Anders als Goldsmith ist Khan ein Polit-Profi, der weiß, wie man einen Wahlkampf organisiert. So kann er sich Labours Wahlerfolg bei den Unterhauswahlen – wo die Partei ganz im Gegensatz zum nationalen Trend – sieben Wahlkreise hinzugewann. Vor allem aber weiß Khan, wo dem normalen Londoner der Schuh drückt.
Zudem kommt ihm die politische Stimmung in der Stadt zu gute. Denn London ist – ungeachtet des Erfolgs von Johnson – eigentlich traditionell eine Labour-Stadt. So wählten bei den letzten Parlamentswahlen im vergangenen Mai die meisten Bezirke eher links. Bei der Unterhauswahl im vergangenen Mai kam Labour in London auf 44 Prozent nach zuvor 37 Prozent. Dagegen erreichten die Konservativen nur 35 Prozent.
Allerdings hat der Konservative Johnson bereits zwei Mal demonstriert, dass ein Tory auch in der eher linken Metropole gewinnen kann. Freilich nimmt Johnson in seiner Partei eine Sonderrolle ein: Er verkörpert zwar durch und durch die britische Oberschicht. Aber zugleich ist er ein Exzentriker und aufmüpfiger Parteirebell, der seinem eigenen Kopf folgt – was ihm in London einen Sonderstatus gibt.
Die Bürgermeisterwahl ist für Labour-Führer Corbyn der erste wichtige Testlauf. Entsprechend stark hängt sich die Opposition ins Prestigeduell um den Chefposten in der britischen Hauptstadt.
Ein Muslim kämpft für die Homo-Ehe
Khan kämpft in London auch gegen einen unsichtbaren Feind: die Ressentiments gegen seinen Glauben. Mit dem Gedanken, von einem muslimischen Bürgermeister regiert zu werden, können sich einer Umfrage zufolge viele Londoner nicht anfreunden. Ein Drittel der Londoner ist bei dieser Vorstellung unwohl, wie die Erhebung ergab.
Dieses Unbehagen versucht das Goldsmith-Lager noch zu schüren – mit dem Hinweis auf gemeinsame Auftritte des Menschenrechtsanwalts Khan mit radikalen islamischen Predigern und mit der Behauptung, es habe bei Labour in den vergangenen Monaten „radikale Veränderungen“ gegeben. Prompt warfen Labour-Politiker den Konservativen „rassistische Anfeindungen“ vor.
Demonstrativ fordert Khan deshalb scharfe Terrorregeln für die britische Hauptstadt. Er werde „der britische Muslim sein, welcher den Kampf gegen die Extremisten aufnimmt“, verspricht Khan. Der muslimische Menschenrechts-Aktivist entspricht auch sonst nicht gängigen Stereotypen: Er setzt sich offen für die Homo-Ehe ein und begann seine Wahlkampfkampagne vor einem Londoner Pub – obwohl er keinen Alkohol trinkt.
Bei vielen Londonern stößt das offensichtlich auf Sympathie. Denn anders als Goldsmith trauen viele Khan zu, dass er ihre Probleme kennt und versteht. Wenn sich der Millionärssohn Goldsmith dagegen für mehr bezahlbaren Wohnraum in London und hohe Investitionen in den Nahverkehr ausspricht, unterstellen ihm viele Kritiker, dass da ein Mensch über Probleme redet, die er maximal aus der „Times“ kennt, die er zum Frühstück gereicht bekommt.
Goldsmith gelang es nicht, im Wahlkampf um das Londoner Bürgermeisteramt ein wirklich ein bewegendes Wahlkampfthema zu finden. Stattdessen setzte er von Anfang an stark auf die Nähe zu Amtsinhaber Johnson. „Die Strategie von Goldsmith war, im Grunde zu versprechen: 'wählt mich und ich mache alles so weiter wie Johnson'“, findet der Politologe Simon Hix von der London School of Economics (LSE). Das sei für potenzielle Wähler eine schwache Motivation. Ganz anders sei es bei Labour-Anhängern: Mit Khan gibt es die Chance, nach acht Jahren das Bürgermeisteramt zurückzuerobern – und dazu erstmals einen Muslim auf den prestigeträchtigen Posten zu hieven.
Was sagt der mögliche Sieger der Bürgermeisterwahl? Als Khan kürzlich gefragt wurde, ob ihn die Perspektive mit Stolz erfülle, dass er bald als erster Muslim eine westliche Metropole regieren könnte, reagierte er mit britischem Humor. „Das ist mal wieder typisch“, sagte Khan. „Da warten die Muslime Jahrzehnte darauf, dass ein pakistanischer Busfahrer-Sohn daher kommt – und dann kommen gleich zwei auf einmal." Damit spielte Khan auf den britischen Minister Sajid Javid, ebenfalls ein Muslim, an. Über diesen Witz dürften Zac Goldsmith und die Londoner Konservativen kaum lachen.