Britischer Unterhaussprecher Bercow Der Trump-Verbanner

Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat Donald Trump zu einem Staatsbesuch eingeladen. Doch die Bevölkerung läuft Sturm. Nun will auch Unterhaussprecher John Bercow dem US-Präsidenten einen Auftritt verweigern.

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Gediegen abgewiegelt? Der Sprecher des britischen Parlaments, John Bercow (Archivfoto von 2014) hat ausgeschlossen, US-Präsident Donald Trump bei einem geplanten Staatsempfang ins Unterhaus einzuladen. Quelle: dpa

London Normalerweise ist es sein Job, die Abgeordneten im britischen Unterhaus zu bremsen, wenn diese laut werden und so richtig in Fahrt kommen. Dann steht John Bercow, Sprecher des Unterhauses, von seinem grün gepolsterten Stuhl auf, ruft ein paar Ermahnungen in die Runde oder versucht mit lustigen Bemerkungen, die Gemüter zu beruhigen. An diesem Montag war es aber Bercow, der so richtig in Fahrt kam und sich nicht bremsen ließ.

Erst verkündete er, dass im traditionsreichen House of Commons eine Tradition abgeschafft würde: Bedienstete müssten keine Perücken mehr tragen. Denn das sei „vermieft“, so Bercow, und gehöre abgeschafft.

Und kurze Zeit später verkündete er die nächste Entscheidung, die ebenso wie die vorangegangene die Abgeordneten spaltete: Bercow sprach eine Art Donald Trump-Bann aus. Der Sprecher des Unterhauses sprach sich dagegen aus, dass der neue US-Präsident bei seinem voraussichtlich für den Sommer geplanten Staatsbesuch auf der Insel eine Rede im Parlament halten darf.

Bereits vor Einführung des Einreiseverbots für Muslime „wäre ich sehr gegen einen Auftritt“ Trumps im Parlament gewesen, sagte Bercow. Nachdem der US-Präsident dieses Einreiseverbot jetzt aber tatsächlich wahr gemacht habe, „bin ich noch viel stärker dagegen“, so der Unterhaussprecher.

Eine Ehre, die man sich verdienen muss

Angesichts des Kampfs gegen Rassismus und Sexismus und für Gleichheit vor dem Gesetz, dass das House of Commons führe, sei dies kein geeigneter Ort für einen Auftritt des US-Präsidenten. Ohnehin sei eine solche Rede im britischen Parlament kein automatisches Recht, das jedermann zuteil werde, sondern eine Ehre, die man sich verdienen müsste.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat Trump im Namen der Königin zu einem Staatsbesuch eingeladen und damit auf der Insel massive Entrüstung ausgelöst. Mehr als 1,8 Millionen Menschen habe eine Onlinepetition unterzeichnet, die sich dagegen ausspricht.

Der US-Präsident könne zwar nach Großbritannien kommen, allerdings solle das nicht ein offizieller Staatsbesuch werden, um Queen Elizabeth II. Nicht in Verlegenheit zu bringen, heißt es in der Petition. Trump solle wegen seiner Frauenfeindlichkeit und seinen fragwürdigen Benehmens insgesamt nicht von der Königin empfangen werden. Angesichts der Vielzahl der Unterzeichner wird sich das Parlament am 20. Februar mit der Petition auseinandersetzen.

Bercow machte aber jetzt schon deutlich, was er von Trump hält und dürfte sich damit den Zorn von May zugezogen haben. Die Premierministerin bemüht sich um gute Beziehungen zu dem US-Präsidenten und hofft so, nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU möglichst schnell ein Freihandelsabkommen mit den USA abschließen zu können.


Wer über einen Trump-Auftritt im britischen Parlament entscheidet

Vor allem Oppositionspolitiker lobten Bercows Entscheidung. „Das ist ein stolzer Moment für das House of Commons“, schrieb die Labour-Abgeordnete Harriet Harman über den Kurznachrichtendienst Twitter. Auch Tim Farron, Chef der Liberaldemokraten, sagte, man dürfe Trump nicht den roten Teppich ausrollen. Und es sei nicht richtig gewesen, dass Theresa May dem US-Präsidenten so „überstürzt und verzweifelt“ einen Staatsbesuch angeboten habe.

Grundsätzlich entscheidet Bercow nicht allein, ob und wer eine Rede im britischen Parlament halten kann. Auch der Sprecher des Oberhauses und ein weiterer sehr hochrangiger Staatsbeamter reden in der Sache mit und entscheiden in der Regeln im Konsens.

Doch es gilt als unwahrscheinlich, dass die beiden anderen Bercow in dem Fall überstimmen. Praktisch hat Trump daher keine Chance auf einen Auftritt im britischen Parlament.

Der Unterhaussprecher ist eigentlich ein Tory-Politiker, zuletzt hat er sich aber häufiger mit seinen Parteikollegen angelegt und sich deren Kritik eingehandelt. So soll Bercow den Brexit einen Fehler genannt haben.

Und auch beim Besuch des chinesischen Staatschef Xi Jinping im Herbst 2015 hat er sich nicht ganz ans Drehbuch gehalten. Statt wie sonst üblich bei solchen Auftritt im Parlament den Redner mit höflichen Worten und charmanten Witzen vorzustellen, hat Bercow einige recht undiplomatische Passagen in seine Einleitungsrede eingebaut.

In den vergangenen drei Jahren seien „vier Töchter und Söhne Asiens“ im Parlament zu Besuch gewesen, darunter Aung San Suu Kyi, „Nobelpreisträgerin und Champion der Demokratie“, hob der Unterhaussprecher hervor und machte deutlich, dass er den chinesischen Staatschef weder für einen Demokraten hält, noch für einen besonders wichtigen Parlamentsredner. Am Ende gab er dem chinesischen Präsidenten noch leicht spöttisch auf dem Weg: „Seien Sie eine moralische Inspiration für die Welt.“

Bercow sitzt seit Ende der 90er Jahre im Parlament. 2009 ist er Sprecher des Unterhauses geworden und in dieser Position eigentlich dazu verpflichtet, politisch neutral zu sein. Einigen seiner Tory-Parteifreunde gilt er inzwischen aber als zu sozialliberal, was sie dem Einfluss seiner Frau zuschreiben, einer Unterstützerin der Labour-Partei.

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