




Deutschland fegt den Gastgeber mit 7:1 vom Feld und treibt ihn damit in eine nationale Depression – dennoch gelten die Deutschen weiterhin als eine der sympathischsten und beliebtesten Mannschaften dieser WM. Gestern Abend widmete Globo, der tonangebende Sender Brasiliens eine längere Reportage in den Abendnachrichten zum Abschied der „Seleção alemão“ von ihrem Quartier in Bahia. Wieder sah man die Indios, jetzt in schwarz-rot-goldener „Kriegsbemalung“ mit den deutschen Spielern. Es wurde berichtet, dass der DFB die Kosten einer Grundschule für ein Jahr übernimmt. Die Indios wurden interviewt und berichteten fast euphorisch darüber, wie nett die Deutschen sie behandelt hätten. Auch nach dem Sieg über Brasilien wären die nicht überheblich aufgetreten. Danach sah man Löws Jungs im Meer herumtollen wie eine Schulklasse auf Klassenfahrt.
Ich bin mir sicher, dass der Auftritt der deutschen Mannschaft bei der WM in Brasilien für Deutschland einen gigantischen Imagegewinn im Amazonasland gebracht hat – der zudem noch lange anhalten wird. So viel Positives können die Goethe-Institute, das gerade beendete Deutschlandjahr oder die unzähligen bilateralen Initiativen zwischen den Staaten kaum erreichen. Denn Deutschlands gute Leistung bei der WM wird inzwischen symbolisch für den Erfolg ganz Deutschlands analysiert – seiner Gesellschaft, seiner Wirtschaft, seiner Unternehmen, seiner Politik.
Und Brasilien hält sich dabei den Spiegel vor: Deutschland habe sich seit Jahren auf die Copa vorbereitet, statt ein paar Tage leichte Lauftrainings vorzunehmen, wie die Brasilianer. Deutschlands Mannschaft arbeite, denke und spiele als Team – ganz anders als die Brasilianer, wo alles vom verletzten Neymar abhing und der Rest der Mannschaft sich irgendwie danach richten sollte. Das Fairplay Deutschlands wird gelobt, die Bescheidenheit, die jugendliche Unbekümmertheit. Ich weiß natürlich, dass das alles so nicht zählen würde, hätte Brasilien gegen Deutschland gewonnen. Dann würden der brasilianische Individualismus, sein angeborenes Fußballtalent und selbst seine Schlitzohrigkeit als Tugenden gelten.





Dennoch bin ich weiterhin davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft von Jogis Elf eine ganze Menge lernen könnte, wie man effizient soziale Akzeptanz aufbaut.
Denn die unbekümmerte Leichtigkeit, mit der die deutsche Mannschaft auftrat – das war alles hart erarbeitet, immer im Austausch mit den Brasilianern vor Ort. Etwa die Harmonie mit den Indiogruppen: Die 500-Jahr-Feier Brasiliens endete vor 14 Jahren ganz in der Nähe, wo die Deutschen jetzt untergebracht waren in einer Tragödie. Indios protestierten für ihre Rechte. Die Polizei schoss mit Gummigeschossen, sprühte Tränengas und knüppelte drauflos. Im Vorfeld der WM hielt die lokale Polizei die Indios für den größten Unsicherheitsfaktor. Indianergruppen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie nicht zögern, auch Geiseln zu nehmen, etwa Ingenieure von Staudämmen. Oder Straßen zu sperren, wenn die durch ihre Territorien geht.
Auch in Santo André, wo die Deutschen wohnten, gibt es solche schwelenden Konflikte, die immer wieder mal gewalttätig werden. Doch dem DFB, der deutschen Elf, der effizienten brasilianischen Organisation vor Ort gelang es durch permanente Verhandlungen mit den Indianern die potenziellen Konfliktherde zu beseitigen – woran brasilianische Konzerne und die Politik in der Gegend immer wieder scheitern. Hut ab!