Bulgarien will die EU-Erweiterung Der machtlose EU-Türsteher aus Sofia

Bulgariens Ministerpräsident Borissow will das Thema EU-Erweiterung auf die Agenda setzen. Das ist ein schwieriges Unterfangen – es gibt Bedenken von einflussreichen Akteuren.

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Am Vorabend des EU-Westbalkan-Gipfels kamen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Sofia zusammen, um unter anderem über die Konsequenzen der jüngsten Entscheidungen des US-Präsidenten Trump zu diskutieren. Quelle: dpa

Sofia Wie ein massiger Türsteher läuft der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow den roten Teppich auf und ab – und wartet. Er wartet auf jene, die mit schwarzen Wagenkolonnen und Blaulicht angefahren kommen und derentwegen sich die Straßen Sofias in Alleen aus Polizisten verwandelt haben: Am Vorabend des EU-Westbalkan-Gipfels hat er die Chefs der EU-Mitgliederstaaten zu einem informellen Dinner geladen, ebenso den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Es gibt Händeschütteln, Schulterklopfen, Wangenküsse und Umarmungen, bevor die hochrangigen Gäste im Gebäude verschwinden. Einer nach dem anderen trifft ein, über eine Stunde geht es so. Es ist einer von Bulgariens großen Momenten seiner EU-Ratspräsidentschaft.

„United we stand strong“ – das ist der Slogan, den sich die Bulgaren für die Zeit ihres Vorsitzes im Rat der EU ausgesucht haben. Vielleicht inspiriert von den Krisen der vergangenen Jahre und der damit einhergehenden Europaskepsis. Vielleicht auch inspiriert von der europäischen Grundidee, den gesamten Kontinent zu vereinen, um Frieden zu erhalten und in einer globalen Welt zu bestehen. Vielleicht ist es aber auch nur ein klug gewählter Satz, um die eigenen Interessen gefühlvoll zu verkaufen.

In den vergangenen Jahren stand das Thema EU-Erweiterung nicht weit oben auf der politischen Agenda der EU. Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Brexit – es gab schlicht andere Probleme. 2012 soll Juncker gesagt haben, er habe momentan keinen Kopf für eine Erweiterung, obwohl den Westbalkan-Ländern bereits 2003 eine Beitrittsperspektive zugesagt worden war. Jetzt ist das Thema wieder ein Stück nach oben gerückt. Das ist auch Bulgariens Verdienst.

Während der Ratspräsidentschaft gab es kaum eine Konferenz, bei der Bulgarien nicht auf den Balkan zu sprechen kam. Das brachte die Kommission dazu, das Thema wieder weiter voranzutreiben. Im März stellte Juncker Serbien und Montenegro, mit denen bereits seit mehreren Jahren Beitrittsverhandlungen laufen, eine EU-Mitgliedschaft für das Jahr 2025 in Aussicht. Im Juni soll zudem beschlossen werden, die Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien und Albanien vorzubereiten.

Bojko Borissow versucht sich in der Rolle des Türstehers der EU, der die Länder des westlichen Balkans hineinwinken will. Den Prozess der EU-Erweiterung voranzutreiben – das soll sein politisches Erbe der bulgarischen Ratspräsidentschaft sein.

Doch seine EU-Kollegen sind davon nicht alle begeistert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will beispielsweise die EU erst reformieren, bevor sie erweitert werden soll. Spanien lehnt die Erweiterungspläne komplett ab. So sehr sogar, dass der spanische Regierungschef als einziger dem Gipfel fernbleibt.

Auch aus weiteren Ländern, wie beispielsweise Deutschland, den Niederlande und Dänemark gibt es Bedenken – vor allem aufgrund von Sicherheitsaspekten. Und noch einer macht einen Strich durch die Rechnung des bulgarischen Ministerpräsidenten: Donald Trump.

Nachdem Borissow alle Staats- und Regierungschefs begrüßt und eine Geigenspielerin auf das Dinner eingestimmt hat, geht es um die drängenderen Probleme: Die Zukunft des Iran-Abkommens und der transatlantische Handelsstreit. Der Westbalkan ist von der Agenda wieder einmal verschwunden.

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