Brexit „Die Debatte wird die Hölle“

Die britische Regierung hat dem Parlament einen wichtigen Gesetzesentwurf für den bevorstehenden Austritt aus der Europäischen Union vorgelegt. Die Opposition hat Widerspruch gegen das Brexit-Gesetz angekündigt.

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Die britische Regierung hat am Donnerstag den ersten Gesetzesentwurf für den Austritt aus der EU vorgestellt. Quelle: dpa

London Großbritannien macht einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Ausstieg aus der Europäischen Union (EU): Am Donnerstag stellte die Regierung den so genannten „Repeal Bill“ im Parlament vor. Aber die Abgeordneten hatten den 66-seitigen Gesetzesentwurf noch nicht in der Hand, da wurde bereits Kritik laut. Die Opposition kündigte an, die in den kommenden Wochen bevorstehende Diskussion im Parlament über das Brexit-Gesetz werde „die Hölle“ für die Regierung.

Wie stabil die Regierung ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn der „Repeal Bill“ im Parlament diskutiert wird. Wird er vom Parlament genehmigt, kann nach dem eigentlichen Brexit dann Gesetz für Gesetz auf den Prüfstand gestellt werden. Das Aufhebungsgesetz umfasst alle Gesetze, die von den EU-Institutionen seit dem Beitritt Großbritanniens im Jahre 1972 gefasst wurden und dadurch auf der Insel galten. Mit dem nun vorgelegten Gesetzesentwurf sollen diese Regelungen in nationales Recht überführt werden. So will die Regierung sicherstellen, dass nach dem Brexit kein Rechtsvakuum entsteht und der Abschied „ruhig und geordnet“ ablaufen kann, wie Brexit-Minister David Davis erklärt hatte.

Der Abstimmung über den Gesetzesentwurf könnte die Premierministerin gelassen entgegensehen, wenn sie eine komfortable Mehrheit im Parlament hätte – das ist aber nicht der Fall. Gerade einmal 318 der 650 Stimmen im Parlament werden der konservativen Regierungspartei zugerechnet. Nachdem May mit der nordirischen DUP einen umstrittenen Deal ausgehandelt hatte, kann sie zwar – bei wichtigen Fragen – auf die Unterstützung der zehn Abgeordneten zählen, aber auch dann beträgt ihre Mehrheit gerade einmal drei Stimmen. Keine sehr komfortable Lage, um eines der größten gesetzgeberischen Projekte Großbritanniens anzugehen. Die Opposition muss nur einige wenige konservative Abgeordnete auf ihre Seite ziehen – angesichts des viel diskutierten Brexit-Votums keine unmöglich erscheinende Aufgabe.

In einem ungewöhnlich emotionalen Interview gab die Regierungschefin am Donnerstag auch erstmals zu, wie hart die vergangenen Wochen für sie waren. Bei den – von ihr ausgerufenen – Parlamentswahlen hatte ihre Partei herbe Verluste verbucht und die Mehrheit im Parlament verloren. Die Schuld dafür gaben viele Briten der Regierungschefin. Sie sei „am Boden zerstört“ gewesen und habe „eine kleine Träne“ vergossen, als am Wahlabend die ersten Prognosen darauf hindeuteten, dass die Konservativen Mandate eingebüßt haben, erzählte sie nun der „BBC“. „Als das Ergebnis vorlag, war das ein völliger Schock.“ Eigentlich hatte sie die Neuwahlen ausgerufen in der Hoffnung, die Mehrheit ihrer Partei ausbauen zu können und so ihre Position bei den Brexit-Verhandlungen zu stärken – doch seit der Wahl steht sie in der Kritik wie nie zuvor.

Die Opposition hingegen befindet sich im Aufwind. Am Donnerstag war der Vorsitzende der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sogar selbst zu Gesprächen nach Brüssel gereist.

In der kommenden Woche wird auch die offizielle Brexit-Delegation ihre Verhandlungen fortsetzen. Dafür hatte das Brexit-Ministerium in London erstmals drei Positionspapiere veröffentlicht. Darin bestätigte die Regierung, sie wolle aus dem Atombündnis Euratom austreten, danach aber eng mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Doch wichtige Fragen wie der Zugang zu medizinisch notwendigem Nuklearmaterial seien überhaupt nicht erwähnt, kritisierten die Liberaldemokraten.

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