Brexit-Votum So groß ist der Schaden für Europas Konjunktur

Die Unsicherheit nach dem Nein der Briten zur EU ist groß. Viele Länder fürchten die konjunkturellen Folgen, auch Deutschland wird den Brexit spüren. Ein Streifzug unserer Korrespondenten durch Europas Wirtschaft.

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Wie wirkt sich der Austritt Großbritanniens auf die Wirtschaft in Europa aus? Viele Länder sorgen sich.

London, Rom, Stockholm, Berlin, Wien, Paris Kurzfristig schadet das Brexit-Votum der deutschen Wirtschaft wenig, mittelfristig womöglich schon. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer ersten Analyse mehrerer Studien, die im Vorfeld des Referendums erstellt wurden. Die Handelsbeziehungen mit den britischen Unternehmen bleiben rechtlich bis zum tatsächlichen Vollzug des Austritts bestehen, an Zöllen, Marktzugängen ändert sich nichts.

„Die Geschäftspartner jenseits und diesseits des Kanals werden versuchen, ihre langen und guten Beziehungen zu pflegen“, schreiben Michael Gröming und Michael Hüther. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kam nach Analysen seines Hauses zu dem Schluss, dass die Auswirkungen auf das deutsche Wirtschaftswachstum in diesem Jahr im „nicht messbaren Bereich“ lägen.

Als größtes Risiko sehen die beiden IW-Autoren die Unsicherheit: Der IW-Index der Politischen Unsicherheit schlägt derzeit fast so stark aus wie während der Finanzkrise 2008. Dazu trugen bereits vor dem Briten-Votum die Unstimmigkeiten in der EU in der Flüchtlingsfrage, über den richtigen Reformkurs, die hohe Staatsverschuldung und die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bei. Dies könnte das Geschäftsklima mittelfristig beschädigen und zu Investitionszurückhaltung und in der Folge zu schwächerem Wachstum führen.

Nach einer Analyse der Deutschen Bank sind später, beim Vollzug des Brexit, die Auto- und die Pharmabranche am stärksten betroffen. Die Automobilindustrie exportiert 12,8 und die Pharmaindustrie 10,8 Prozent ihrer Ausfuhren nach Großbritannien. Die erwartete Aufwertung des Euro gegenüber dem Pfund verteuert ihre Produkte für Briten. Für die Automobilindustrie war 2015 Großbritannien das wichtigste Exportland, in das 810.000 Autos verkauft wurden.
Der Industrieverband BDI fürchtet, dass die Unsicherheit zu „einem deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten führen wird“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. „Neue deutsche Direktinvestitionen auf der Insel sind kaum zu erwarten“, sagte er. Die Industrie hoffe deshalb, dass sich in den Verhandlungen der EU mit den Briten der Wille zu weiterer Zusammenarbeit durchsetzen möge.
Donata Riedel, Berlin


Frankreich: Kommt der Bexit wirklich?

Bernard Arnault, der reichste Mann Frankreichs und Chef des Luxusgüterkonzerns Louis Vuitton-Moët Hennessy rechnet nicht mit einem Brexit. „Das wird sich totlaufen, in zwei Jahren ist die Sache am Ende,“ sagte Arnault am Donnerstag dem Handelsblatt in Paris. Die Briten würden letzten Endes auf das Ausscheiden aus der EU verzichten. Arnaults Wort hat Gewicht: LVMH hat enge Beziehungen zum Vereinigten Königreich, einige Chefs von Filialen haben sich in London niedergelassen. Einen Tag vorher hatte Jérôme Sgard, Professor für Politische Ökonomie an der Eliteuni Sciences Po in einem Kommentar geschrieben: „Der Brexit wird nicht stattfinden, er ist zu komplex und zu teuer.“

Die Hoffnung der britischen Brexit-Anhänger, sie könnten in einem faulen Deal de facto Mitglied der EU bleiben, ohne sich an europäisches Recht halten oder zum Haushalt beitragen zu müssen, hat Frankreichs Staatschef François Hollande zerstört. „Die Entscheidung, die EU zu verlassen, muss umgesetzt werden. Die Demokratie ist kein Pokerspiel.“ Es werde „keine Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich geben außer im Rahmen des Trennungsverfahrens nach dem Artikel 50 des EU-Vertrages.“ Hollande äußerte sich in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Les Echos.

