ins Oberhaus geht. Beobachtern zufolge könnte es dort für May schwieriger werden, grünes Licht für ihre Pläne zu bekommen, da die Tories im House of Lords nicht die Mehrheit haben.

Vor allem Nick Clegg hat May am Dienstag auch für ihren Umgang mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump kritisiert. Die britische Bevölkerung habe der Regierung mit Sicherheit nicht das Mandat gegeben, alle Brücken zu Europa abzubrechen und auf die andere Seite des Atlantiks zu eilen – zu einem Präsidenten, dessen Protektionismus und Isolationismus den Interessen des Königreichs völlig entgegengesetzt sei.

Großbritanniens Premierministerin hatte Trump bei ihrem US-Besuch vergangene Woche auch zu einem Staatsbesuch auf der Insel eingeladen. Das wollen mehr als 1,7 Millionen Briten verhindern und haben eine Onlinepetition unterzeichnet. Der US-Präsident könne Großbritannien zwar besuchen, allerdings solle das kein offizieller Staatsbesuch werden, um die Queen nicht in Verlegenheit zu bringen, heißt es in der Petition. Angesichts der vielen Unterzeichner wird sich das Parlament mit dem Thema beschäftigen. Die Debatte ist für den 20. Februar angesetzt.

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