Brexit-Urteil Acht Richter gegen Theresa May

Großbritanniens höchstes Gericht verweist Theresa May in die Schranken: Sie braucht die Zustimmung des Parlaments, um mit den Brexit-Gesprächen loszulegen. Die Frage ist nun: Wie viel Mitsprache erhalten die Abgeordneten?

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Künstler Kaya Mar mit einem Werk zu Theresa May: Großbritanniens Premierministern braucht die Zustimmung des Parlaments, um die offiziellen Austrittsverhandlungen mit der EU in Gang zu setzen. Quelle: dpa

London Großbritanniens Oberster Richter kam schnell zur Sache: Sofort im Einstieg seiner mit Spannung erwarteten Urteilsverkündung betonte David Neuberger, dass das britische Parlament den Beitritt des Landes zur Europäischen Union (EU) beschlossen habe. Und das habe jetzt auch Folgen für die Scheidung: Großbritanniens Premierministern Theresa May brauche die Zustimmung des Parlaments, um die offiziellen Austrittsverhandlungen mit Brüssel in Gang zu setzen, sagte Neuberger. Acht der insgesamt elf Richter am britischen Supreme Court hätten sich dafür ausgesprochen.

Damit hat der Oberste Gerichtshof am Dienstag ein vorausgehendes Urteil von Anfang November bestätigt. Medienberichten zufolge hat die Regierung bereits mit Vorbereitungen auf die Niederlage begonnen und arbeitet an einer Gesetzesvorlage, die den Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Demnach will May diesen Entwurf möglichst knapp halten, um langwierige Diskussionen zu vermeiden und die Chancen zu erhöhen, dass sie mit ihren Plänen durchkommt. Sie will mit den offiziellen Austrittsgespräche mit der EU laut Artikel 50 des Lissabon-Vertrages bis Ende März starten.

Doch Juristen haben die Regierung bereits gewarnt, dass die Gesetzesvorlage nicht zu knapp ausfallen sollte. Denn sollte dieses Gesetz nicht genug Details zu dem geplanten Vorgehen enthalten, würde sich die Regierung angreifbar machen und so möglicherweise weitere juristische Streitigkeiten möglich machen.

Die Gesetzesvorlage müsse wasserdicht sein, fordert Gina Miller, eine Londoner Fondsmanagerin. Sie gehört zu der Gruppe von Klägern, die die Artikel-50-Frage vors Gericht gebracht haben. Vorzugsweise sollte es ein umfangreiches Diskussionspapier geben, um die Sache gründlich und umfassend anzugehen, schließlich sei der EU-Austritt von signifikanter Bedeutung, so Miller.

Nach Einschätzung von Beobachtern wird die Mehrheit der Parlamentarier May grünes Licht geben, so dass sie voraussichtlich wie geplant bis Ende März das Austrittsgesuch stellen kann. Keir Starmer, Labour-Schattenminister für das Thema Brexit, will allerdings bei der anstehenden Abstimmung durchsetzen, dass die Abgeordneten am Ende der Verhandlungen mit der EU mehr Mitsprache über den Brexit-Deal bekommen.

May hat den Abgeordneten zwar zugesichert, dass sie über das Verhandlungsergebnis abstimmen dürfen. Sie werden bisherigen Signalen zufolge aber nur die Möglichkeiten haben, dem Deal zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Starmer will Medienberichten zufolge auch für die Möglichkeit kämpfen, May am Ende zu zwingen, erneut mit der EU zu verhandeln, wenn das bis dahin vorliegende Ergebnis bei der Mehrheit der Parlamentarier durchfällt.


Weitere juristische Hürden für May

Selbst wenn die Regierung jetzt neue Rechtsstreitigkeiten über den Zeitpunkt, wann Artikel 50 ausgelöst wird, vermeiden sollte, May stehen noch eine Reihe anderer juristischen Hürden in Sachen Brexit bevor. Anfang Februar steht vor dem Londoner High Court, der ersten Instanz für wichtige Fälle, eine Anhörung zu der Frage an: Muss das Parlament auch zustimmen, wenn Theresa May den Austritt aus dem Europäischen Binnenmarkt anstrebt?

Dass sie genau das vorhat, hat die Premierministerin vor einer Woche in einer wichtigen Brexit-Rede bestätigt. Sie will auch der Zollunion den Rücken kehren und den Einfluss des Europäischen Gerichtshofs abschütteln.

In Irland bahnt sich ein anderer Brexit-Rechtsstreit an. Es geht um die Frage, ob man den Europäischen Gerichtshof in den Prozess einbezieht und entscheiden lässt, ob ein EU-Austrittsgesuch Großbritanniens gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrages unumstößlich ist, oder widerrufen werden kann.

Vor allem die lautstarken Brexit-Befürworter kritisieren die Einschaltung der Gerichte massiv und sehen darin einen Versuch der britischen Europa-Anhänger, einen Austritt aus der Staatengemeinschaft zu verzögern. Die Richter, die in der ersten Instanz für mehr Mitsprache des Parlaments in Sachen Artikel 50 stimmten, wurden als „Feinde des Volkes“ tituliert.

David Neuberger, Großbritanniens oberster Richter, sah sich daher bei der Anhörung vor dem Supreme Court im Dezember gezwungen, eine reine Selbstverständlichkeit zu betonen: „Wir wissen um die starken Gefühle, die mit politischen Fragen um den EU-Austritt einhergehen“, sagt Neuberger. Sich damit auseinanderzusetzen sei aber nicht seine Aufgabe. „Unsere Pflicht ist es, sich unvoreingenommen mit Rechtsfragen zu befassen.“

Und bei diesen Rechtsfragen gehe es nicht darum, ob Großbritannien aus der EU austritt oder nicht, sondern um das Prozedere, wie dieser Schritt über die Bühne gehen sollte. Auch mehr Mitsprache des Parlaments wollen die Brexit-Befürworter nach Möglichkeit vermeiden. Sie fürchten, dass die Abgeordneten, die mehrheitlich als EU-freundlich gelten, eine engere Anbindung an die Staatengemeinschaft erhalten und einen harten Bruch verhindern werden.

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