Bruno Cavalier von der auch in Deutschland aktiven Bank Oddo rechnet mit einer Abschwächung des britischen Wachstums, und zwar mittel- bis längerfristig stärker als kurzfristig. „Die Wahrheit ist ziemlich trivial: Es war kühn zu glauben, ein Land könne rund die Hälfte seines Außenhandels beeinträchtigen und daraus auch noch ein höheres Maß an Aktivität ziehen“, schreibt Cavalier am Donnerstag in einer Studie. Patrick Artus, Chefvolkswirt von Natixis, rechnet ebenfalls mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung. Die starke Abwertung des Pfunds führe nicht automatisch zu mehr Exporten. Dagegen schwäche sie aufgrund steigender Preise – Großbritannien muss einen großen Teil seines Konsum einführen – sofort die Kaufkraft im Inland. Gleichzeitig hätten ausländische Investoren in einem schrumpfenden Markt weniger Anlass, zu investieren.
Thomas Hanke, Paris


Großbritannien: Das Land wird ärmer werden

George Osborne redete nicht drum herum. „Es ist ganz klar, dass das Land ärmer werden wird“, sagte Finanzminister George Osborne der BBC angesichts des Brexit-Votums. Steuererhöhungen und Kürzungen der staatlichen Leistungen seien unausweichlich. Das Leben außerhalb der EU werde wirtschaftlich nicht mehr so rosig sein wie als Mitglied der Europäischen Union. Zu hoffen, die EU-Vorteile könnten bei einem Austritt einfach bewahrt werden, sei unrealistisch. Es ist ein Urteil, mit dem Osborne nicht alleine steht. Gleich zwei Rating-Agenturen stuften die Bonität des Landes bereits herunter, was die Kreditaufnahme für Großbritannien teurer macht.

Warnende Stimmen kommen auch aus der britischen Wirtschaft. Der Brexit werde das Land in eine Rezession stürzen und zum Verlust Tausender Arbeitsplätze führen. „Wir steuern auf ein Desaster zu. Ich glaube nicht, dass die Bürger schon begriffen haben, was für einen Schlamassel ihr Votum auslösen wird“, sagte der Gründer der Virgin-Gruppe, Richard Branson. Seine Fluggesellschaft habe nach dem Referendum bereits einen „sehr großen“ Deal abgesagt, der etwa 3.000 Jobs geschaffen hätte. Sein Unternehmen habe zudem seit der überraschenden Brexit-Entscheidung etwa ein Drittel an Wert eingebüßt.

Vodafone belässt es nicht nur bei Worten. Der Mobilfunk-Riese denkt nach dem Brexit-Referendum laut über die Verlegung seines Hauptsitzes aufs europäische Festland nach. „Die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU war ein wichtiger Faktor für das Wachstum eines Unternehmens wie Vodafone“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Noch sei es zu früh, Schlüsse für den langfristigen Standort des Hauptsitzes zu ziehen, aber es werde entschieden, was zweckmäßig für das Interesse von Kunden, Aktionären und Angestellten sei.

Die Unsicherheit erfasst auch die britische Bevölkerung. Das Verbrauchervertrauen in Großbritannien ist einer Umfrage zufolge nach der Brexit-Entscheidung kräftig gesunken. Der entsprechende Index fiel auf 104,3 Punkte von 111,9 Zählern in den ersten drei Juni-Wochen, wie das Institut YouGov zu der gemeinsam mit dem Centre for Economics and Business Research (CEBR) erhobenen Umfrage mitteilte. Das ist der tiefste Stand seit Mai 2013, als die britische Wirtschaft gerade begann, die Nachwehen der Finanzkrise hinter sich zu lassen.
Carsten Herz, London


Griechenland: Schmerzhaft aber beherrschbar

Die wirtschaftlichen Konsequenzen des Grexit für Griechenland gelten als schmerzhaft aber beherrschbar. Die Exporte nach Großbritannien machen 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Diese Ausfuhren könnten zurückgehen, aber dass sie komplett wegbrechen, ist nicht zu erwarten. Auch im Tourismus muss sich das Land auf Einbußen einstellen. Vergangenes Jahr machten 2,4 Millionen Briten Urlaub in Griechenland.

