Brexit und die Flüchtlinge Die Studie des Grauens

Durch den Brexit steht den Großbritannien eine Flut von Einbürgerungsanträgen von EU-Ausländern bevor. Doch auch für viele der drei Millionen EU-Bürger im Land verheißen neue Erkenntnisse einer Studie nichts Gutes.

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Rein rechnerisch könnte sich die Anzahl von Anträgen auf dauerhaftes Bleiberecht auf dem Schreibtisch der Beamten wegen des Brexits vereinhundertvierzigfachen, heißt es so in einer aktuellen Studie der Universität Oxford.

London Beamten haben nicht gerade den Ruf, schnell und gern zu arbeiten. Das ist auch in Großbritannien nicht anders. Doch wie eine Studie zeigt, müssen manche Behördenmitarbeiter tatsächlich fürchten, bald von Arbeit erschlagen zu werden: Rein rechnerisch könnte sich die Anzahl von Anträgen auf dauerhaftes Bleiberecht auf dem Schreibtisch der Beamten wegen des Brexits vereinhundertvierzigfachen, heißt es so in einer aktuellen Studie der Universität Oxford.

In den vergangenen fünf Jahren habe das zuständige Home Office im Schnitt 25.500 Anträge pro Jahr bearbeitet, rechnen die Wissenschaftler des „The Migration Observatory“ vor. Wenn jeder der 3,5 Millionen Menschen, die aus der EU und der Schweiz in Großbritannien leben, im Zuge des Brexits einen solchen Antrag stellen würde, würden die Beamten damit in einem Jahr so viele Anträge zu bearbeiten haben wie sonst in 140 Jahren – „eine Herausforderung“, wie es die Wissenschaftler zurückhaltend formulieren. Zumal ein solcher Antrag über 80 Seiten dick ist.

Derzeit fürchten viele EU-Ausländer das Land verlassen zu müssen. Ihr Schicksal ist nach dem Referendum zu einem wahren Politikum geworden: Als Theresa May noch nicht zur Premierministerin ernannt worden war, versuchte ihre Gegnerin Andrea Leadsom das Thema und damit verbundene Wählerstimmen für sich zu gewinnen.

Und auch jetzt, nach der Ernennung von May zur Premierministerin, wird noch hitzig über das Schicksal der EU-Einwanderer diskutiert. May gilt als Hardliner beim Thema Migration und will die Zahl der Einwanderer begrenzen, auch die Zahl der EU-Migranten. Über den Status der EU-Bürger, die bereits im Königreich leben und arbeiten, müsse mit Brüssel noch verhandelt werden, verkündete May mehrfach – denn sie will im Gegenzug Zusagen für diejenigen Briten, die im EU-Ausland leben.

Noch ist unklar, was passiert, wenn Großbritannien die für den Austritt notwendigen Schritte einleitet und welcher Stichtag dann für das Bleiberecht der EU-Ausländer gelten wird. Zudem ist unklar, welche Regelungen dann gelten – schließlich könnte May ein ähnliches Modell wie Norwegen aushandeln, wodurch die Regeln der Bewegungsfreiheit der EU weiter gelten würden. Das halten viele Beobachter allerdings für unwahrscheinlich, schließlich befeuerte gerade der Frust über zu viele Einwanderer aus anderen Ländern der EU das Brexit-Lager.

Nach derzeitigem Recht bekommen EU-Bürger in Großbritannien ein dauerhaftes Bleiberecht, wenn sie fünf Jahre im Land sind und arbeiten (selbstständig oder angestellt), Arbeit suchen, Selbstversorger oder Student sind und krankenversichert waren. Rund 975.000 Menschen dürften Anfang 2016 diese Fünf-Jahres-Frist erfüllen, haben die Wissenschaftler hochgerechnet. Aber so lange der Austritt noch nicht vollzogen ist, läuft die Zeit weiter. Sollte es in zwei Jahren zu einem Austritt kommen, dürften sich somit 435.000 weitere EU-Ausländer ein Bleiberecht „ersessen“ haben.

Es gibt aber einen Haken: Man muss diese fünf Jahre nachweisen. Deswegen hat schon so manch ein EU-Ausländer angefangen, hektisch seine Unterlagen durchzukramen. Für diejenigen, die in den fünf Jahren ohne Unterbrechung Vollzeit als Angestellter gearbeitet haben, „dürfte es ein recht einfacher Prozess sein“, prognostizieren die Wissenschaftler – für andere, etwa Rentner, die von ihren Ersparnissen leben, „könnte es komplizierter werden“.

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