Brexit-Klausur Mays unrealistischer Brexit-Plan

Das Brexit-Kabinett von Theresa May hat sich auf einen Brexit-Kurs verständigt. Das Modell „Kanada plus plus plus“ ist ein Scheinkompromiss und wird von der EU abgelehnt.

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Brexit-Klausur: Theresa Mays unrealistischer Brexit-Plan Quelle: dpa

London Beim Abendessen mit geschmorter Querrippe haben sich Theresa Mays Minister im Brexit-Streit auf einen Waffenstillstand geeinigt. Nach einer achtstündigen Diskussion auf dem Landsitz der britischen Premierministerin in Chequers heißt das Wunschmodell der britischen Regierung weiterhin „Kanada plus plus plus“.

Als Grundlage der künftigen Handelsbeziehung strebt May ein Freihandelsabkommen wie das zwischen der EU und Kanada (Ceta) an. Für einzelne Güter und Dienstleistungen möchte sie jedoch mehr Zugang zum Binnenmarkt aushandeln.

Statt sich den Binnenmarktregeln zu unterwerfen, schlägt die britische Regierung ein Modell der gegenseitigen Anerkennung vor: Beide Seiten erkennen ihre Regeln und Aufseher als gleichwertig an. Im Fall von Verstößen soll ein neuer Schlichtungsmechanismus greifen, der mit Sanktionen bewehrt ist.

Der Vorschlag wird in London auch als „Drei-Körbe-Modell“ bezeichnet, für die drei unterschiedlichen Stufen des Binnenmarktzugangs: So soll es Branchen wie die Autoindustrie geben, die vollen Zugang haben, andere mit beschränktem Zugang und welche mit gar keinem Zugang. Für die beiden letzteren Körbe hätte Großbritannien dann die Möglichkeit, eigene Regeln festzulegen.

May will das Modell kommende Woche in einer weiteren Brexit-Rede vorstellen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass die EU darauf eingeht. Die Briten könnten sich nicht die Teile des Binnenmarktes aussuchen, die ihnen gefallen, und den Rest ablehnen, heißt es in Brüssel seit Monaten. In einer Präsentation der EU-Kommission heißt es, das Drei-Körbe-Modell sei „nicht vereinbar“ mit den EU-Verhandlungsrichtlinien.

Die Premierministerin hatte die Brexit-Arbeitsgruppe des Kabinetts am Donnerstag zur Klausur gerufen, um endlich einen gemeinsamen Kurs festzulegen. In der Gruppe sitzen fünf Minister, die für einen klaren Bruch mit der EU eintreten, und fünf Minister, die den größtmöglichen Zugang zu Binnenmarkt und Zollunion sichern wollen.

Als Gäste geladen waren auch die britischen Botschafter in Paris und Brüssel. Man traf sich um zwei Uhr nachmittags und tagte bis 22 Uhr. Im Detail wurde über die Autobranche, die Landwirtschaft und den digitalen Handel geredet.

Das Treffen endete wie ein klassischer EU-Gipfel: Es war spät, und beide Seiten behaupteten, sie hätten sich durchgesetzt. Die „Financial Times“ zitierte einen Leaver mit den Worten, das Prinzip der regulatorischen Abweichung habe gewonnen. Ein Vertreter des Remain-Lagers hingegen sagte, diese Darstellung sei falsch: „Beide haben bekommen, was sie wollten“.
Dieses Ergebnis war befürchtet worden. Weil beide Lager auf ihren Forderungen beharren, werden sie einfach alle aufgenommen. Das Problem ist: Sie bleiben widersprüchlich. Die Klausurtagung hat also ihr Ziel verfehlt: Die britische Regierung hat weiterhin keinen realistischen Brexit-Kurs.

Für die Leaver ist das oberste Ziel, dass Großbritannien nach dem Brexit seine eigenen Regeln machen kann. Sonst, argumentieren sie, kann man nicht von einem echten Brexit reden.

Das jedoch beißt sich mit dem Ziel, größtmöglichen EU-Zugang für die eigenen Unternehmen zu behalten. Das vorgeschlagene Modell der gegenseitigen Anerkennung wird von der EU abgelehnt, weil es zu aufwändig ist, ständig Regelabweichungen mit einem Nicht-Mitglied abzustimmen und zu überwachen.

Ungeklärt blieb erneut die Frage der irischen Grenze: Wenn Großbritannien aus der Zollunion aussteigt, werden Zollkontrollen nötig. Zugleich hat May jedoch versprochen, dass die Grenze offen bleibt und keine feste Infrastruktur errichtet wird. Beides zusammen geht nicht.

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