Wenn das Pfund weiter abwertet und die britische Konjunktur schwächelt, dürften sie nicht mehr in so großer Zahl anreisen. Führt der Brexit zu einer Rezession in Europa, wie manche befürchten, wäre Griechenland als das wirtschaftlich schwächste Land der Eurozone davon besonders betroffen. Die für das kommende Jahr erhoffte Rückkehr zum Wachstum könnte sich weiter verzögern.

Noch weitaus schwerer könnten die politischen Folgen wiegen. In Athen fürchtet man, dass der Brexit zu einer „Union der zwei Geschwindigkeiten“ führen wird. Eine kleine Staatengruppe unter Führung Deutschlands könnte in Zukunft mehr Entscheidungen an sich ziehen. Länder wie Griechenland müssten ins zweite Glied zurücktreten. Die Rolle Griechenlands wird zusätzlich dadurch geschwächt, dass es als einziges der ursprünglichen Krisenländer immer noch auf Hilfskredite angewiesen ist.

Der Brexit dürfte die Rückkehr des Landes an die Finanzmärkte weiter verzögern. Abzulesen ist das an den Kursen der griechischen Staatsanleihen, deren Renditen nach dem Brexit-Votum von rund acht auf neun Prozent stiegen. Auch an eine baldige Aufhebung der Kapitalkontrollen ist angesichts der allgemeinen Unsicherheit nicht mehr zu denken.

Offen ist, wie sich der Brexit auf die Verhandlungen über die weitere Umsetzung des Spar- und Reformprogramms auswirken wird. Die optimistische Annahme: Die Eurostaaten werden Nachsicht mit Athen üben, weil man zusätzlich zu den Brexit-Komplikationen nicht auch noch eine neue Griechenlandkrise braucht. Pessimisten meinen hingegen, die Partner würden den Spar- und Reformdruck auf Athen eher erhöhen, um den Euro-Skeptikern in ihren Ländern keine neue Munition zu liefern.
Gerd Höhler, Athen


Schweden: Überschaubare Folgen

In Schweden haben sich die meisten Unternehmensbosse sehr enttäuscht über den Ausgang des Brexit-Referendums geäußert. Jakob Wallenberg, Aufsichtsratsvorsitzender der mächtigen Investmentgesellschaft Investor, die an Unternehmen wie ABB, Astra Zeneca, Electrolux, Ericsson, und die Bank SEB beteiligt ist und sie teilweise als größter Einzelaktionär kontrolliert, machte keinen Hehl aus seiner Meinung. „Als das Ergebnis bekanntgegeben wurde, war das der traurigste Tag in meinem professionellen Leben“, erklärte er gegenüber der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“.

Wallenberg, Oberhaupt einer der mächtigsten Familiendynastien Europas, rechnet mit wirtschaftlichen Konsequenzen auch für Schweden. Das Land ist stark exportabhängig und deshalb ein großer Freihandelsanhänger. „Jetzt verlässt der größte Freihandelsbefürworter die EU“, sagt Wallenberg.

Die schwedische Regierung mit Finanzministerin Magdalena Andersson an der Spitze traf kurz nach der Brexit-Entscheidung mit wichtigen Wirtschaftsbossen des Landes zusammen, um über mögliche Maßnahmen und Konsequenzen zu diskutieren. Auf die Frage, welche Konsequenzen der Brexit für Schwedens Unternehmen habe, erklärte Andersson: „Er ist deutlich problematischer für die britische Wirtschaft.“ Da nicht klar sei, wie eventuelle bilaterale Abkommen mit Großbritannien aussehen werden, sei es aber schwierig über konkrete Konsequenzen zu diskutieren, sagt Europaministerin Ann Linde.

