Britischer Oppositionsführer Labour-Chef Corbyn wirbt für Zollunion mit EU nach dem Brexit

Der britische Oppositionsführer gilt als EU-Skeptiker. Jetzt schlägt er einen neuen Kurs ein – und versucht May Unterstützer abzujagen.

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London Lange hat sich der britische Labour-Chef und Oppositionsführer Jeremy Corbyn nicht klar beim Thema Brexit positioniert. Er gilt als Altlinker, als EU-Skeptiker und auch unter seinen Wählern gibt es viele, die sich „von den Fesseln der EU befreien wollen“.

Doch nun hat Corbyn seine Strategie geändert. Bei einer Rede in der Auto-Stadt Coventry im Herzen Englands hat er erstmals seine konkrete Version zum Brexit geäußert. Dass er ausgerechnet jetzt, 20 Monate nach dem EU-Referendum, aus der Reserve kommt, hat einen guten Grund: Seine Rede könnte die britische Premierministerin Theresa May in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Darin ließ der Labour-Vorsitzende nämlich kein gutes Haar an der Regierung. Sie mache Politik allein für Reiche, senke die Erbschaftssteuer und die Bankenabgabe, während das Leben für die anderen Briten immer schwerer werde. Und beim Brexit, dem Thema, das Großbritannien für die nächsten Jahrzehnte beeinflussen werde, sei die Regierung mehr mit sich selbst beschäftigt, als die Interessen des Landes im Blick zu haben. Noch immer sei vollkommen unklar, welches Ziel die Regierung bei dem bevorstehenden EU-Austritt verfolge, kritisierte Corbyn.

Das ist ein Vorwurf, der auch ihm lange gemacht wurde. Schon während der Kampagne zum Referendum, sagten Experten, sei vielen Labour-Wählern nicht klar gewesen, wo Corbyn stehe. Doch angesichts der immer weiter aufreißenden Kluft zwischen Brexit-Befürwortern und –Gegnern, die sich auch durch das Kabinett der Premierministerin zieht, sieht Corbyn nun wohl den Zeitpunkt gekommen, seiner Partei eine klare Marschrichtung vorzugeben.

Er spricht offen aus, was er sich erhofft: dass sich „Abgeordnete aller Parteien“ hinter ihn stellen. Nachdem die britische Regierungspartei in den letzten Wahlen ihre Mehrheit verloren hatte, hat sie selbst nach einem Pakt mit der nordirischen DUP nur eine hauchdünne Mehrheit im Parlament.

Einige Tories stellen sich gegen harten Brexit-Kurs

Würden sich bei bevorstehenden Abstimmungen nur einige wenige Tory-Abgeordnete dem Brexit-Kurs von Labour anschließen, könnten sie die Regierung in Gefahr bringen. Und in den Reihen der Tories gibt es einige, die gegen den harten Brexit-Kurs der Regierung sind. Sie dürfte Corbyn vor Augen gehabt haben, als er seine Pläne für einen moderaten Brexit präsentierte.

Seinen Vorstellungen zufolge soll Großbritannien nach dem Brexit – den Corbyn an sich nicht in Frage stellt – Teil einer neuen Zollunion mit der EU sein. Die Briten sollen Mitspracherecht bei dem Aushandeln neuer Handelsabkommen haben. Daneben will Corbyn die Freizügigkeit der Menschen beenden und „faire Regeln“ für Einwanderer einführen.

„Wir respektieren den Willen der Briten“, betonte er. Auch Corbyn will somit einen „maßgeschneiderten“ Deal mit der EU. Doch gibt er sich flexibler als Theresa May, die jegliche Zollunion ausschließt.

Das dürfte in Brüssel gut ankommen. Entscheidend ist aber zunächst, wie Corbyns Vision bei den britischen Abgeordneten ankommt – vor allem bei denen der gegnerischen Tory-Partei. Denn ohne deren Unterstützung wären die Pläne von Corbyn nur das übliche Getöse einer Oppositionspartei, und die Regierung würde ihren harten Brexit vorantreiben. An diesem Freitag will Theresa May ihrerseits eine Rede zum Brexit halten.

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