Brexit-Niederlage im Parlament Aufstand gegen Theresa May

Das britische Parlament hat sich ein Veto zum Brexit erkämpft, Theresa May ihre erste Abstimmungsniederlage im Unterhaus erlitten. Es wurde Zeit, dass das Parlament der Regierung Einhalt gebietet. Eine Analyse.

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Düsseldorf Der Änderungsantrag ist nur 24 Worte lang, doch er hat es in sich. Das britische Unterhaus hat sich am Mittwochabend im Brexit-Prozess ein Vetorecht gesichert. Die Abgeordneten können nun den EU-Ausstieg stoppen, wenn ihnen der Deal nicht gefällt, den die Premierministerin Theresa May im kommenden Jahr aus Brüssel mitbringt.

Es war die erste Niederlage für die konservative Minderheitsregierung im Unterhaus. Mit 309 zu 305 Stimmen wurde der Änderungsantrag zum Brexit-Gesetz am späten Mittwochabend angenommen.11 pro-europäische Tories, angeführt von Antragsteller Dominic Grieve, machten gemeinsame Sache mit der Opposition.

Die Niederlage ist zunächst peinlich für Theresa May. Sie zeigt, auf welch wackeligen Füßen ihre Regierung steht. Die Autorität der Premierministerin wird weiter ausgehöhlt, sie reist geschwächt zum EU-Gipfel an diesem Freitag in Brüssel.

Ob diese Abstimmung tatsächlich Auswirkungen auf das Brexit-Ergebnis haben wird, ist aber fraglich. Theoretisch könnten die Abgeordneten nun den EU-Ausstieg verzögern oder ganz aufhalten. Eine Mehrheit der Parlamentarier war immer schon dagegen. Doch wenn sie ihr Veto einsetzen, würden sie sich über das Votum ihrer Wähler beim Referendum im vergangenen Jahr hinwegsetzen. Das galt bislang als unwahrscheinlich. Sollte sich die öffentliche Meinung im kommenden Jahr entscheidend gegen den Brexit wenden, gäbe es vielleicht eine Chance.

Das Veto ist also potenziell gefährlich. Deshalb hatte May alles daran gesetzt, dem Parlament dieses Recht vorzuenthalten. Die Abweichler wurden in Einzelgesprächen bearbeitet, ein paar fielen unter dem Druck auch um, es flossen Tränen. Doch die Mehrheit der Rebellen blieb eisern. Sie mussten ihren Worten endlich Taten folgen lassen. Seit Monaten beschweren sie sich über den Brexit-Kurs der Premierministerin. Bislang hatten sie aber stets mit der Regierung gestimmt.

Der Aufstand der Tories wirkt auf die EU-Anhänger im Land wie ein Befreiungsschlag. „Wir haben die Kontrolle über den Ausstiegsprozess zurückgeholt“, twitterte die Abgeordnete Nicky Morgan zufrieden. Die Brexit-Gegner hoffen, dass das Parlament zumindest einen weicheren Brexit sicherstellen kann.

Im Brexit-Lager sorgte der Akt des Ungehorsams hingegen für blanke Wut. „Seid Ihr stolz auf Euch?“, donnerte die „Daily Mail“ unter den Fotos der elf Abweichler. „Elf Unzufriedene ziehen den Brexit-Unterhändlern den Teppich unter den Füßen weg und verraten ihre Anführerin, ihre Partei und 17,4 Millionen Brexit-Wähler“.

May hatte die Abweichler gewarnt, dass es ihren Handlungsspielraum in Brüssel einschränke, wenn das Parlament das letzte Wort über den Deal hat. Sie könne nicht glaubwürdig mit dem Abbruch der Verhandlungen drohen, wenn sie hinterher vom Parlament wieder zurück an den Verhandlungstisch geschickt werden kann, so die Argumentation.

Die Premierministerin ist auch der Ansicht, dass sie bereits ein Mandat vom Parlament hat, das Land aus der EU zu führen. Mit dem Ausstiegsantrag nach Artikel 50 im März habe man den Prozess in Gang gesetzt. Jetzt gehe es nur um die Umsetzung. Das Parlament dürfe daher nicht noch einmal über den Austritt abstimmen. May hat den Kampf noch nicht aufgegeben: Sie will offenbar versuchen, das Vetorecht im neuen Jahr wieder zu entfernen.

Mays nächste Niederlage zeichnet sich jedoch schon ab. Kommende Woche wird über den Antrag der Regierung abgestimmt, das Brexit-Datum in das Brexit-Gesetz zu schreiben. May will so die Brexit-Fraktion beruhigen, dass es keine Verzögerungen gibt. Kritiker hingegen weisen darauf hin, dass die Regierung sich damit selbst unnötig die Hände binde. Die Tory-Abweichler, angeführt von Grieve, haben angekündigt, dies zu verhindern. Sie wollen die Regierung vor einem weiteren Eigentor bewahren.

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