Die meisten Ökonomen in Schweden rechnen mit einem niedrigeren Bruttoinlandsprodukt als Folge des Brexit. Großbritannien ist der viertwichtigste Exportmarkt für das nordeuropäische Land. Somit wird auch Schweden den EU-Austritt zu spüren bekommen. „Wir rechnen mit einem klar niedrigeren Bruttoinlandsprodukt“, sagte Annika Winsth, Chefökonomin bei der größten nordeuropäischen Bank Nordea. Allerdings distanziert sie sich von Experten, die die Lage als katastrophal für den Export bezeichnet hatten. „Großbritannien ist wichtig“, sagte sie, „aber wir betreiben Handel mit so vielen anderen Ländern.“ Insofern glaube sie an überschaubare Folgen für die schwedische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Helmut Steuer, Stockholm


Österreich: Wien profitiert vom Brexit

Nach der Entscheidung Großbritanniens die EU verlassen zu wollen, hoffen der Wirtschaftsstandort Österreich auf abwanderungswillige Unternehmen von der Insel. „Es kann zu positiven Effekte bei den Investitionen kommen“, sagte Marcus Scheiblecker, Vize-Chef des angesehenen Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) dem Handelsblatt. Der Ökonom spielte auf Firmen wie den britischen Autobauer Jaguar Land Rover an. Der Konzern hatte bereits im vergangenen Jahr mit dem Automobilzulieferer Magna Steyr einen Produktionsvertrag unterzeichnet, der ab 2017 den Bau von Jaguar-Land-Rover-Modellen in Graz vorsieht.

Nach dem Brexit sind die Hoffnungen groß, dass aus der Automobilindustrie – beispielsweise von Toyota – es weitere Abwanderungstendenzen geben könnte, von denen Österreich, insbesondere das Auto-Cluster im südlichen Bundesland Steiermark, profitieren könnte. „Wir sind nicht in der ersten Reihe, die von Standortverlagerungen profitieren. Doch wir werden vereinzelt positive Auswirkungen in Österreich haben“, sagte Rene Siegl, Geschäftsführer der Austrian Business Agency, in Wien. Zuletzt kündigte der Autobauer Fiat Chrysler an, seine Traktorenproduktion ins österreichische Steyr zu verlegen.

Doch es gibt auch Schattenseiten des EU-Austritts für Österreich. Die Alpenrepublik erwartet Einschätzung des Wifo ein Minus im Korridor von 0,1 bis 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) durch den EU-Austritt Großbritanniens in diesem und nächsten Jahr. Nach Angaben von Scheiblecker gehen rund drei Prozent der österreichischen Exporte nach Großbritannien. Damit ist das Vereinigte Königreich unter den zehngrößten Handelspartnern der Alpenrepublik. Besonders betroffen ist dabei die Steiermark. Denn Großbritannien ist der fünfwichtigste Exportmarkt für die österreichische Region.

Die österreichische Exportwirtschaft strotzt unterdessen vor Selbstbewusstsein. Die Ausfuhren Österreichs sind im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent auf knapp 132 Milliarden Euro gestiegen. „Das ist der fünfte Exportrekord in Folge und somit ein positives Indiz für die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft", sagte der österreichische Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Donnerstag.

Durch das schwache Pfund erwartet die Tourismuswirtschaft Einbußen. „Die negative Effekte sind aber überschaubar“, sagt Ökonom Scheiblecker. Britische Besucher spielen sowohl in der Sommer- als auch in der Wintersaison in Österreich nur eine Nebenrolle.

Zuletzt war von der rechtspopulistischen FPÖ die Idee eines Referendums über die EU-Mitgliedschaft Österreichs aufgebracht worden. FPÖ-Politiker Norbert Hofer brachte die Idee einer Abstimmung über einen „Öxit“ im kommenden Jahr auf. Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schließt aber ein EU-Referendum für sein Land aus. Referenden würden „mit artfremden Diskussionen überfrachtet“, sagte der frühere Bahn-Chef. „Vor diesem Hintergrund werden wir Österreich keinem Referendum aussetzen.“ Sein Veto gibt der österreichischen Wirtschaft unterdessen Sicherheit, um als Wirtschaftsstandort vom Brexit profitieren zu können.
Hans-Peter Siebenhaar, Wien


Spanien: Erhebliche Folgen

Für die spanische Wirtschaft hat der Brexit erhebliche Folgen. Zunächst im Tourismus: 15 Millionen britische Urlauber kamen im vergangenen Jahr nach Spanien und gaben 14 Milliarden Euro aus. Mit einem Pfund, das stark abwertet, dürften sie entweder weniger Geld ausgeben, oder sich Ziele innerhalb des eigenen Königreiches suchen. Das Gleiche gilt auch für die 760.000 Briten, die einen zweiten Wohnsitz in Spanien haben.

