Brexit Nordirlands Handel mit Großbritannien nach Brexit deutlich gestiegen

Nordirland gehört nach wie vor de-facto der EU-Zollunion an – und profitiert davon. Unternehmen hätten damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber britischen Firmen.

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Seit dem Brexit profitiert der irische Handel. Quelle: dpa

Nordirland ist der Brexit-Gewinner im Vereinigten Königreich. Weil die britische Provinz nach wie vor de facto zur EU-Zollunion und dem Binnenmarkt gehört, haben Unternehmen einen deutlichen Vorteil gegenüber ihren britischen Wettbewerbern, wie der Industrieverband Manufacturing NI betont. Der Kosmetikunternehmer Brendan McDowell sagte der britischen Nachrichtenagentur PA, die Regelung biete ein Schlupfloch. Er bekomme Anfragen großer US-Marken, die auf seiner Website landen wollen, weil sie von dort aus problemlos mit Großbritannien als auch mit der EU handeln können.

Für den nordirischen Handel bedeutete der Brexit einen enormen Schub, wie aus Zahlen der irischen Behörde Irish Maritime Development Office hervorgeht. Demnach stieg der Warenverkehr mit Großbritannien in den ersten drei Quartalen 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17 Prozent. Im Vergleich zu 2019, also vor Beginn der Pandemie, legte der Handel mit Großbritannien um 9 Prozent zu.

Der Handel zwischen dem EU-Mitglied Irland und Großbritannien brach im gleichen Zeitraum hingegen deutlich ein. Verlierer sind die irischen Häfen Dublin und Rosslare, über die bis zum Brexit der Handel mit Großbritannien lief. An ihre Stelle sind nordirische Häfen gerückt: In Warrenpoint an der inneririschen Grenze legte der Containerverkehr im dritten Quartal um 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu.

Das deutet darauf hin, dass viele Waren, die zwischen Irland und Großbritannien gehandelt werden, nun über Nordirland verschifft werden. Außenhandelsexperte Marc Lehnfeld von der bundeseigenen Gesellschaft GTAI wies darauf hin, dass derzeit die im Brexit-Vertrag vereinbarten Kontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien teils noch ausgesetzt sind. Aber: „Es zeigt sich, dass sich für Nordirland offensichtlich eine neue bedeutende Rolle im Handel zwischen Großbritannien und Irland entwickelt“, sagte Lehnfeld.

Manufacturing NI setzt sich dementsprechend dafür ein, dass mit der EU vereinbarte Nordirland-Protokoll beizubehalten, das die britische Regierung neu verhandeln will. Verbandschef Stephen Kelly sagte, für die Unternehmen sei das Protokoll der Garant für kontinuierlichen Zugang sowohl in die EU als auch nach Großbritannien. 80 Prozent der Unternehmen seien Pragmatiker. „Sie wollen, dass das Protokoll funktioniert, sie erkennen Möglichkeiten und wollen vorankommen“, sagte Kelly dem irischen Sender RTÉ. Der Landesteil hat die Corona-Pandemie deutlich besser verkraftet als der Rest des Königreichs: Im dritten Quartal lag die Wirtschaftskraft nur noch um 0,3 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau - das Wirtschaftszentrum London schnitt deutlich schlechter ab.

Das sogenannte Nordirland-Protokoll sorgt de facto für eine innerbritische Zollgrenze in der Irischen See und ist London sowie nordirischen Befürwortern der Union mit Großbritannien daher ein Dorn im Auge. Anfängliche Lieferprobleme, die zu leeren Supermarktregalen geführt hatten, wurden mittlerweile auch durch einen enormen Anstieg des Handels mit Irland wettgemacht. Exporte in das EU-Land schossen in den ersten zehn Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 63 Prozent in die Höhe, Importe legten um 46 Prozent zu.

Anders sieht es im irischen Handel mit Großbritannien aus - Importe brachen um 21 Prozent ein. Der Warenaustausch zwischen Irland und den übrigen EU-Staaten boomt hingegen. Im Hafen Rosslare nahm das Volumen im EU-Handel um 378 Prozent zu. Zudem hat die Nachfrage nach direkten Schiffsverbindungen mit der EU zugenommen, um die traditionelle Route durch Großbritannien, auf der nun viel Bürokratie zu erledigen ist, zu umgehen. Gab es im Vorjahr lediglich etwa ein Dutzend Direktverbindungen zwischen Irland und dem EU-Festland, sind es nun 44, wie irische Medien berichteten.

Mehr: Der britische Premier beschwört eine angebliche Notlage in Nordirland und schürt den Streit mit Brüssel. Die Unternehmen vor Ort fürchten neues Chaos.

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