Aber auch die Exporte Spaniens wären betroffen: Die Insel ist der drittgrößte Abnehmer von spanischen Waren und Dienstleistungen. Zwar sind das insgesamt nur acht Prozent aller spanischen Exporte. Doch der Brexit-Effekt könnte Spanien vor allem indirekt treffen, nämlich dann, wenn die Wirtschaftsleistung in ganz Europa nachlässt: Zwei Drittel aller spanischen Exporte gehen nach Europa.

Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos gibt sich aber zuversichtlich und erklärte, er werde die Wachstumsprognose für Spanien wegen des Brexits nicht ändern. Das tut auch Ana Botín, die Chefin von Spaniens größter Bank, Banco Santander, für ihr Institut nicht. Die Bank hat den Brexit am eigenen Kurseinbruch um rund 20 Prozent am Tag der Entscheidung bereits deutlich zu spüren bekommen. Der Grund: Sie erzielt ein Viertel ihres Gewinn in Großbritannien, bei Banco Sabdell sieht es ähnlich aus. Botín geht aber davon aus, dass die Bank mit ihrer globalen Präsenz die Effekte des Brexits abfedern kann.

Darüber hinaus gewinnt durch den Brexit ein jahrelanger politischer Streit zwischen Großbritannien und Spanien an Brisanz – der um Gibraltar. Der spanische Außenminister José Margallo hat gleich am Tag der Brexit-Entscheidung vorgeschlagen, die Hoheit über das Gebiet sollten sich für eine Übergangszeit Spanien und Großbritannien teilen, bevor Gibraltar dann wieder ganz in die Hände Spaniens übergehe. Madrid hat es nie verwunden, dass der südliche Zipfel des Landes 1713 an Großbritannien abgegeben wurde. Die EU hat bei den Streitigkeiten beider Länder oft geschlichtet – sie fällt aber künftig in dieser Rolle weg.

Neben allen Problemen könnte der Austritt Großbritanniens aus der EU aber auch die Möglichkeit eröffnen, diejenigen Investoren aus Übersee anzulocken, die bisher die Insel als Standort für ihr Europa-Engagement ausgesucht hatten. Metropolen wie Madrid oder Barcelona könnten sich nun als Alternative anbieten.
Sandra Louven, Madrid


Portugal: Angst um die Exporte

Auch für Portugal ist Großbritannien ein wichtiger Handelspartner – das Land ist der viertgrößte Abnehmer von portugiesischen Exporten. Der portugiesische Finanzminister äußerte sich in einem Interview besorgt darüber, dass portugiesische Unternehmen durch den Brexit nun in einem weiteren Markt Probleme bekämen. Sie sind aus historischen Gründen stark in Brasilien und Angola engagiert – zwei Märkte, die beide in der Krise stecken

Portugal kann gerade eigentlich keine weiteren wirtschaftlichen Probleme gebrauchen: Das Land kämpft darum, das mit der EU vereinbarte Defizitkriterium für seinen Haushalt einzuhalten. In den ersten drei Monaten lag es selbst ohne den Brexit bei 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit weit über den vereinbarten 2,2 Prozent, die Portugal Ende dieses Jahres erreichen soll.

Zudem erschweren die Turbulenzen an der Börsen den Verkauf der staatlich geretteten Novo Banco. Novo Banco ist der gute Teil der in der Finanzkrise mit fünf Milliarden Euro vor dem Bankrott geretteten Banco Espírito Santo. Die Regierung in Lissabon macht dieses Jahr bereits den zweiten Anlauf, Novo Banco zu verkaufen, nachdem im vergangenen Jahr die Gebote offenbar nur bei rund 1,5 Milliarden Euro gelegen haben.

Die Differenz zwischen Verkaufspreis und staatlichem Rettungsgeld müssen die übrigen portugiesischen Banken zahlen, die sich ohnehin in einer sehr labilen Lage befinden. Der portugiesische Bankenverband versicherte aber, die Banken seien auf den Brexit vorbereitet gewesen und würden ihren Kunden weiterhin sämtliche Dienstleistungen anbieten.
Sandra Louven, Madrid

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